Gelsenkirchen. Apotheken sollen sich an Masken „dumm und dämlich“ verdient haben. Gelsenkirchens Apotheker betonen: Bei den Schnelltests sieht es anders aus.

Schnelltests in Containern, Zelten, leerstehenden Geschäften: Die Apotheken in Gelsenkirchen versuchen gerade auf verschiedenste Weise die kostenlose Testung ihrer Kunden zu organisieren. Währenddessen sehen sie sich mit der Kritik konfrontiert, sich an den Erstattungsgeldern für kostenlos herausgegebene FFP2-Masken „dumm und dämlich“ verdient zu haben, wie jüngst NDR, WDR und SZ einen Vertreter aus der Branche zitierten.

Die hiesigen Apotheken aber verteidigen sich gegen die Darstellung, ihnen sei ein unnötiger Geldregen beschert worden und betonen: Die jüngst gestarteten Schnelltests in den Apotheken haben kaum wirtschaftliche Vorteile.

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Zwölf Apotheken bieten nach Angaben der Stadt jetzt Schnelltests in Gelsenkirchen an. An der Alten Apotheke an der Bahnhofstraße etwa geht das nur, weil man jenen derzeit leerstehenden, nebenanliegenden Raum nutzen kann, aus denen im Dezember ein Juwelier ausgezogen ist. „Sonst könnten wir die Kundenströme nicht trennen“, sagt Mitinhaber Jamal Aoulad-Ali. Noch teste man weniger als 20 Personen täglich, erzählt er. „Aber man merkt, dass es täglich mehr werden.“ Eingerichtet habe man sich auf zirka 30 Tests pro Tag, um die sich ein Mitarbeiter kümmern soll.

Apotheken erhalten pro durchgeführten Test rund 21 Euro

Nicht ganz glücklich darüber, dass sie auf der städtischen Liste der Schnelltest-Anbieter bereits auftaucht, ist Susanne Domberg-Koch, Inhaberin der Fortuna-Apotheke in Hassel. „Die Stadt hat uns ein bisschen überrannt“, sagt sie. Eigentlich habe sie erst in der zweiten Aprilwoche mit den Tests loslegen wollen – spätestens dann wäre ihr bestelltes Spezial-Zelt mit Schutzwand angekommen. Nun versucht es das Fortuna-Team erst einmal ohne Zelt – mit FFP2-Maske und Kittel „aus der Hintertür heraus“. „Optimal finde ich das nicht, deshalb testen wir aktuell nur diejenigen, die den Test dringend benötigen, nicht die Neugierigen.“ Aber Achtung: Wer Symptome hat, soll direkt zum Arzt und nicht zur Apotheke.

Für die Testungen braucht Domberg-Koch zusätzliches geschultes Personal. Dazu das teure Zelt. Rechnet sich das? Apotheken, die damit beauftragt sind, kostenlose Bürgertests durchzuführen, bekommen nach Angaben des Apothekerverbands Westfalen-Lippe bis zum 31. März neun Euro je Test, ab April dann sechs Euro je Test. Für die Durchführung der Schnelltests ist zudem ein Honorar von 12 Euro vorgesehen. „Das ist knapp bemessen“, meint der Verband. Für Investitionskosten wie Zelte und laufende Kosten wie Schutzausrüstung gibt es zudem eine monatliche Pauschale vom Land.

Erstattungspreis für Kostenlos-Masken: „War ein gutes Geschäft“

„Wenn Sie gut einkaufen, erhalten Sie zwischen vier und fünf Euro je zertifizierten Test“, sagt Christian Schreiner, Chef bei der Buerschen Falken-Apotheke und Sprecher der Apotheken in Gelsenkirchen. An den Schnelltests verdienen die Apotheken also weniger als an den kostenlosen bzw. kostenreduzierten FFP2-Masken, die chronisch Kranke, Menschen über 60 Jahren und ALG-II-Empfänger in den vergangenen Wochen – erst ohne, dann mit Coupons – erhalten konnten. „Das war durchaus ein gutes Geschäft“, sagt Christian Schreiner über den anfänglichen Erstattungspreis von sechs Euro pro Maske (inzwischen bekommen die Apotheken 3,90 Euro pro Stück).

Offenbar war das Masken-Geschäft für manche Apotheken sogar zu gut – sodass manche freiwillig auf den Eigenanteil der Kunden von zwei Euro verzichtet haben, die Zusatzeinnahmen gespendet haben oder, wie eine Apotheke aus Herne, gleich zwölf statt nur sechs Gratis-Masken herausgegeben haben. „Solche Aktionen kann ich nicht nachvollziehen“, sagt Aoulad-Ali von der alten Apotheke. „Es ging bei den Gratis-Masken nicht darum, Kunden anzulocken, sondern Kunden zu versorgen.“ Auch Kollegin Domberg-Koch findet scharfe Worte für die Sonderangebote mancher Kollegen: „Wer sich wie ein Marktschreier in den Vordergrund stellt, hat diesen Beruf verfehlt“.

Apotheken-Sprecher: Auch wir haben massive Einbußen

Viel Steuergeld für Masken

Die nun in Kritik geratenen Erstattungsgelder für die kostenlos herausgegebenen FFP2-Masken sind vom Bundesgesundheitsministerium kalkuliert worden. „Wir Apotheker waren nicht involviert bei der Preisfindung und haben keine Forderungen gestellt“, behauptet Gelsenkirchens Apotheken-Sprecher Christian Schreiner.Nach Berechnungen von WDR, NDR und SZ kostete allein die Verteilung der Gratis-Masken über Coupons im Januar und Februar mehr als zwei Milliarden Euro Steuergeld. In der ersten Phase der Verteilung, als Kunden die Masken ohne Coupon erhielten, soll jede Apotheke zudem pauschal im Schnitt mehr als 25.000 Euro erhalten haben.

Der Apothekerverband macht zudem darauf aufmerksam, dass der Aufwand bei der Masken-Aktion gerade im Dezember enorm gewesen sei: „Quasi über Nacht mussten die Apotheken bundesweit die Versorgung von rund dreißig Millionen Risikopatienten bewerkstelligen und verlässliche Vertriebswege organisieren“. Zudem seien viele Apotheker bei der Bestellung der Apotheken in Vorkasse getreten und hätten zusätzliches Personal mobilisieren müssen.

Gelsenkirchens Apotheken-Sprecher Christian Schreiner findet zudem: Durch die Maskengelder hätten die Apotheken endlich eine notwendige Verschnaufpause einlegen können. „Viele können es sich nicht vorstellen, aber auch die Apotheken haben derzeit massive Einbußen und haben teils Kurzarbeit angemeldet.“ Denn weil laut Schreiner viele Leute Arztbesuche seit einem Jahr verstärkt meiden und allmögliche Krankheiten durch die überall geltenden Infektionsschutzmaßnahmen aufgehalten werden, erreichen auch die Apotheken viel weniger Rezepte. „So gesehen war das Masken-Geschäft ein kleiner Ausgleich, eine Erleichterung in diesen Zeiten.“