Gelsenkirchen-Buer. Warum die Eltern der Spielstube in Gelsenkirchen-Buer bleiben wollen. Und wieso der Vermieter GGW beim Träger Unehrlichkeit sieht.

Ein enger Flur für die Garderobe, leicht unebene Wände, abgenutzter Parkettboden und Holzfenster: Moderne Kinder-Tageseinrichtungen sehen anders aus. Und genau deshalb wollen die Eltern das Gebäude ihrer privat betriebenen Spielstube an der Romanusstraße auch nicht aufgeben, die nach dem Willen des Vermieters – Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft (GGW) – in einen Neubau am Buerschen Waldbogen umziehen soll – aus Profit-Gier, so der Vorwurf.

Die Position der Eltern, sie ist klar: „Wir alle lehnen eine Verlagerung des Standorts ab und wollen unsere Villa Kunterbunt behalten“, betonte Elternrats-Mitglied Katharina Ben Nasr (38). Eine nagelneue, „geleckte“ Immobilie, nein, die können sie sich nicht vorstellen für ihre 44 Mädchen und Jungen ab einem Jahr.

Eltern: Neues Gebäude für Gelsenkirchener Spielstube liegt zu weit entfernt

Halten es für „absurd“, dass die GGW „aus Profit-Gründen“ ihre Kita Spielstube in Gelsenkirchen-Buer abreißen will, um das Filet-Grundstück neu zu bebauen: Katharina Ben Nasr mit Sonja, Carina Würfel mit Ruth und Nina Daweke mit Maila (v.l.), die eine Standortverlagerung ihrer Einrichtung vehement ablehnen.
Halten es für „absurd“, dass die GGW „aus Profit-Gründen“ ihre Kita Spielstube in Gelsenkirchen-Buer abreißen will, um das Filet-Grundstück neu zu bebauen: Katharina Ben Nasr mit Sonja, Carina Würfel mit Ruth und Nina Daweke mit Maila (v.l.), die eine Standortverlagerung ihrer Einrichtung vehement ablehnen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

„Die meisten von uns haben sich für die Spielstube entschieden, gerade weil das Gebäude so einen tollen alten Charme hat“, bekräftigte Nina Daweke (39) als Mutter von zwei Mädchen (4 und 2) ihre einstige „Bauchentscheidung“ – die natürlich auch inhaltliche Gründe in Bezug auf das pädagogische Konzept habe. [Zum Thema: Kita-Plätze in Gelsenkirchen: So steht es um den Ausbau]

Überdies: „Die Kita liegt für viele unserer Familien fußläufig, etwa 80 Prozent kommen aus den Postleitzahlen-Bereichen 45894 und 45896. Auch für ÖPNV-Nutzer ist sie wegen ihrer zentralen Lage sehr gut erreichbar. Das kann man vom Waldbogen nicht behaupten.“

Familien: Längere Anfahrtswege nach Gelsenkirchen-Resse widersprechen Umweltschutz

Auf zwei Etagen spielen und lernen 44 Kinder ab einem Jahr in der privaten Kita Spielstube. Untergebracht sind sie in einem Gebäude aus den 1950ern mit Holzfenstern. Leonie, Emilia und Lea (v.l.) lieben es.
Auf zwei Etagen spielen und lernen 44 Kinder ab einem Jahr in der privaten Kita Spielstube. Untergebracht sind sie in einem Gebäude aus den 1950ern mit Holzfenstern. Leonie, Emilia und Lea (v.l.) lieben es. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Für viele Eltern sei der dann längere Weg eine Zumutung, zeitlich wie finanziell, wenn zusätzliche Fahrten mit dem Auto anfielen bzw. ÖPNV-Tickets gekauft werden müssten für eine Verbindung, die nur alle halbe Stunde gegeben sei. Dies widerspreche auch dem Umweltschutzgedanken, zumal in Zeiten der Energiekrise.

„Nicht zuletzt ist es ein Unding, aus Profit-Gründen eine funktionierende Kita zu schließen und damit den Wegfall von 44 Plätzen in Buer in Kauf zu nehmen, um in Resse eine Einrichtung zu schaffen, die mittelfristig gar nicht gebraucht wird“, spielte Ben Nasr auf die Verwaltungsvorlage an, die die Bezirksvertretungen Ost und Nord wegen größeren Beratungsbedarfs von der Tagesordnung der Sitzungen Mitte Mai genommen hatten. Wie berichtet, will die GGW das Grundstück neu bebauen.

Gelsenkirchener Elterninitiative: Das Haus ist alt, aber gepflegt

Von einem „maroden Zustand“ des Gebäudes könne überhaupt keine Rede sein. „Hier ist nirgendwo Schimmel zu finden oder Gefahr im Verzug. Das Haus ist alt, aber gepflegt. Die Sicherheit der Kinder liegt uns allen am Herzen“, wehrte sich das Elternrats-Mitglied gegen „fadenscheinige Argumente der GGW.“

Diese betonte, das Wort „marode“ nicht verwendet zu haben. GGW-Chef Harald Förster hatte im Gespräch mit der Redaktion von der Notwendigkeit einer Sanierung gesprochen. Weil diese jedoch wirtschaftlich nicht rentabel sei, solle das Gebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden.

GGW: Entscheidung für Entwicklung des Grundstücks ist gefallen

Wie GGW-Prokurist Stefan Eismann jetzt auf Nachfrage konkretisierte, entspreche der energetische Zustand der Immobilie aus den 1950er Jahren nicht mehr heutigem Standard, auch die Stromverkabelung sei alt. „Der Grundriss erfüllt ebenfalls nicht mehr heutige Ansprüche an eine Kita.“

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Hauptproblem an der Romanusstraße ist aber offenbar weniger der Gebäudezustand als das Potenzial des Grundstücks in Filet-Lage von Buer: „Es handelt sich um ein kleines altes Haus auf einem großen Grundstück, das man anders verwerten könnte.“ Deshalb habe die GGW entschieden, das Gelände neu zu entwickeln; wie genau, müsse noch entschieden werden.

Unternehmen wirft Trägerverein Unehrlichkeit in der Öffentlichkeit vor

Dass der Trägerverein der Spielstube öffentlich über Druck durch die GGW geklagt hatte, habe das Unternehmen sehr irritiert. „Der Vorstand hat uns im Gespräch gesagt, er könne sich einen Umzug vorstellen. Und ich habe es schriftlich, dass er sich mit unseren Fachplanern über den Grundriss ausgetauscht hat.“

Magnus Rasche vom Vorstand des Vereins will das so nicht stehen lassen: „Wir haben deutlich gemacht, dass wir an der Romanusstraße bleiben wollen. Über die Grundrisse haben wir nur für den Notfall gesprochen, dass wir im Falle einer Kündigung keine andere Immobilie finden. Schließlich tragen wir Verantwortung für Kinder, Familien und acht Mitarbeiterinnen.“

Welches Gebäude die GGW im Waldquartier plant

Die GGW hat der privaten Kita Spielstube angeboten, ins Erdgeschoss eines Neubaus zu ziehen, der ab Herbst am Buerschen Waldbogen entstehen soll. Dort ist ein dreigeschossiges Gebäude mit Staffelgeschoss geplant, das mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet werden soll.Während im Erdgeschoss die dann dreigruppige Kita sowie ein Gewerbe eine neue Heimat finden sollen, sind in den oberen Etagen insgesamt 22 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von etwa 1930 Quadratmeter vorgesehen. Alle Wohnungen verfügen über einen Balkon oder eine Terrasse.

Wie es jetzt weitergeht? „Wir arbeiten intensiv an einer Lösung. Wir werden der Spielstube nicht einfach so kündigen“, so Eismann. Dabei spiele auch die Überlegung eine Rolle, der Kita nach der Fertigstellung des Neubaus an der Romanusstraße die Rückkehr nach Buer anzubieten – eine Idee, die die CDU eingebracht hatte. „Ob das planungsrechtlich möglich ist, muss man sehen.“ Für den Verein sei das eine echte Chance: „Er könnte auch zwei Standorte haben: den neuen in Resse und den alten in Buer.“