Brüssel. Deutschland bekommt wegen des ausstehenden Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung Druck aus Brüssel: Die EU-Kommission hat der Bundesregierung eine Frist von einem Monat gesetzt, um ein entsprechendes Gesetz zu umzusetzen - sonst droht eine saftige Geldstrafe.

Im Streit um die Speicherung von Telefon- und Internet-Daten hat die EU-Kommission Deutschland ein Ultimatum gestellt: Wenn Berlin nicht binnen eines Monats Bereitschaft zeige, die europäischen Vorschriften in deutsches Recht zu überführen, werde man vor dem EU-Gericht klagen. Das könnte ein Zwangsgeld bis zu 800.000 Euro pro Tag verhängen. Die von der Bundesregierung bislang in Aussicht gestellten Maßnahmen zur Umsetzung reichen Brüssel nicht. In der Berliner Regierungskoalition hat sich die Vorratsdatenspeicherung zum Zankapfel zwischen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) entwickelt

Das EU-Gesetz stammt aus dem Jahr 2006 und sollte eigentlich 2007 in allen EU-Staaten gelten. Es sieht vor, dass Verbindungsdaten im Telefonnetz und Internet auch ohne Anlass (“auf Vorrat”) gespeichert werden, damit bei der Verfolgung von Straftätern darauf zurückgegriffen werden kann. Deutschland hatte die EU-Vorgabe in erweiterter Form in ein Gesetz umgegossen, das vom Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren als zu weitgehend kassiert wurde. Seither müssen die Strafverfolger hierzulande ohne dies Instrument auskommen – zum Leidwesen von Innenminister Friedrich und den meisten seiner Länderkollegen.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will kein reparaturbedürftiges Gesetz importieren

Friedrich hat der Kommission vermittelt, wie wichtig die Daten-Bevorratung bei der Verbechensbekämpfung sei. In 44,5 Prozent der einschlägigen Fälle in Deutschland habe man nur ermitteln können, weil Telekom- und Internet-Daten der Verdächtigen zur Verfügung standen. Nach dem Stopp aus Karlsruhe habe man fast ein Drittel der eingeleiteten Ermittlungsverfahren einstellen müssen.

Frist „peinlich“ für Deutschland

Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nannte im WAZ-Interview die Frist der EU „peinlich“ für Deutschland. Man habe auf EU-Ebene gemeinsam das Recht geschaffen, auch mit deutscher Zustimmung. Bisher habe Leutheusser-Schnarrenberger ih­re Pflicht versäumt, das EU-Recht auch umzusetzen, so Friedrich. Er werde keinem Ge­setz zustimmen, das nicht den EU-Anforderungen entspreche, sagte der Minister. Leutheusser-Schnarrenberger habe eine Bringschuld. „Es wäre ein Fehler, die EU-Frist nicht ernst zunehmen.“ Der Vorschlag der Ministerin, nur Daten von bereits Verdächtigten zu speichern, genüge nicht dem EU-Recht.

Die Justizministerin verweist hingegen darauf, dass die Kommission an einer Überarbeitung der Richtlinie arbeite. Es sei nicht einzusehen, heißt es im Hause Leutheusser-Schnarrenberger, dass Deutschland trotz der Einwände des Verfassungsgerichts ein reparaturbedürftiges Gesetz importieren solle. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström weist das zurück: “Das ist keine überholte Richtlinie!”, erklärte Malmströms Sprecher. Karlsruhe habe sich keineswegs gegen die EU-Vorschriften gewandt, sondern gegen das nationale deutsche Gesetz. Es sei ohne weiteres möglich, die europäischen Vorgaben umzusetzen, ohne mit dem Karlsruher Urteil in Konflikt zu geraten. Ein von Leutheusser-Schnarrenberger ins Spiel gebrachtes Verfahren, bei dem die Daten nur im konkreten Verdachtsfall gesammelt und der Polizei zugänglich gemacht werden (“Quick Freeze”), hält Malmström für unzureichend.

Die Kommissarin will im Laufe des Jahres ihre Vorschläge zur Revisiion der Richtlinie unterbreiten. Bis zur Verabschiedung können dann allerdings durchaus zwei Jahre ins Land gehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Justizministerin aufgefordert, einen neuen Gesetz-Entwurf vorzulegen, um eine Klage in Luxemburg zu vermeiden.