Gelsenkirchen. Gelsenkirchens Gastronomen mussten ihre Preise bereits anheben. Doch neue gesetzliche Pflichten könnten es für sie noch schwieriger machen.

Die meisten Gastronomiebetriebe erholen sich gerade von den Tiefschlägen der Pandemie und dazu steigen die Preise für Lebensmittel momentan rapide an. Doch ein neues Gesetz könnte es für die Gelsenkirchener Betriebe noch schwieriger machen: Ab Januar 2023 müssen Lieferdienste, Restaurants und Caterer mindestens eine Mehrweg-Alternative zum Plastik anbieten.

Mit Mehrwegsystemen habe sie schon experimentiert, sagt Michaela Stammwitz, Inhaberin des Imbisses „Zum Bremsklotz“ in Beckhausen. Doch gute Erfahrungen habe sie dabei nicht gemacht. „Für Eintöpfe habe ich versucht, Mehrwegeimer mit Pfand anzubieten, aber da besteht bei meinen Kunden kaum Interesse. Die meisten vergessen die Behälter oder nehmen doch lieber die alte Verpackung“, seufzt sie. Für Stammwitz bedeutet das weitere finanzielle Einbußen. Denn die verpflichtenden Bio-Alternativen sind oft um einiges teurer als die Plastikverpackungen.

Gaststättenbetreiber aus Gelsenkirchen-Buer: „Plastik müsste teurer sein als Bio“

Das bestätigt auch Eva-Maria Schulz, Besitzerin des Imbisses „Zur scharfen Ecke“ in Ückendorf: „Wir bieten zum Beispiel Zuckerstoff-Alternativen an, aber die Sachen, die aus Mais oder ähnlichen Materialien hergestellt werden, sind fünffach teurer als die aus Kunststoff.“ Mehrwegbehälter habe sie auch ausprobiert, aber die würden aufgrund der Gewürze schnell verfärben. „Das sieht nicht mehr appetitlich aus.“

„Plastik müsste teurer sein als Bio“, sagt der Gelsenkirchener Gastronom Johannes Möller (r.), hier bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung für Obdachlose 2019.
„Plastik müsste teurer sein als Bio“, sagt der Gelsenkirchener Gastronom Johannes Möller (r.), hier bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung für Obdachlose 2019. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Auch die Idee von selbst mitgebrachten Behältern komme bei den meisten nicht besonders gut an, bedauert Johannes Möller, Inhaber der Gaststätte „Zum Hexenhäuschen“ in Buer. „Wir haben mittlerweile in unsere Speisekarte die Option geschrieben, dass unsere Kunden ihre eigenen Behälter mitbringen können, aber das macht einfach keiner.“ Die Umstellung auf umweltfreundlichere Verpackung empfindet er dagegen als hinderlich. „Sie kriegen nur Plastik, Plastik, Plastik! Falls Sie irgendwo Bio kriegen, dann ist das Plastik wesentlich günstiger. Das müsste genau umgekehrt sein, das Plastik müsste teurer sein als Bio.“

Gastronomen in Gelsenkirchen: „Man kommt nicht drum herum die Preise anzuheben“

Dabei sieht man sich in der Gastronomie aufgrund der Inflation ohnehin gezwungen, die Speisekarten zu überarbeiten und die Preise anzupassen. „Ich bin gestern fertig damit geworden, die Preise anzuheben, sonst kämen wir gar nicht klar“, erklärt Fitim Gach, Inhaber der Pizzeria „Pizza Pasta 1“ in Buer. Auch Michaela Stammwitz bekräftigt: „Man kommt nicht drum herum, wir müssen sofort reagieren. Ich glaube, wir Gastronomen haben mittlerweile alle die Preise angezogen.“ Bei den Kunden kommt das natürlich nicht gut an – dabei „müssten wir die Preise eigentlich sogar noch viel mehr anheben“, sagt Johannes Möller. „Aber das kann sich ja keiner erlauben.“

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Da der Mehrweg-Beschluss bereits Anfang 2023 verpflichtend in Kraft tritt, muss sich auch die Gelsenkirchener Verwaltung nun mit einigen Fragen zur Umsetzung befassen. Auf eine Anfrage der Grünen am 15. März bestätigt die Stadt, dass in Zusammenarbeit mit dem Gaststättenverband Dehoga Westfalen und verschiedenen Mehrwegsystemanbietern eine Online-Informationsveranstaltung geplant wird. Diese soll noch im Jahr 2022 stattfinden und für alle Gastronomen aus Gelsenkirchen zugänglich sein.

Grünen-Politikerin fordert: Stadt Gelsenkirchen muss auf Gastronomen zugehen

Franziska Schwinge, Ratsfrau und wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, zeigt sich skeptisch: „Das Problem ist, dass der Verwaltung der zeitliche Hintergrund nicht ganz klar ist. Anfang nächsten Jahres müssen die Gastronomen Konzepte vorlegen, sonst müssten sie nämlich Strafe zahlen.“ Auch die Form der Beratung sieht sie eher kritisch: „Ich weiß nicht, inwiefern so ein Online-Angebot alle Gastronomen auch erreichen wird.“

Mehrwegpflicht 2023: Franziska Schwinge, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen in Gelsenkirchen, fordert die Stadt auf, Gespräche mit den Gastronomen zu suchen.
Mehrwegpflicht 2023: Franziska Schwinge, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen in Gelsenkirchen, fordert die Stadt auf, Gespräche mit den Gastronomen zu suchen. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Besonders aufgrund der kurzen Umsetzungszeit reiche dieser Ansatz nicht aus: „Das muss zeitnah passieren, die Gesetzesnovelle tritt ja schon Anfang nächsten Jahres in Kraft. Die Gastronomen müssen auch genügend Zeit haben, sich darauf vorzubereiten.“ Aus Schwinges Sicht besonders wichtig: „Es wäre besser, proaktiv auf die einzelnen Gastronomen zuzugehen, Kontakt aufzunehmen und tatsächlich vorbeizukommen, weil ja auch jeder unterschiedliche Voraussetzungen hat. Ich denke, das wäre sinnvoller als eine Online-Veranstaltung.“

Details zum Gesetz

Seit dem 3. Juli 2021 sind die Herstellung von und der Handel mit zahlreichen Wegwerfprodukten aus Plastik EU-weit verboten. Die bestehenden Einwegreste dürfen die Gastronomen noch aufbrauchen, in Zukunft wird allerdings auf Pfand- und Mehrwegsysteme gesetzt. Die Mehrwegpflicht resultiert aus dem im Mai 2021 vom Bundestag beschlossenen Verpackungsgesetz. Sie soll die Verpackungsflut eindämmen. Der Beschluss gilt für alle Bistros, Cafés, Restaurants und Lieferdienste, die für ihre Speisen und Getränke Einwegverpackungen nutzen.Ausnahmen gibt es für Kiosks oder kleine Imbissbuden. Betriebe mit weniger als fünf Mitarbeitern und einer Verkaufsfläche unter 80 Quadratmetern bekommen stattdessen die Möglichkeit, selbst mitgebrachte Behälter ihrer Kunden zu befüllen.

Wie auch immer die Informationsveranstaltung am Ende aussieht, für die Gastronomen bedeutet der Entschluss eine schwierige, möglicherweise teure Umstellung – und damit wohl auch für die Kunden. Schwinge jedoch beschwichtigt: „Es gibt bereits etablierte, auch recht kostengünstige Mehrwegsysteme, mit denen sich die Gastronomen auseinandersetzen können.“ Diese funktionieren etwa so, dass die Kunden eine Box erhalten, die sie in 14 Tagen zurückgeben können. „Das ist eigentlich unkompliziert“, sagt die Grüne und fordert von der Stadt ein, sich für praktische Lösungen einzusetzen. „Sinnvoll wäre es, wenn es ein einheitliches Mehrwegsystem für alle Gastronomen in der Stadt geben würde.“