Gelsenkirchen. Abschiebungen, Asylverfahren, Verlust der EU-Freizügigkeit: Das Ausländeramt Gelsenkirchen hat aktuelle Zahlen öffentlich gemacht. Der Überblick.

Die Stadt Gelsenkirchen hat wieder mehr EU-Bürgern ihr Aufenthaltsrecht entzogen. Die Zahl der sogenannten Verlustfeststellungen nach EU-Freizügigkeitsgesetz ist wieder auf 239 Fälle gestiegen, nachdem sie im vergangenen Jahr auf einen Tiefpunkt von nur 29 Verfahren gefallen war. Nach Angaben des Ausländeramtes hat dies vor allem damit zu tun, dass entsprechende Stellen in der Behörde wieder besetzt werden konnten.

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Im Jahr 2019 wurden noch insgesamt 540 EU-Bürgerinnen und Bürgern das Aufenthaltsrecht entzogen, darunter 211 Rumänen, 169 Bulgaren und 75 Polen. Im kommenden Jahr werde man voraussichtlich wieder an die alten Zahlen anknüpfen können, heißt es aus dem Ausländeramt.

Große Hürden für den Verlust der EU-Freizügigkeit

Für den Verlust der EU-Freizügigkeit gibt es hohe Hürden. Geschehen kann dies zum Beispiel, wenn EU-Bürger falsche Angaben über ein Arbeitsverhältnis machen und stattdessen in erheblichem Umfang Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Auch bei sogenannten Scheinehen oder Scheinvaterschaften, also missbräuchlichen Anerkennungen falscher Vaterschaften, kann das Aufenthaltsrecht entzogen werden.


Das Aufenthaltsrecht in Deutschland verlieren können auch jene Menschen – ob EU-Bürger oder Menschen aus Drittstaaten –, die eine Bedrohung für die Sicherheit und Ordnung darstellen. Nach Angaben der Stadt wurden seit 2017 bis zum heutigen Tag 24 Intensivstraftäter abgeschoben, die zu mindestens drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Hier geht es laut Stadt auch um einen Täterkreis mit Bezügen zu Clankriminalität und islamischen Fundamentalismus. Genaue Angaben zu den Einzelfällen könne man jedoch nicht machen, hieß es zuletzt aus dem Ausländeramt.

Stadt Gelsenkirchen hat in diesem Jahr 80 Abschiebungen durchgeführt

Insgesamt kam es 2021 zu 82 Abschiebungen. Das sind rund 20 Fälle weniger als im Jahr 2020 und nur fast die Hälfte der Anzahl aus 2019. Der Rückgang der Rückführungen ist nach Angaben des Ausländeramtes weiterhin vorwiegend der Corona-Pandemie geschuldet. Es gebe wesentlich mehr Hygienevorschriften, jeder Einzelfall erfordere in der Planung sehr viel mehr Vorlauf.


Freiwillig zurückgereist sind im Jahr 2021 bislang 58 Personen. Bevor eine Abschiebung durchgeführt wird, haben Betroffene die Möglichkeit, von der Diakonie Gelsenkirchen über die Rückkehr in ihr Heimatland beraten und unterstützt zu werden. 2020 gab es – auch coronabedingt – mit 41 Fällen die niedrigste Zahl der freiwilligen Ausreisen in den letzten sechs Jahren, 2017 gab es den höchsten Wert mit 236 Fällen.

Ausländische Bevölkerung Gelsenkirchens: Aus diesen Ländern kommen die Menschen

Aber welche Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit halten sich derzeit überhaupt in Gelsenkirchen auf? Der Anteil der ausländischen Bevölkerung liegt in Gelsenkirchen bei 23,35 Prozent. Das sind etwa 62.000 ausländische Einwohner in absoluten Zahlen. Im Jahr 2014, also vor den großen Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015, waren es noch rund 15 Prozent (rund 41.500 Menschen).

Stand Ende Oktober, befinden sich derzeit 551 Personen im laufenden Asylverfahren. Etwa 34 Prozent der Einwohner ohne deutsche Staatsangehörigkeit kommen aus der Europäischen Union, davon ziemlich genau die Hälfte aus dem östlichen Europa. Die restlichen 66 Prozent kommen aus Drittstaaten (siehe Tabelle).

SPD-Ratsherr und Flüchtlingshelfer: „Es kommen mehr Menschen ohne richtige Bleibeperspektive“

Viele dieser Menschen suchen Rat bei der 2015 gegründeten „Task Force Flüchtlingshilfe“ in der Innenstadt. Der Gründer, SPD-Ratsherr und Ex-Pirat Jürgen Hansen, hat mit seinem Team nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 18.500 Anliegen von Geflüchteten und Migranten bearbeitet – von Hilfe bei Arztbesuchen bis Unterstützung bei Formularen. Trotz der coronabedingten Kontaktbeschränkungen seien es in diesem Jahr bislang immer noch 7812 Anliegen gewesen.

„Ich nehme wahr, dass wesentlich mehr Menschen mit einer geringen Bleibeperspektive kommen als 2015 und 2016“, sagt Hansen. Das heißt: Seiner Beobachtung nach sind unter den Menschen, die derzeitig einen Asylantrag stellen, viele, die sich vor allem wirtschaftlich eine bessere Zukunft in Gelsenkirchen erhoffen. Auf diese Entwicklung müsse man politisch reagieren, so Hansen.

SPD-Ratsherr Jürgen Hansen leitet die „Task Force Flüchtlingshilfe“. „Ich nehme wahr, dass wesentlich mehr Menschen mit einer geringen Bleibeperspektive kommen als 2015 und 2016“, sagt der Ex-Pirat.
SPD-Ratsherr Jürgen Hansen leitet die „Task Force Flüchtlingshilfe“. „Ich nehme wahr, dass wesentlich mehr Menschen mit einer geringen Bleibeperspektive kommen als 2015 und 2016“, sagt der Ex-Pirat. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Ich bin nach wie vor der Meinung, dass nur die Menschen bei uns bleiben sollten, die ein berechtigtes Interesse nachweisen, hier aufgenommen zu werden, die politisch verfolgt sind und kriminalisiert wurden“, sagt der langjährige Flüchtlingshelfer. Hansen setzt hier Hoffnung in die kommende Ampel-Regierung, die die Erwerbsmigration und Integrationsaufwendungen einerseits erhöhen möchte, anderseits aber auch Abschiebungen effizienter durchführen will. „Das scheint mir der richtige Weg.“