Swisttal. Rund 750.000 ältere Menschen leben in Deutschland in einem Pflegeheim, viele weitere in betreuten Einrichtungen. Nicht immer ist der Kontakt zwischen Angehörigen und Fachkräften herzlich. Die meisten Konflikte lassen sich aber einvernehmlich lösen.
Wer als Angehöriger einen Menschen im Pflegeheim besucht, macht sich oft Sorgen: Wird die bettlägerige Mutter auch gründlich gewaschen? Bekommt der an Demenz erkrankte Vater genügend Bewegung und Ansprache? Stimmt die Ernährung? «Oft sind nicht nur die Bewohner, sondern auch ihre Angehörigen in einem psychisch labilen Zustand, weil sie eine lange Zeit der Sorgen und Strapazen hinter sich haben», sagt Christine Sowinski. Sie kümmert sich beim Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) vor allem um Pflegethemen.
Aber auch die Pfleger stehen wegen ihrer hohen Arbeitsbelastung unter Druck. «Da wird dann die berechtigte, aber harsch nebenbei gestellte Frage, wann etwa der Verband zum letzten Mal gewechselt wurde, nicht immer angemessen beantwortet», schildert Sowinski.
Vertrauen entgegenbringen
Schnell kann so eine alltägliche Auseinandersetzung ernsthaften Streit und Beschwerden nach sich ziehen. Im schlimmsten Fall endet das Ganze mit einem Hausverbot, erklärt Ulrike Kempchen. Sie arbeitet als Beraterin bei der Bundesinteressenvertretung der Nutzerinnen und Nutzer von Wohn- und Betreuungsangeboten im Alter (BIVA). «Dann heißt es, die Pflegekräfte fühlten sich durch die Angehörigen in ihrer Arbeit gestört und könnten keine ordnungsgemäße Pflege mehr leisten.» Im vergangenen Jahr hätten sich erstmals eine Reihe von Angehörigen aus diesem Grund an die BIVA gewandt, berichtet die Rechtsanwältin.
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Damit sich die Lage nicht zuspitzt, sollten Angehörige dem Heim und seinen Vertretern erst einmal Vertrauen entgegenbringen: «Machen Sie deutlich, was Ihnen Sorge bereitet - aber bleiben Sie bei Ihrem persönlichen Fall, ohne zu verallgemeinern, und geben Sie Ihrem Gegenüber die Möglichkeit, seine Seite zu erläutern», rät die Mediatorin Sosan Azad in Berlin.
Zeit und Ort sind wichtig
Viele Angehörige wünschten sich beispielsweise für ihre Verwandten flexiblere Essenszeiten. «Jemand, der erklärt, dass der Vater aus jahrzehntelanger Gewohnheit erst nach ein Uhr richtig Hunger bekommt, wird leichter ein offenes Ohr finden als jemand, der fragt, wie man denn auf die Idee komme, schon ab 11 Uhr Mittagessen zu verteilen.»
Auch der zeitliche und örtliche Rahmen spielen für das Gespräch eine wichtige Rolle, erläutert Sozad. Sie ist Vorstandsmitglied im Bundesverband Mediation. Wer mit einer bestimmten Pflegerin ein Problem hat, sollte damit nicht herausplatzen, wenn sie gerade mit etwas anderem beschäftigt ist. Besser sei, das Ganze anzukündigen: «Ich möchte gerne noch etwas mit Ihnen besprechen, wann geht das denn am besten?» Erst wenn die Angesprochene ausweicht, sollten sich Angehörige an einen Vorgesetzten wenden.
Mittlerweile hätten die meisten Heime ein professionelles Beschwerdemanagement mit klaren Ansprechpartnern, sagt Sabine Mattes. Sie ist juristische Referentin beim Verband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen in Nordrhein Westfalen. Auch Kempchen rät Angehörigen, die Beschwerdestelle zu nutzen. Angehörige seien oft das einzige Sprachrohr der Bewohner, die sich selbst nicht trauen, das Heimpersonal zu kritisieren. Allerdings gelte auch hier: erst nachdenken, dann beanstanden.
Kapazitäten des Pflegepersonals sind begrenzt
Ein Streitpunkt ist beispielsweise, wenn ein Bewohner ins Krankenhaus eingeliefert wird. In seiner Abwesenheit fallen im Heim weniger Kosten an - diese Ersparnis muss es unter bestimmten Umständen an die Bewohner weitergeben. «Hier empfiehlt es sich aber, die Regelungen genau nachzulesen, bevor man wegen vermeintlicher Abzocke das Büro der Heimleitung stürmt», sagt Kempchen.
Probleme gibt es laut Mattes auch, weil der Gesundheitszustand vieler Heimbewohner heute schlechter ist als noch vor einigen Jahren. «Man versucht aus guten Gründen, die Menschen so lange wie möglich ambulant zu Hause zu versorgen. Wer schließlich doch in eine Einrichtung kommt, ist meist in höherem Maße pflegebedürftig oder leidet an einer Demenz.»
Unrealistische Erwartungen und große Sorgen um den pflegebedürftigen Angehörigen führten leicht dazu, dass die Nerven der Angehörigen blank liegen. Hier müssten sich Bewohner und Angehörige klarmachen, dass die Kapazitäten des Pflegepersonals bei allem guten Willen begrenzt sind.
Meist Einzelfälle
So schlimm Konflikte zwischen Angehörigen und Pflegeeinrichtungen auch sind: Meist handelt es sich um Einzelfälle. Eine Umfrage unter Mitgliedseinrichtungen hat Mattes zufolge ergeben, dass eine Heimleiterin in 25 Jahren noch nie ein Hausverbot ausgesprochen habe. In anderen Fällen lagen die letzten Hausverbote sieben bis zehn Jahre zurück.
Einrichtungen, die berechtigte Kritik mit der Androhung von Hausverboten abschmetterten, seien auf jeden Fall «schwarze Schafe», betont auch Sowinski vom KDA. In der Regel würden Hausverbote als allerletztes Mittel eingesetzt. Und meist gehe es darum, die Heimbewohner zu schützen: «Beispielsweise wenn ein Angehöriger dem Bewohner eigenmächtig Medikamente gibt, und ihn dadurch in Gefahr bringt.»
Am wichtigsten ist es nach Ansicht von Sowinski, aufkeimende Probleme so schnell wie möglich anzusprechen: «Wenn Ihnen an der Institution etwas merkwürdig vorkommt oder gegen den Strich geht - egal ob es ums Essen geht, um verschwundene Wäschestücke oder um das menschliche Miteinander - sprechen Sie es so früh wie möglich an, freundlich und verbindlich.» In den meisten Fällen komme man so zu einer Lösung. (dpa)