Oberhausen. Bald wird es Tampons und Binden an jeder weiterführenden Schule in Oberhausen geben. Noch immer ist das Thema Menstruation mit Scham behaftet.

An allen weiterführenden Schulen in Oberhausen werden künftig kostenlose Menstruationsartikel wie Binden oder Tampons für alle Schülerinnen und Schüler bereitgestellt. Das hat der Rat der Stadt in seiner letzten Sitzung im Dezember beschlossen. Dadurch soll das Thema Menstruation vor allem enttabuisiert und jungen Menschen die finanziellen Herausforderungen genommen werden.

SPD und FDP hatten ihren Antrag erfolgreich durch alle Ausschüsse gebracht. Allerdings nicht ohne Gegenwind. Der Vorschlag war zuvor kontrovers diskutiert worden – besonders von der CDU, die gegen den Antrag stimmte.

„Wir stimmen dem Antrag in der Form nicht zu. Daher haben wir eine Änderung angeregt. Das von der SPD und der FDP beschriebene Problem ist weder ermittelt noch an Politik oder Verwaltung herangetragen. Ich weiß aus dem Schulalltag aller weiterführenden Schulen sehr gut, dass Schulen bei Bedarf immer Menstruationsartikel zur Verfügung stellen. Und wir würden begrüßen, wenn diese Artikel nicht durch Kolleginnen und Kollegen finanziert und bereitgestellt würden, sondern Mittel abgerufen werden könnten“, kommentiert Fraktionschefin Simone-Tatjana Stehr den Beschluss. „Automaten auf Toiletten, die gewartet und gepflegt werden müssen und bei kostenloser Entnahmemöglichkeit zum Missbrauch einladen, halten wir für eine absolute Verschwendung von Steuergeldern. Leider konnten die Antragsteller an keiner Stelle Bedarf, Kosten und Umsetzung erläutern. Solche Anträge helfen niemandem.“

Gymnasium hält auch weiterhin Tampons und Binden im Sekretariat bereit

Dass die Jugendlichen nicht verantwortungsbewusst mit den Artikeln umgehen, kann sich Alice Bienk, Schulleiterin des Elsa-Brändström-Gymnasiums, kaum vorstellen. „Ich habe großes Vertrauen in meine Schüler und weiß, dass sie den Beschluss sehr begrüßen.“ Bisher können Schülerinnen und Schüler sich jederzeit an die Sekretärinnen wenden, wenn sie Tampon oder Binde benötigen. Das bleibe auch erst einmal so, selbst wenn die kostenlosen Artikel in den Mädchentoiletten ausliegen. „Wir werden beobachten, wie das Ganze angenommen wird.“ [Lesen Sie mehr: Tampons und Binden an Oberhausener Schulen bald kostenfrei]

Alice Bienk, Schulleiterin im Elsa-Brändström-Gymnasium in Oberhausen.
Alice Bienk, Schulleiterin im Elsa-Brändström-Gymnasium in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Eine große Nachfrage im Sekretariat kann die Schulleiterin allerdings nicht bestätigen. „Wer sich allerdings schämt und sich dann auch nicht traut, sich an die Sekretärinnen zu wenden, der begegnet auch mir nicht“, erklärt die Schulleiterin weiter. „Daher hat es vielleicht Vorteile, wenn die Artikel direkt auf der Toilette verfügbar sind.“ Werden diese Hygieneartikel allerdings nur in Mädchentoiletten zur Verfügung gestellt, tut sich schnell ein neues Problem auf. Auch Transmenschen, die sich als Mann identifizieren, haben ihre Periode. Dann auf die Mädchentoilette schleichen zu müssen, sei vielleicht möglich, aber nicht die eleganteste Lösung. „Mit diesem Thema müssen wir sehr sensibel umgehen. Für diese Personen ist es sicherlich am angenehmsten, sich an unsere Sekretärinnen zu wenden“, glaubt die Schulleiterin.

Periodenartikel können im Jahr bis zu 200 Euro kosten

Michael Kreuzfelder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände in Oberhausen (AGW), sieht in dem Beschluss eine Möglichkeit, Familien finanziell zu entlasten: „Durch diese Maßnahme soll laut Beschluss das Thema Menstruation enttabuisiert werden. Das ist vordergründig zunächst kein Thema von Benachteiligung, Ausgrenzung oder Armut. Eine begrüßenswerte soziale Dimension kann das Vorhaben insofern entfalten, als dass es insbesondere einkommensschwache Haushalte um einen Teil der Kosten für Menstruationsartikel entlastet. Das kann schätzungsweise bis zu 200 Euro im Jahr ausmachen. Diese Ersparnis wird alle betroffenen Familien sicherlich freuen.“

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Auch die Mitglieder des Jugendparlaments sprechen sich für die Entscheidung aus. „Unentgeltlich verfügbare Menstruationsartikel an weiterführenden Schulen sind ein innovativer Schritt für die Förderung von jungen Frauen, da mit diesem Vorhaben Problemen entgegengewirkt wird“, betont die Vorsitzende Berna Demircan. Denn Periodenarmut sei auch in Oberhausen noch immer ein Thema, beobachtet sie. „Es gibt tatsächlich Jugendliche, die damit zu kämpfen haben, denn eine Packung Binden kann schon einmal drei Euro kosten.“

Scham über Menstruation immer noch „tief verankert“

Ebenso essenziell sei der Beschluss für die schamfreie Entwicklung des Themas Menstruation. „Ein Schamgefühl gibt es leider auch immer noch. Mädchen trauen sich nicht, darüber zu reden und verstecken Periodenartikel auf dem Weg zur Toilette.“ Außerdem: „Das Thema ist nicht sehr sensibilisiert und Jungen geben gerne Mal den einen oder anderen Spruch ab.“ Es gebe zwar auch Mädchen, die offen mit dem Thema umgehen würden, doch die Scham sei noch immer tief verankert. „Wer menstruiert, soll dies bitte für sich behalten. Und Binden sollen schon gar nicht gesehen werden.“

40.000 Euro pro Jahr für Tampons und Binden

Die kostenfreien Menstruationsartikel werden künftig in jeder weiterführenden Schule in Oberhausen bereitgestellt werden. Kostenpunkt: 40.000 Euro im Jahr.Gemeinsam mit SPD und FDP haben die Grünen, Linken und das Bürgerbündnis BOB dafür gestimmt, den Schülerinnen Tampons und Binden kostenlos in passenden Spender-Automaten in den Toilettenräumen zur Verfügung zu stellen. CDU, AfD und Einzel-Ratsherr Guido Horn (OfB) waren dagegen – mit ihren Stimmen aber in der Minderheit.Nach einem Jahr soll die Stadtverwaltung einen Bericht über das Projekt vorlegen – mit dem Ziel, das Angebot auf sämtliche öffentliche Gebäude in Oberhausen auszuweiten.