Oberhausen. Rücken bis Kopf: Chronische Schmerzen sind häufig - gerade in Städten wie Oberhausen. Auf dieses Therapiekonzept setzt das Helios-Schmerzzentrum.
Aufgrund vieler Faktoren – von schwierigen Arbeitsbedingungen bis schlechterer Gesundheitsvorsorge – sind Menschen mit Migrationshintergrund und Anwohner strukturschwacher Quartiere von der Corona-Pandemie besonders betroffen. Aber es ist nicht nur das Virus selbst. Dr. Ute Mückshoff, leitende Ärztin des Zentrums für Schmerztherapie an der Helios St. Elisabeth Klinik Oberhausen, warnt anlässlich des bundesweiten „Aktionstag gegen den Schmerz“ vor dem Zusammenhang zwischen chronischen Schmerzen und sozialen Faktoren. „Schmerzen spielen hier in Oberhausen aufgrund der Gesellschaftsstruktur aus meiner Sicht eine größere Rolle als etwa im Bergischen Land“, sagt sie. Viele Geringverdiener und Zuwanderer seien unter ihren Patienten.
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Die Schmerzen, die Mückshoff behandelt, sind sehr unterschiedlich - von Kopf- bis Rücken-, Nerven- oder Bauchschmerzen. Die Diagnose lautet häufig: chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Der Schmerz kann also aus psychischer Belastung resultieren – und die Betroffenen in einen Teufelskreis bringen. Denn aus Schmerz, der durch Existenzängste und prekären Lebensbedingungen begünstigt wird, folge nicht selten weiterer sozialer Abstieg, „Menschen, die nicht mehr arbeiten können, verlieren oft schnell ihren Job.“ Mückshoff hält deswegen vor allem eines für bedeutsam: „Man muss den Schmerz selbst in die Hand nehmen, die Selbstwirksamkeit ist das Zauberwort unseres Konzepts.“
Helios-Schmerzzentrum in Oberhausen setzt auch auf Naturheilkunde
Die Behandlungsmöglichkeiten der Schmerztherapie sind dabei so vielfältig wie der Schmerz selbst – von der medikamentösen bis zur physikalischen Therapie, die mit Wärme oder elektrischen Reizen arbeitet, von der Nervenstimulation bis zur Akupunktur, von der Aroma-Therapie bis zu Naturkunde-Verfahren wie dem Einsatz von Blutegeln. „Man muss nicht nur auf Schulmedizin setzen,“ sagt Oberärztin Violetta Seelbinder. Ob Lavendelauflagen, Schlaftee oder Öl von der japanischen Minze: „Es können ganz einfache Hilfsmittel sein, die unseren Patienten das Gefühl geben: Ich bin dem Schmerz nicht ausgeliefert und kann ihn selbst beeinflussen.“ [Lesen Sie auch:Neue App führt Oberhausener Senioren direkt zum Hilfsangebot]
Nur welche Behandlung passt zu wem? „Das Schmerzempfinden ist sehr individuell“, betont Seelbinder. Während manch einer durch seine Schmerzen in die Passivität gezwungen werde, sei manch einer trotz starker Schmerzen noch sehr aktiv. Entsprechend unterschiedlich sei auch die Empfänglichkeit für bestimmte Therapien. „Manchmal muss man zwei, drei Wege ausprobieren, bis man die optimale Therapie findet“, sagt Seelbinder. „Wichtig ist aber, dass der Patient immer genug Mitspracherecht hat, er muss hinter der Therapie stehen. Wir zeigen die Möglichkeiten auf.“
„Patienten haben meist einen langen Leidensweg hinter sich“
Um den besten Weg zu finden, setzt das Team des Schmerzzentrums anfangs auf eine halbstündige Abklärungssprechstunde, die alle Lebensbereiche beleuchtet. „Wir brauchen ein umfassendes Bild“, sagt Mückshoff. Die Gefahr, dass einem Patienten dann ein Naturheilverfahren empfohlen wird, obwohl vielleicht doch eine Operation seine Beschwerden am ehesten lindern würde, sieht die Expertin nicht. „Die Patienten haben ja meist schon einen sehr langen Leidensweg hinter sich, bis sie zu uns kommen.“ Von vielen niedergelassenen Ärzten hätten sie schon den Satz „wir können nichts mehr für Sie tun“ gehört. „Das finde ich furchtbar“, sagt Oberärztin Seelbinder. „Man kann bei jedem Patienten versuchen, zu helfen, die Schmerzen vielleicht nicht ganz verschwinden zu lassen, aber sicher zu reduzieren.“ [Lesen Sie auch: Wirbelsäulen-Probleme: Was jetzt in Oberhausen möglich ist]
Fragt man die Ärztinnen nach ihren Erfolgserlebnissen, kommt ihnen ein Paar in den Sinn, das jetzt nach Borkum gezogen ist. Die einstigen Langzeitarbeitslosen, die mit starken Rückenschmerzen zu kämpfen hatten, leben dort jetzt ein glückliches Leben und betreuen Ferienwohnungen. „Ganz schmerzfrei sind auch sie nicht“, sagt Mückshoff. Aber mit Physiotherapie, Sport und einer implantierten Rückenmark-Stimulationssonde habe man die Schmerzen so verringert bekommen, dass die Patienten neue Lebensenergie gewinnen konnten. „Man sollte sich von den Schmerzen nicht unterkriegen lassen.“