Velbert. Hinterherrufen, Hinterherpfeifen: Viele Frauen kennen diese Art der Belästigung. Strafbar ist das nicht. Eine Online-Petition läuft
Blicke, Pfeifen, Rufen: Belästigung findet - wie Straßenmusik - in jeder Fußgängerzone statt. Catcalling wird diese verbale Belästigung genannt und gehört zum Alltag vieler Menschen, vor allem von Frauen. Der Begriff stammt aus dem Englischen und kann mit „Katzen rufen“ wörtlich übersetzt werden. Da Katzen häufig mit Pfeifen oder Schmatz-Geräuschen gerufen werden, wird der Begriff zur Beschreibung von verbaler Belästigung verwendet, bei der die Täterinnen und Täter häufig ähnliche Geräusche machen. Aktivistinnen und Aktivisten setzten sich für die Strafbarkeit von Catcalling ein.
Es ist Donnerstagabend, 19 Uhr, und ich habe Feierabend. Durch die Innenstadt gehe ich zu meinem Auto, das in der Oberstadt steht. Um die Uhrzeit ist es schon dunkel und die Laternen in der Stadt verströmen nicht viel Licht. Ich gehe alleine. Doch fühle ich mich nicht so, denn fünf Augenpaare ruhen auf mir. Die Gruppe besteht nur aus Männern. Direkt hinter mir. Ich weiß, dass ihre Pfiffe und Rufe mir gelten, doch ich ignoriere das. Gehe weiter und denke „nicht umdrehen“.
Das Alltägliche sichtbar machen
Ähnliche Situationen kennen viele andere Menschen – ob Männer oder Frauen. So viele, dass eigens dafür ein Wort geschaffen wurde: „Catcalling“. Janet Dickmann, Aktivistin, die sich für die Strafbarkeit von Catcalling einsetzt, definiert das Wort so: „Es beschreibt übergriffiges Verhalten, ausgelöst durch Hinterherrufen oder Pfeifen. Viele Betroffene fühlen sich dabei unwohl.“
Sie betreibt mit Kim Ruhrmann und Lasse Klaus den Instagram-Kanal „catcallsofessen“. Inspiriert von einem ähnlichen Account aus New York, schreiben sie mit Kreide die Catcalling-Erfahrungen von Followern an den entsprechenden Orten aufs Pflaster der Straße. „Bei der Auswahl, welche Geschichte wir ankreiden, gibt es kein unteres Ende. Uns ist es wichtig alle Situationen, die für die Betroffenen als unangenehm empfunden wurden, ernst zu nehmen“, betont Kim Ruhrmann, die den Kanal ins Leben gerufen hat.
Strafbarkeit von Catcalling
Mit ihren Instagram-Aktionen wollen Kim, Janet und Lasse dafür sorgen, dass Catcalling strafrechtlich verfolgt wird. Dies sei jedoch schwierig, da das subjektive Empfinden der Geschädigten unterschiedlich sei. Bisher werden von den Behörden nur ausdrückliche Beleidigungen und Ehrverletzungen verfolgt. „Das Strafrecht ist das letzte Mittel, um Fehlverhalten zu sanktionieren. Meiner Ansicht nach müsste das Thema Catcalling präventiv zum Beispiel in Schulen angegangen werden“, betont Tim Salewski, Fachanwalt für Strafrecht.
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In Nachbarländern wie Frankreich wird Catcalling bereits mit einem Bußgeld von bis zu 1500 Euro geahndet. Die Umsetzung eines Catcalling-Gesetzes in Deutschland schätzen die Anwälte Salewski und Aline Brill als schwierig ein. „Aktuell reicht Catcalling nicht für eine Strafanzeige, deswegen wird es auch nicht von den Strafverfolgungsbehörden übernommen. Die geschädigte Person müsste die Belästigung zivilrechtlich selbst verfolgen, was ich in vielen Fällen als aussichtslos ansehen würde“, erläutert die Anwältin für Opferschutz Aline Brill.
Catcalling ist auch in Velbert ein Problem
Als ich ein paar Tage später einer Freundin, die auch in Velbert wohnt, von meiner Erfahrung erzähle, sagt sie, dass das Hinterherrufen in der Stadt normal sei. Ich fange an darauf zu achten, wie oft ich ähnliche Situationen vergessen habe, weil ich sie ignoriere. Ja, Catcalling gehört zu meinem Alltag, doch trotzdem fühlt es sich nicht normal an. Ich weiß nicht, wie ich in solchen Situationen reagieren soll. Konfrontiere ich die Täter, wird die Anmache als Kompliment relativiert.
Kim Ruhrmann rät potentiellen Täterinnen und Tätern sich vorher zu fragen, ob sie diese so genannten Komplimente auch ihrer Mutter oder Schwester hinterherrufen würden. „Mit der Frage können unangenehme Catcalling-Situationen von Seiten der Täterinnen und Täter verhindert werden“, betont die Aktivistin.
Geschädigten empfiehlt sie je nach Situation zu schauen, ob man die Belästigung ignoriert oder sich beschwert. „Das Wichtigste ist, dass Du sicher aus der Situation kommst“, bekräftigt Ruhrmann, denn Catcalling sei in manchen Fällen der Vorbote für schwere Delikte.
Petition zum Catcalling
Die Petition „Catcalling soll strafbar sein” setzt sich für die strafrechtliche Verfolgung von verbaler Belästigung ein. Auf der Seite openpetition.de wird eine Plattform geboten, um die damit zusammenhängende Debatte zu führen. Aktuell unterstützen ca. 66.000 Unterzeichner in Deutschland diese Petition.