Mülheim. Hinterherpfeifen und übergriffige Kommentare: Sexuelle Belästigung ist ein alltägliches Problem. So kreativ wehrt sich eine Mülheimer Gruppe.

Jule greift zur gelben Kreide und schreibt damit in großen Buchstaben auf den Boden der Von-Bock-Straße in Mülheim. Eine Passantin bleibt mit ihrem Hund stehen, um den Text zu lesen: „Ein Junge (ca. 11) rief zu mir: Sexy Banane!“

Mit Kreide-Botschaften wie dieser will die 17-Jährige auf das sogenannte „Catcalling“ aufmerksam machen. Darunter versteht man verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum, wie zum Beispiel übergriffige Kommentare oder Hinterherpfeifen. Jule und Noa (18) setzen sich seit 2020 gegen Catcalling ein – weil sie es wie viele ihrer Freundinnen und Freunde bereits selbst erleben mussten.

Protest gegen Catcalling in Mülheim

Im ganzen Stadtgebiet schreiben die beiden regelmäßig die Erfahrungen auf, die Menschen in Mülheim gemacht haben – immer an dem Ort, an dem die Belästigung stattfand. Ankreiden nennen sie ihre Form des Protests. Auf ihrem Instagram-Account @catcallsofmuelheim teilen sie im Anschluss die Fotos der Zeichnungen.

Über das soziale Netzwerk erreichen sie auch die Nachrichten der Betroffenen. Jule und Noa betonen, dass Catcalling jeden treffen kann. Meist sind es allerdings Frauen oder Menschen aus der queeren Szene, also zum Beispiel transgeschlechtliche und nicht-binäre Personen, die sich an sie wenden.

Mülheimerinnen teilen Catcalling-Erfahrungen: „Na Kleine, willst du einsteigen?“

„Ich habe mein Baby gestillt und ein Mann kam und sagte: Ich habe auch Hunger!“, berichtete beispielsweise eine Mutter. „Ein Auto hielt mitten auf der Straße an und der Fahrer sagte: ,Na Kleine, willst du einsteigen?’“, schrieb eine andere.

Viele der an sie gesendeten Schilderungen würden jedoch weit über diese Art der Belästigung hinausgehen. Häufig berichten Menschen von körperlichen Übergriffen, wie etwa: „Er drückte mich gegen die Wand und sagte: Willst du mit mir aufs Klo gehen?“ oder „Er griff fest an meinem Hintern zu, seine Freunde applaudierten.“

Noa und Jule kreiden verbale Belästigung an – auf Instagram und auf Mülheims Straßen.
Noa und Jule kreiden verbale Belästigung an – auf Instagram und auf Mülheims Straßen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Mülheimer-Aktivistin: „Catcalling ist kein Kompliment“

Bei ihrer Form des Protests geht es Jule und Noa zum einen darum, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich über ihre Erfahrungen auszutauschen und ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind. „Wir wollen den Ort, an dem die Belästigung passiert ist, für sie zurückgewinnen“, sagt Jule. „Auch wenn sie in dem Moment selbst nichts gesagt haben, können sie so im Nachhinein etwas dagegen tun.“

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Zum anderen wollen die beiden dafür sensibilisieren, dass „Catcalling kein Kompliment“, sondern vielmehr eine „Objektifizierung und Sexualisierung“ ist. Auch eine Online-Petition fordert bereits, dass Catcalling in Deutschland unter Strafe gestellt wird.

Petition fordert Strafen für Catcalling

Nach jetziger Definition liegt nur bei körperlichem Kontakt eine Straftat vor. In anderen Ländern ist verbale Belästigung hingegen bereits illegal, zum Beispiel in Belgien und Portugal. Wer in Frankreich jemanden auf der Straße verbal belästigt, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 750 Euro rechnen.

Jule und Noa sei bewusst, dass die „Catcaller“ ihr Verhalten wahrscheinlich nicht einfach aufgrund der Kreide-Botschaften ändern. Aber: „Der Spruch ,Sexy Banane’ klingt im ersten Moment vielleicht harmlos“, sagt Noa. „Aber dass selbst ein kleiner Junge schon so etwas sagt, zeigt doch, wie tief wir das verinnerlicht und normalisiert haben. Das muss sich ändern.“