Gelsenkirchen. Natürlich wird in Heßler nicht nur Pumpernickel gebacken, aber für diese Brot-Spezialität ist Prünte bekannt. 20 WAZ-Leser schauten sich den Betrieb an.
Die silberne Phalanx ist auf Temperatur. Gut 100 Grad zeigen die Thermometer an. „Das ist das Herzstück unserer Bäckerei, die Pumpernickel-Backöfen“, sagt Thomas Gill und scherzt: „Sieht ein bisschen aus wie die Bank von England.“ In der Tat: Die Öfen mit ihren dicken Klappen erinnern an solide Tresore – und bergen schwarzes Gold, eben Pumpernickel, die Basis des Prünte-Erfolgs.
20 WAZ-Leser bekommen an diesem Morgen einen Eindruck von Rezepturen und Handwerkskunst, von regionaler Verankerung und weltweitem Auftritt, vom Selbstverständnis des Traditionsbäckers in sechster Generation, der sich als Experte für Spezialitäten mehr als nur eine Marktnische erobert hat – sei es mit Pumpernickel oder Rheinischem Vollkornbrot. Beides gilt als schwierig zu backen. „Aber ich sage immer: Wenn die anderen das nicht können, dann müssen wir das machen.“
Weihnachtsartikel in Dänemark
Es gibt nur noch drei Bäckereien, die in größerem Stil Pumpernickel backen. Prünte mischt dabei in besonderen Dimensionen mit, auch für den Export. „In Skandinavien sind wir Marktführer.“ Pumpernickel, weiß Gill, „ist in Dänemark ein Weihnachtsartikel, die Schweden essen ihn super gerne mit Salzhering. Wir haben ein gewisses Saisongeschäft, in Monaten mit „r“ zieht’s an, Schwarzbrot gehört ja auch zu Muscheln.“
Die Kneter im Betrieb haben XXXL-Format, die „Teigkessel mit drei Tonnen Kapazität sind die größten in Europa“, sagt der 48-Jährige, 500 Kilogramm fassen die Teigschalen, die neun Silos 70 Tonnen Rohstoffe vom Roggen bis zu Leinsamen oder Haferflocken für diverse Vollkorn-Brotsorten. „Wir backen halt den ganzen gesunden Kram“, lacht Gill. Und das sind immerhin über 20 Tonnen Brot pro Tag, die in Heßler produziert werden, davon bis zu zwölf Tonnen Pumpernickel – übrigens auch im Auftrag namhafter Großbäcker.
Pumpernickel kommt ohne Malzextrakt aus
Gill hat Bäcker gelernt und auch Pharmazie studiert. Man sieht: Die Entscheidung, in den Betrieb einzusteigen, lief über Umwege. Doch das Studium und sein detaillierte Wissen um Stärke und Enzyme, sagt Gill, helfe ihm heute dabei, den Backprozess optimal zu gestalten. Aus Roggen und Schrot wird Vollkornbrot, ein reines Naturprodukt. Ohne Zusatz-, ohne Konservierungsstoffe, manchmal mit Malzextrakt. Das Naturprodukt wird zum Färben gebraucht, weil sich „dunkles Brot besser verkauft“. Pumpernickel kommt ohne aus. Aber damit er wie gewünscht dunkel, saftig, leicht süß und würzig aus dem Ofen kommt, schaden Erfahrung und zwei Zutaten nicht. Erstens: Schnittgut-Abfälle. „Dieses Restbrot ist ein wichtiger Rezeptur-Bestandteil und für die Qualität ganz wichtig.“ Zweitens: viel Zeit. 20 Stunden lang bleibt bei Prünte Pumpernickel im Ofen, bei etwas über 100 Grad. „Das ist eher kochen als backen“, sagt Gill.
Bis zu 48 Stunden muss Pumpernickel ruhen und auskühlen, wenn er aus dem Ofen kommt. „Zunächst ist er weich wie Pudding“. Luftdicht verpackt und pasteurisiert wäre er „im Prinzip endlos haltbar. Aber irgendwann leidet natürlich der Geschmack“, sagt Gill. Egal ob frisch oder älter: Die Scheiben kleben. „Hier wissen wir das und nehmen ein Messer zum Trennen“, sagt Gill und sieht wie die Leser bestätigend nicken. „Aber in Bayern ist das schon Grund für Reklamationen. Da backen wir eine etwas andere Rezeptur.“
EU-Schutz als geographische Spezialität
Aus Münster und dem Stammhaus der Bäckerei zog es Wilhelm Prünte 1936 ins Revier. Das aufstrebende Gelsenkirchen sah er als vielversprechenden Marktplatz. An der Bismarckstraße hat er eine kleine Bäckerei eröffnet – und den Pumpernickel mit in die Stadt gebracht.
Dass Gelsenkirchen (gerade noch) zu Westfalen zählt, ist heute für Prünte ein Segen: Denn der EU-Schutz für Pumpernickel als geographische Spezialität (wie Champagner oder Parmaschinken) gilt eben nur für Westfalen.
1995 zog Prünte ins Gewerbegebiet An der Landwehr. Der Betrieb bot und bietet noch Kapazitätsreserven. Doch Wachstum um jeden Preis ist für Tomas Gill, der das Unternehmen mit seiner Frau Susanne führt, kein Thema. 50 Mitarbeiter hat der Mittelständler, davon sechs gelernte Bäcker. Im Schnitt kommt die Belegschaft auf über 15 Jahre Betriebszugehörigkeit. Gill: „Das ist ein Garant für Qualität. Zeitarbeiter einzusetzen, mag sich vielleicht kurzfristig rechnen, langfristig aber nicht.“