Gelsenkirchen-Buer. Derzeit fallen große Touren und weite Reisen aus, wir bleiben Zuhause. Wo in Gelsenkirchen am besten „Heimaturlaub“ geht – hier sind die Tipps.
Heute geht es hoch hinauf, zum höchsten Punkt der Stadt. Der Parkplatz neben der Waldschenke an der Ressestraße ist der verabredete Treffpunkt mit dem Gelsenkirchener Heimatforscher Hubert Kurowski und seiner Frau Isabel. Sie kennen viele Winkel der Stadt, haben sich in vielen Jahren und besonders in der Pandemie spannende Ecken erwandert. Bei schönem Wetter und warmen 18 Grad geht es los.
Das sind Gelsenkirchens schönste Ecken für den „Heimaturlaub“
Die erste Station ist schnell erreicht: Das „deipe Gatt“, eine tiefe Schlucht, die auf Hochdeutsch „des Teufels Tor“ heißt. Wer oben an deren Rand steht und in die beachtliche Tiefe blickt, in der gleich zu den Füßen eine Quelle entspringt, der staunt, wie schön der Vorhof zur Hölle sein kann.
„An diesem sagenumwobenen Ort entspringen gleich mehrere Quellen“, weiß Hubert Kurowski. „Das Wasser speist sich aus tiefen Verwerfungen und ist solehaltig. Deswegen haben sich die Menschen das früher in die Augen geträufelt.“ Das Wasser habe die Landschaft geprägt, mit den Jahrhunderten die Schluchten geformt. Weil jene für die Menschen im Mittelalter Angsträume sind, entstehen Sagen rund um diesen Ort. Eine etwa, erzählt der Erler, handele von einem magischen Wildross, einem vierbeinigen geflügelten Lebensretter.
Gelbe Rapsblüten erstrahlen im Schein der Sonne, dahinter alte Bauernhöfe
Entlang der Ressestraße geht es ostwärts. Gleich hinter dem Wald öffnet sich eine weite Feldlandschaft. Das erste ist eine Augenweide: Gelbe Rapsblüten erstrahlen im Schein der Sonne. „Dahinter liegen die alten Bauernhöfe. Die stehen hier seit Hunderten von Jahren. Das war das alte Siedlungsgebiet von Resse.“ Einstmals habe der fruchtbare Lößboden die Menschen zum Siedeln eingeladen.
Ein paar Meter weiter eröffnen erste Durchblicke zwischen den Höfen beeindruckende Weitblicke gen Süden. Das werde gleich noch besser, verspricht Kurowski, und weist den Weg nach links. Jetzt beginnt die Tour zum höchsten Punkt der Stadt. Es geht auf die Kuppe des Goldbergs, einen Feldweg entlang.
Links bearbeitet ein Landwirt seinen Acker mit der Egge. Rechts grünt üppig das Gras. Im Rücken, so fühlt es sich an, lässt man das urbane Treiben hinter sich. Mit jedem Schritt wird es stiller. Der gewohnte Mix aus Geräuschen verschwindet, er teilt sich auf. Das Zwitschern eines Vogels trennt sich akustisch vom Summen einer dicken Hummel und dem sanften Brummen eines Sportflugzeugs am blauen Himmel.
Im Osten der Förderturm der Zeche Ewald, im Süden die Halde Hoppenbruch
Die Kuppe ist erreicht. Ohne große Anstrengung. Inmitten der Felder steht man auf einem Aussichtspunkt, der beeindruckt. Im Osten sieht man den Förderturm der Zeche Ewald, daneben das Hertener Krankenhaus, den Kirchturm der Resser Pauluskirche. Dreht man sich weiter gen Süden folgen die Halde Hoppenbruch, der Förderturm der Zeche Pluto in Wanne. Ganz weit hinten am Horizont erkennt man, obwohl es etwas diesig ist, Berge. „Das sind die Ruhrberge“, erklärt Hubert Kurowski. An guten Tagen könne man bis nach Langenberg schauen. Heute aber geht das nicht.
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Dafür gibt es jetzt eine kleine Lehrstunde: „Der Goldberg ist Teil eines Höhenzuges, des Vestischen Höhenrückens. Hier oben ist die Wasserscheide. Von hier aus südlich gehen alle Flüsse in die Emscher, nördlich münden alle in die Lippe.“ Einzige Ausnahme: „Am Schloss Herten entspringt der Holzbach. Die Quelle war einmal hier oben auf dem Goldberg. Im Zuge einer rückschreitenden Erosion hat sich das verlagert. Trotzdem geht der noch in die Emscher.“
Stadt reiht sich an Stadt, Ortschaft an Ortschaft, ungezählte Schlote
Zeit für ein historisches Dokument: Genau hier steht vor einhundert Jahren ein unbekannter Chronist und genießt den Ausblick. Seine Empfindungen schreibt er auf – voller Pathos, voller Industrieromantik. „Eine solche Fernsicht wird in dem Bezirk nirgends geboten. Wie ein langes Band, das hier und da mit grünen Ackerbreiten und Wäldern durchwirkt ist, sieht das Bild aus. Stadt reiht sich an Stadt, Ortschaft an Ortschaft, über fünfzig Kirchtürme und ungezählte Schlote überragen das Häusermeer.“
Links ab geht es wieder gen Wald. Rechter Hand liegt das Neubaugebiet des „Buerschen Waldbogens“. Er mache, so Kurowski, den Blick etwas kaputt. Der Naturfreund hofft, das Gebiet werde nicht noch erweitert – der besonderen Kulisse wegen. Vorbei am Modellflugplatz und einer charmanten kleinen Ecke, wo drei hölzerne Bänke unter Bäumen zum Verweilen einladen, erreicht man ein Relikt der Ruhrbergbaus: Hinter Bäumen kann man die Überbleibsel des Luftschachts Hugo Ost erahnen. Und dann wird es richtig urig.
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Alte Bäume wirken verwunschen. Ein kleiner Trampelpfad schlängelt sich durch die Wildnis. Doch damit ist es bald vorbei. Rechts sieht man nun eine Schonung der Stadt. „Hier wächst der Nachschub für das städtische Grün.“ Bald erreicht man eine asphaltierte Straße. Auf der geht es rechts zurück zum Parkplatz. Linker Hand lüftet ein Kartoffelacker das letzte Geheimnis: „Schauen Sie jetzt mal den Hang hoch.“ Da leuchtet der Acker gülden im Licht der Sonne. „Das ist der sandreiche Boden. Deswegen heißt das Gebiet Goldberg.“