Gelsenkirchen. Nach Zustellungsproblemen fordert die AfD-Fraktion Gelsenkirchen die Absetzung von Postcon als Briefdienstleister. Warum das nicht so einfach ist
Trotz wiederholter Zustellungsprobleme, sowohl bei Briefwahlunterlagen als auch bei Schulzeugnissen, kann die Stadt Gelsenkirchen dem Postdienstleister Postcon erst einmal nicht kündigen. Das teilte Pressesprecher Martin Schulmann auf Nachfrage mit.
Die AfD-Fraktion hat zuletzt gefordert, sich von Postcon zu trennen, „bevor das Vertrauen der Bürger in die Stadtverwaltung endgültig nachhaltigen Schaden nimmt“. Die Stadtverwaltung müsse „dringend die Reißleine ziehen“, sagte Fraktionschef Jan Preuß. Der Vertrag mit Postcon läuft nach Angaben der Stadt allerdings noch fast vier Jahre. „Da sind wir erst einmal dran gebunden“, sagte Schulmann.
Ex-OB Baranowski warf Postcon „Vertragsbruch“ vor
Wegen Zustellungsproblemen bei den Briefwahlunterlagen sprach Ex-Oberbürgermeister Frank Baranowski vor der Kommunalwahl im September 2020 noch von einem „skandalösen“ Vorgang und einem „glatten Vertragsbruch“, den Postcon begangen haben soll. Zuletzt ärgerten sich zahlreiche Gelsenkirchener Schülerinnen und Schüler über verspätet zugesendete, verdreckte oder zerknüllte Zeugnisse.
Die Verfehlungen sind aber offenbar nicht groß genug, um den Vertrag mit Postcon vorzeitig zu kündigen. „Die bisherigen Fehlleistungen reichen nicht aus, um eine außerordentliche Kündigung vorzunehmen“, so Schulmann. Es werde aber nach jedem Fehler erneut geprüft, welche Optionen die Stadt hat.
AfD: Postcon nicht nur in Gelsenkirchen unzuverlässig
Postcon selbst weist die Vorwürfe stets von sich. Im Falle der Zeugnisse räumte man zwar Versäumnisse ein, betonte aber auch, Schreiben der Stadt Gelsenkirchen normalerweise stets reibungslos auszuliefern. Im Falle der Briefwahlunterlagen schob Postcon die Schuld auf die Deutsche Post AG als zustellendes Subunternehmen in den von Lieferproblemen betroffenen Gelsenkirchener Gebieten.
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Postcon beschäftigt als Dienstleister speziell für Geschäftspost bundesweit rund 3500 Mitarbeiter, über Beteiligungen rund 1800 weitere Mitarbeiter. Postcon gilt damit als größter Rivale zum deutschen Marktführer Deutsche Post. Das Unternehmen gehörte bis 2019 zum niederländischen Konzern PostNL, der aus der früheren TNT hervorgegangen ist. Im November 2019 kaufte der Finanzinvestor Quantum Capital Partners das Unternehmen.
Die Gelsenkirchener AfD hingegen behauptet, dass die Verfehlungen von Postcon nicht nur in Gelsenkirchen zu sehen sein. Das Unternehmen habe sich bundesweit als unzuverlässig erwiesen, weshalb die Stadt schleunigst einen Weg finden sollte, Postcon abzusetzen. Denn was für den privaten Briefempfänger oft nur ein vermeidbares Ärgernis darstelle, berge bei geschäftlichem oder behördlichem Schriftverkehr ein erhebliches Sicherheitsrisiko, mahnt Fraktionschef Jan Preuß.
Postcon wird auch bei der Bundestagswahl Briefwahlunterlagen zusenden
In der Tat gab es auch in Gelsenkirchens Nachbarstadt Essen immer mal wieder Probleme mit Postcon. Die dortige Stadtverwaltung hatte nach vielen Jahren der Zusammenarbeit ihre Aufträge Anfang Januar 2020 an ein Tochterunternehmen der Deutschen Post vergeben. Postcon wehrte sich gerichtlich und ohne Erfolg gegen die Auftragsvergabe. Das Unternehmen argumentierte, dass man deutlich unter dem Preis der Deutschen Post liege - meist ein entscheidendes Kriterien bei öffentlichen Ausschreibungen.
Bei der Suche nach einem neuen Dienstleister müsse dem Faktor Zuverlässigkeit ein höherer Stellenwert eingeräumt werden und nicht am falschen Ende gespart werden, betont AfD-Fraktionschef Jan Preuß nun. „Sparen um jeden Preis ist uns zu teuer!“
Natürlich sei auch die Zuverlässigkeit bei den Ausschreibungen ein wichtiger Faktor, betont man bei der Stadt. Allerdings zeige sich Postcon insgesamt auch zuverlässiger als manches zerknülltes Zeugnis vermuten ließe. Deshalb sei es absehbar, dass das Unternehmen auch für die Zusendung der Briefwahlunterlagen bei der diesjährigen Bundestagswahl im September 2021 verantwortlich sein wird.