Essen. Kaum war der Flug MH17 mit fast 300 Menschen an Bord über der Ostukraine abgestürzt, da versuchten die ersten Kriminellen im Netz, an dem Unglück zu verdienen. Mit Fake-Videos vom Absturz und anderen Klick-Fallen buhlten sie um Aufmerksamkeit. Die Sensationslust der Menschen ist ihr Geschäft.
In den Tagen nach dem Absturz von Malaysia-Airlines-Flug MH17 ging es auf dem Sozialen Netzwerk Facebook zu wie auf einem Marktplatz. Zahlreiche Videos und Bilder buhlten um die Aufmerksamkeit der User. "Video-Kamera hat den Moment in dem Flug MH17 über der Ukraine abgestürzt ist, festgehalten", lautet der Text zu einem Link, der schon kurz nach dem Unglück die Runde machte. Dazu die verlockende Ankündigung: "Sehen Sie hier das Video des Crashs!". Doch der Link führte nicht zu einem der Weltöffentlichkeit bisher unbekannten Sensationsvideo, sondern zu einer Webseite voller Spam.
Besonders hässlich ist aber die Tatsache, dass die Betrüger die Namen und Fotos von MH17-Passagieren missbrauchten um Menschen auf ihre Spam-Seite zu locken. Denn laut der australischen Zeitung Canberra-Times legten sie unter dem Namen der Opfer falsche Facebook-Profile an, die angeblich als Online-Kondolenzbuch dienen sollten. Die Profile bestanden jeweils aus einem Bild des Toten und dem Link zum Fake-Video der Flugezeugkatastrophe. Facebook hat die Profile mittlerweile gelöscht, viele User dürften aber trotzdem in die Falle getappt sein.
Links verweisen auf Schadprogramme
Und die Betreiber der verlinkten Spam-Seite konnten dank dieser Masche wahrscheinlich sogar Geld verdienen. Denn auf der verlinkten Spam-Seite befanden sich laut BBC zahlreiche Werbebanner. Und je mehr Menschen eine solche Seite besuchen, desto mehr Geld bringt die Werbung ein. Die Betrüger zu fassen ist schwierig. Denn wer diese Seiten einrichtet, lässt sich nur selten ermitteln, die Betreiber bleiben fast immer anonym.
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Andere Fake-Nachichten führen ahnungslose Nutzer auf Seiten, denen es darum geht, möglichst viele persönliche Daten von Internet-Nutzern abzugreifen. Diese können dann später an anderen Betrüger weiter verkauft werden. Oft wird dem User dann vorgegaukelt, er müsse zunächst seine Telefonnummer angeben um das beworbene Sensationsvideo zu sehen. Der Verein Mimikama hat aufgedeckt, dass ein Fake-Video vom MH17-Absturz sogar zu einer Webseite führt, die Computer mit Schadsoftware infiziert um die Rechner auszuspionieren.
Angebliches MH17-Foto zeigt in Wahrheit eine Szene aus "Lost"
"Diese Links werden von so vielen Leuten geklickt, dass es völlig egal ist, wenn 99 Prozent der User die Seite direkt schließen weil sie kein Video entdecken. Wenn nur ein Prozent tatsächlich persönliche Daten angibt oder die Schadsoftware installiert, haben die Betreiber schon ein gutes Geschäft gemacht", sagt IT-Experte Karsten Zimmer aus Menden, der auch im Auftrag des Bundeskriminalamts arbeitet.
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Manche Links hingegen führen tatsächlich zu Videos oder Bildern - nur haben die meist nichts mit dem eigentlichen Unglück zu tun. So zeigt ein angebliches Foto der verunglückten MH17-Maschine in Wirklichkeit eine Szene aus der bekannten Fernsehserie "Lost". Und ein Video, auf dem der Absturz der malaysischen Maschine zu sehen sein soll, ist in Wahrheit über ein Jahr alt und zeigt den Absturz einer Boeing-Frachtmaschine in Afghanistan.
Sensationlust treibt die User
"Die Menschen wollen sich nach einem solchen Unglück informieren. Und diese Videos gaukeln wichtige Informationen vor", erklärt IT-Experte Zimmer. "Natürlich spielt auch eine gewisse Sensationlust mit." Dass Betrüger versuchen diese Sensationslust auszunutzen, sei nicht ungewöhnlich: "So etwas kommt bei großen Katastrophen regelmäßig vor."
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So gab es auch 2012 schon kurz nach dem Amoklauf an der Sandy Hook Grundschule in den USA zahlreiche falsche Online-Kondolenzbücher. Einige besonders dreiste Betrüger gaben sich sogar als Angehörige der Opfer aus und versuchten mit falschen Spendenseiten abzukassieren. Und Fake-Videos vom Amoklauf verbreiteten sich wie ein Lawine.
Dubiose Posts verbreiten sich schnell
"Voyerismus und Sensationsgier sind leider zu verbreitet. Viele Menschen wollen gaffen. Das ist bei diesen Videos nicht anders, als bei einem Autounfall", sagt Frank Ziemann. Er hat zusammen mit der TU Berlin eine Datenbank aufgebaut, die über Falschmeldungen und Gerüchte aufklärt. "Nutzer teilen sehr schnell dubiose Posts, obwohl sie deren Wahrheitsgehalt überhaupt nicht nachprüfen können." Dabei sei es eigentlich gar nicht schwierig, sich zu schützen.
"Etwas nachzudenken, reicht oft schon aus", sagt Ziemann. Posts, die zu sehr um Aufmerksamkeit betteln, solle man einfach meiden: "Wenn da steht 'Sensationell' oder "Hier klicken!', kann ich nur raten: Finger weg!"