Resser Mark. Urwüchsige Natur, mannshohe Farne, Polderwiesen, das alles bietet die Resser Mark im Osten Gelsenkirchens. Wo die Stadt plötzlich weit weg ist.

„Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte“, so schreibt es Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Und nach nur ein paar Metern des Weges wird deutlich, das gilt auch heute und hier, bei der Wanderung durch die „Mark Resse“.

Das ehemalige Sumpfgebiet ist schon vor Jahrhunderten trocken gelegt worden. Gräben ziehen sich noch heute durch die Mark.
Das ehemalige Sumpfgebiet ist schon vor Jahrhunderten trocken gelegt worden. Gräben ziehen sich noch heute durch die Mark. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Vom Marktplatz aus geht es gen Süden. Rechter Hand steht die Kirche St. Ida. „Die nannte man früher: Kirche im Walde“, sagt Heimatforscher Hubert Kurowski. Einer Erklärung bedarf das nicht. Idyllisch liegt das Gotteshaus nahezu verträumt im Grünen. Gebaut worden sei es nach dem Krieg, weil eine wachsende Zahl an Bergarbeitern mehr Gotteshäuser erforderten. Jene Zeiten sind lange vorbei.

Weit weg vom Treiben der Stadt

Hinter der Grundschule geht es nach Osten ins Grüne. Man passiert ein Schild mit der Aufschrift „Landschaftsschutzgebiet“ und ist gefühlte Meilen entfernt vom urbanen Treiben. Urwüchsig ist die Natur. Hier sei, erklärt Kurowski, einst ein Sumpfgebiet gewesen. Das sei zur wirtschaftlichen Nutzung der Resser Mark schon vor Jahrhunderten trockengelegt worden. Auf dem ganzen Weg werden Gräben zur Wasserableitung, die das Gebiet durchziehen, davon zeugen.

Mannshohe Farne säumen den Weg. Ein alter Baumstumpf ragt heraus, abgebrochen und verwittert durch Naturgewalten. Buchen, Eichen und Robinien wachsen mit hohen Kronen dem Himmel entgegen. Hier und da liegen umgestürzte Bäume wie Brücken über den ausgedorrten Wassergräben. Sonnenstrahlen durchdringen den Wald. Natur darf hier sein, spürt man. Der Mensch greift nicht ein, sondern genießt.

Ob Spaziergänger mit oder ohne Hund oder Radfahrer, sie alle zieht es ins Grün. Manch einer hinterlässt gar kuriose Spuren: „Demokratie ist die Diktatur der Dummköpfe“, so hat es einer auf eine Bank geschrieben und damit, wenn auch nicht wortgetreu, Schiller zitiert.

Ein Paradies, ungezähmt schön

Hautnah lassen sich die Jahreszeiten an diesem Wohlfühlort erleben.
Hautnah lassen sich die Jahreszeiten an diesem Wohlfühlort erleben. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Apropos Literatur: Isabel Kurowski hat einen Text aufgetan, in welchem vor genau einhundert Jahren ein unbekannter Autor auch durch die Resser Mark wandert und seine Eindrücke niederschreibt. Er sieht die schönen Seiten – und die Folgen der Industrialisierung. „Die Rauchschwaden der Großindustrie bedecken Zweige und Blätter mit ihrem säurehaltigen Ruß. Kiefern und Fichten, die vormals hier hohe Bäume bildeten, verkrüppeln zu niedrigem Gestrüpp.“ Legt man diese Beobachtungen zugrunde, ist der Eindruck heute paradiesisch. Ungezähmt schön, so kann man sagen.


„Das ist für mich einer der Wohlfühlorte in Gelsenkirchen“, sagt Hubert Kurowski. „Da vergisst man die Stadt, die Region. Man ist mitten in der Natur. Hier kann man die Jahreszeiten hautnah erleben.“ Derweil führt der Weg an einer eingezäunten Wiese vorbei. Ein Schild weist sie als „Polderanlage“ aus. Tatsächlich sieht man sogleich, das Grüne ist ein Feuchtgebiet: An seinem Rand wächst Schilf und stehen Rohrkolben.

Glück Auf, und das Tor öffnet sich

Da fällt dem historisch bewanderten Ehepaar die Sage vom Emscherneck ein: „Der suchte eine Frau“, erzählt Isabel Kurowski. Um eine Nixe anzulocken, baut er in seinem Tümpel ein verzaubertes Tor auf: Wer einmal hindurch geht, kann nur mittels eines Zauberwortes entkommen. Unter Wasser hört die junge Nixe zufällig Menschen sprechen. Es sind die Kumpel, tief unter ihrem Tümpel. Sie hört deren Ausruf: „Glück Auf“. Das probiert sie aus vor dem goldenen Tor. „Es öffnet sich und sie ist frei.“

Es geht zurück in Richtung Marktplatz und durch einen dichten Wald. Kinder haben hier an einer Stelle begonnen, sich eine Laubhütte zu bauen. „Früher gab es Familien, die haben hier eine Nach gezeltet – als Mutprobe“, erzählt Hubert Kurowski und verrät sogleich: „Eine Nacht im Emscherbruch. Ich hätte da ein mulmiges Gefühl.“ Verboten sei das natürlich ohnehin.

Nach rund zwei Stunden endet der kleine Rundgang. Noch viel mehr hätte man sehen können, wäre man weiter gelaufen, sagen die Kurowskis. Beim nächsten Mal. Und dann wieder einen Rat Fontanes befolgend: Der empfiehlt, wer die „Mark“ bereisen will, solle zumindest unvoreingenommen sein. „Er muss den guten Willen haben das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittlige Vergleiche tot zu machen.“