Essen. Fast 548.000 Menschen in NRW brauchen Pflege. Pflegende und Pflegebedürftige haben viele Fragen. Zum Jahresanfang hat es außerdem einige Änderungen für Pflegebedürftige gegeben. Vier Pflege-Experten am Leser-Telefon der WAZ-Mediengruppe gaben wichtige Tipps.

Fast 548.000 Menschen in NRW sind pflegebedürftig. Über zwei Drittel dieser Männer und Frauen werden zu Hause betreut. „Viele Pflegebedürftige und deren Angehörige wissen gar nicht, was ihnen zusteht“, betont Silke Niewohner, Leiterin der Landesstelle Pflegende Angehörige NRW.

Zum Jahresanfang hat es mit dem sogenannten Pflege-Neuausrichtungsgesetz auch einige Änderungen für Pflegebedürftige gegeben. Am Gesundheitstelefon unserer Zeitung haben vier Pflege-Experten von der Landesstelle Pflegende Angehörige Nordrhein-Westfalen, von der Techniker Krankenkasse, der AOK Rheinland/Hamburg und dem Sozialverband VdK Fragen zur Pflege beantwortet. Hier die wichtigsten Tipps der Fachleute.

Ich habe meinen Mann, der die Pflegestufe 2 hat, schon drei Jahre zu Hause betreut. Ich bin auch schon 75 und kann nicht mehr. Ich interessiere mich für eine Tagespflege für meinen Mann an zwei Tagen in der Woche. Er möchte das aber nicht so gerne.

Das ist oft so, dass die Betroffenen dies erst nicht wollen. Es ist aber wichtig, dass Sie sich entlasten. Wenn Sie durch eine Überbeanspruchung krank werden, hat Ihr Mann nichts davon. Mein Tipp: Viele Kommunen haben Pflegestützpunkte, die auch hierzu beraten. Erkundigen Sie sich, wo es in Ihrer Nähe eine Tagespflege gibt. Schauen Sie sich die dann mit Ihrem Mann an. Die meisten Einrichtungen bieten sogenannte Schnuppertage an. Die Verpflegung in der Tagespflege müssen Sie selbst zahlen. Die pflegerischen Leistungen und eventuelle Fahrtkosten übernimmt die Pflegekasse im Rahmen dessen, was Ihr Mann an Geld für seine Pflegestufe bekommt.

Ich habe meine pflegebedürftige Frau zu Hause. Ich muss jetzt selbst ins Krankenhaus. Was mache ich in dieser Zeit nur mit meiner Frau?

Für solche Fälle sieht das Sozialgesetzbuch XI die Möglichkeit der Kurzzeit- oder Verhinderungspflege vor. Kurzzeitpflege, die es ab der Pflegestufe 0 für Menschen mit einem erhöhten Betreuungsbedarf gibt, wie Demente oder psychisch Erkrankte, kann nur in dafür zugelassenen Einrichtungen erbracht werden.

Oft bieten Pflegeheime aber auch Kurzzeitpflege-Plätze in ihrer Einrichtung an. Es gibt aber auch spezielle Kurzzeitpflege-Einrichtungen. Die Verhinderungspflege, die es ab der Pflegestufe 1 gibt, kann zum Beispiel auch zu Hause oder etwa bei Freunden oder Verwandten durchgeführt werden. Sowohl für die Kurzzeit- als auch für die Verhinderungspflege stellt die Pflegekasse pro Jahr 1550 Euro für maximal 28 Tage zur Verfügung stellen.

Meine Frau war in der Pflegestufe 2. Sie kann fast nichts mehr selbst machen. Der Medizinische Dienst hat sie jetzt in die Pflegestufe 1 eingestuft. Damit bin ich nicht einverstanden. Was kann ich tun?

Sie können dagegen Widerspruch einlegen. Hierbei kann Ihnen zum Beispiel – als neutrale Stelle – ein Pflegestützpunkt helfen, den es in vielen NRW-Kommunen gibt. Fragen Sie einmal bei Ihrer Stadt nach. Außerdem haben die Pflegekassen Pflegeberater. Wenn es um einen Widerspruch geht, ist es hilfreich, einmal eine Woche lang aufzuschreiben, was man in der Pflege von morgens bis abends alles macht. Also für diese Zeit einmal ein Pflegetagebuch führen. Diese Aufzeichnungen werden im Widerspruchsverfahren vom MDK und der Pflegekasse berücksichtigt.

Meine Frau kann seit einigen Monaten ohne einen Rollator nicht mehr laufen. Den habe ich ihr gekauft. Im Haushalt kann sie auch nichts machen. Sie hat keine Pflegestufe, kann sich selbst waschen und anziehen. Habe ich nicht trotzdem Anspruch auf eine Haushaltshilfe?

Nein. Für eine Hilfe im Haushalt ist die Pflegeversicherung nicht zuständig. Sie zahlt bei einer Pflegebedürftigkeit. Das heißt, wenn der Betroffene mindestens sechs Monate lang bei der Verrichtung des Alltäglichen in großem Maße oder ganz und gar auf fremde Hilfe angewiesen ist. Und zwar etwa bei der Körperpflege, der Ernährung, der hauswirtschaftlichen Versorgung. Oder der eigenen Mobilität, dies meint das selbstständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, das An- und Auskleiden oder das Verlassen und das Wiederaufsuchen der eigenen Wohnung. Den Rollator hätte Ihre Krankenkasse übrigens bezahlt, wenn eine Verordnung des Arztes vorgelegen hätte.

Ich bin 80 Jahre alt und zu 90 Prozent schwerbehindert, habe aber keine Pflegestufe. Ich bin oft schwindelig. Meine 78-jährige Frau kann mir auch nicht viel helfen. Ich traue mich alleine nicht mehr aus dem Haus.

Bitten Sie Ihre Pflegekasse, Ihnen ein Antragsformular für Leistungen aus der Pflegeversicherung zuzusenden. Es besteht ein Anspruch auf eine Pflegeberatung, auch im eigenen Zuhause, wenn Leistungen aus der Pflegeversicherung bezogen werden oder wenn ein Antrag hierfür gestellt wurde. Jeder Antragssteller hat eine Recht auf eine Beratung innerhalb von 14 Tagen nach der Antragsstellung. Bei der Pflegeberatung wird mit dem Pflegebedürftigen und dem Angehörigen ein Versorgungsplan erstellt.

Zu mir nach Hause kommt eine Pflegeberatung der Pflegekasse. Was kann ich mit der alles besprechen?


Grundsätzlich sollte zu allen mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Fragen beraten werden. Also: Welche Leistungen kann man in Anspruch nehmen? Welche Leistungsanbieter gibt es und was kosten diese? Wie können sich pflegende Angehörige entlasten? Aufgabe der Pflegeberatung ist es unter anderem, zu erfassen, welchen Bedarf an Hilfe es gibt und einen individuellen Versorgungsplan zu erstellen – mit den im Einzelfall erforderlichen Sozialleistungen und gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen oder sonstigen medizinischen sowie pflegerischen und sozialen Hilfen.

Wer profitiert denn finanziell von den Änderungen des Pflege-Neuausrichtungs-gesetzes ab dem 1. Januar 2013?

Menschen mit einem sogenannten „erhöhten Betreuungsbedarf“ wie etwa Demente oder Menschen mit psychischen Erkrankungen. Das heißt in der Pflegestufe 0 gibt es, wenn ein erhöhter Betreuungsbedarf vorliegt, 120 Euro Pflegegeld und 225 Euro für Pflegesachleistungen von der Pflegekasse im Monat.

Bei der Pflegestufe 1 gilt, im Falle eines erhöhten Betreuungsbedarfs: 305 Euro monatlich fürs Pflegegeld (liegt kein erhöhter Betreuungsbedarf vor: 235 Euro), 665 Euro für Pflegesachleistungen (liegt kein erhöhter Betreuungsbedarf vor: 450 Euro).

Bei der Pflegestufe 2 gibt es bei einem erhöhten Betreuungsbedarf monatlich 525 Euro Pflegegeld (ohne erhöhten Betreuungsbedarf 440 Euro) und 1250 Euro für Pflegesachleistungen (ohne erhöhten Betreuungsbedarf 1100 Euro). In der Pflegestufe 3 gibt es bei erhöhtem Betreuungsbedarf nicht mehr Geld. Das Pflegegeld liegt dort weiter bei 700 Euro, die Pflegesachleistungen bei 1550 Euro.

Unsere Mutter leidet stark an Demenz. Sie kam erst ins Krankenhaus, danach in ein Altenheim, wo sie jetzt lebt. Können wir für sie die neuen Demenzleistungen, die ab dem 1. Januar 2013 gezahlt werden, beantragen?

Diese neuen Hilfen für Demenzkranke gelten nur für Menschen, die zuhause versorgt werden. In der stationären Pflege zahlt die Pflegekasse direkt einen zusätzlichen Betrag für die Betreuung von Demenzkranken direkt an das Pflegeheim.

Pflegekassen zahlen für Pflegebedürftige Pflegegeld und Pflegesachleistungen. Was ist darunter zu verstehen?


Übernehmen Angehörige, Bekannte oder sonstige nicht erwerbsmäßig pflegende Menschen die Betreuung, erhält der Pflegebedürftige Pflegegeld, das er an den Pflegenden weitergeben kann. Diese Art der Pflege, die von Nichtprofessionellen geleistet wird, gilt als ehrenamtlich. Das Pflegegeld zählt daher nicht als Einkommen und muss nicht versteuert werden.

Bei der Pflegesachleistung ist es so: Häusliche Pflege durch Pflegedienste wird als eine Sachleistung erbracht. Das Geld der Pflegekasse geht somit direkt an den Pflegedienst, nicht an den Pflegebedürftigen. Welchen Pflegedienst Sie wählen, steht Ihnen frei. Wichtig ist nur, dass der Pflegedienst einen Versorgungsvertrag mit der Pflegekasse abgeschlossen hat. Eine wichtige Änderung zum 1. Januar 2013 ist auch: Ein Pflegevertrag mit einem ambulanten Pflegedienst kann jederzeit – ohne Einhaltung einer Frist – von den Pflegebedürftigen gekündigt werden.

Meine Frau ist krebskrank und in der Chemo. Sie braucht mich ganz viel. Ich arbeite aber in Bayern, komme nur am Wochenende nach Hause. Ich möchte eine berufliche Auszeit nehmen, um sie zu betreuen. Wie geht das?

Angeboten werden die sogenannte Familienpflegezeit oder die Pflegezeit. Bei der Familienpflegezeit müssen Sie durchschnittlich 15 Stunden in der Woche arbeiten. Diese können Sie nur in Anspruch nehmen, wenn Ihre Frau eine Pflegestufe hat. Allerdings: Sie haben darauf keinen Rechtsanspruch. Bei der Pflegezeit kann man maximal sechs Monate zu Hause bleiben. Einen Anspruch darauf haben Sie erst, wenn Ihr Betrieb mehr als 15 Mitarbeiter hat. Der zu Pflegende muss dann auch von Ihnen zu Hause betreut werden.

Pflege-Telefon Ich muss einmal in der Woche nachmittags zum Arzt. Für zwei Stunden brauche ich jemanden, der dann auf meinen dementen Mann, Pflegestufe 3, aufpasst. Ich habe gehört, dass ich dafür bei der Pflegekasse Geld für eine sogenannte Verhinderungspflege beantragen kann.

Ja. Wenn ihr Mann von Verwandten ersten oder zweiten Grades beaufsichtigt wird, können diese Verdienstausfälle und Fahrtkosten gegenüber der Pflegekasse geltend machen. Hierfür muss der zu Pflegende bei der Pflegekasse einen Antrag stellen. Übernimmt eine fremde Person die Verhinderungspflege, die manchmal auch Ersatzpflege genannt wird, zahlt die Pflegekasse dafür maximal 1550 Euro im Jahr.

Was versteht man unter einer Kombinations-Leistung?

Grundsätzlich ist es möglich, Pflegegeld und Pflegesachleistung miteinander zu kombinieren. Wenn ein Pflegedienst kommt und ich die Pflegesachleistung der Pflegekasse nur teilweise in Anspruch nehme, bekomme ich anteilig noch Pflegegeld ausgezahlt. In der Praxis sieht das etwa so aus, dass ein Pflegedienst einmal pro Woche kommt und beim Baden hilft. Damit werden nur rund 70 Prozent der Pflegesachleistung der Pflegekasse, die für den Pflegedienst zur Verfügung steht, verbraucht. Dem Pflegebedürftigen werden dann noch 30 Prozent des Pflegegeldes von der Pflegekasse ausgezahlt.

Ein Wechsel zwischen den Leistungsarten muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Man legt sich damit auf sechs Monate fest. In schwierigen Situationen ist aber auch ein früherer Wechsel möglich. Zu den unterschiedlichen Kombinations-Möglichkeiten der Leistungen durch die Pflegeversicherung sollten Sie sich in einem Pflegestützpunkt oder bei der Pflegeberatung der Pflegekasse beraten lassen.

Was ist eine Tagespflege und wie kann sie bezahlt werden?


 In einer Tagespflege können pflegebedürftige Menschen tagsüber betreut und versorgt werden. Es gibt gemeinsame Mahlzeiten und Aktivitäten wie etwa das Kochen, Vorlesen, Spielen und handwerkliche Arbeiten. Für die Tagespflege gibt es zusätzliches Geld von der Pflegeversicherung. Auch hier können Leistungen der Pflegeversicherung kombiniert werden. Oftmals wird eine pflegebedürftige Person einmal pro Woche in die Tagespflege gehen können und gleichzeitig noch das gesamte Pflegegeld ausgezahlt bekommen. Zu den unterschiedlichen Kombinations-Möglichkeiten der Leistungen durch die Pflegeversicherung sollten Sie sich in einem Pflegestützpunkt oder bei der Pflegeberatung der Pflegekasse beraten lassen.

Was ist eigentlich die Pflegestufe 0?

Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf, beziehungsweise einer „erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz“ – wie Demenz-Kranke oder Menschen mit psychischen Erkrankungen – deren Pflegebedarf nicht für die Pflegestufe 1 ausreicht, bekommen die Pflegestufe 0. Nach Paragraf 45a Sozialgesetzbuch XI können Leistungen für die Betreuung in Höhe von 100 beziehungsweise 200 Euro pro Monat beantragt werden. Diese Beträge können erstattet werden für sogenannte anerkannte niedrigschwellige Betreuungsangebote, Betreuungsleistungen durch Pflegedienste, für Kurzzeitpflege oder Tagespflege.

Wie kann man als Pflegebedürftiger in den eigenen vier Wänden bleiben, wenn der Wohnraum angepasst werden muss?

Die Pflegekasse bezuschusst eine Anpassungsmaßnahme – wie zum Beispiel eine bauliche Veränderung des Bades – mit bis zu maximal 2557 Euro. Ab dem 1. Januar 2013 wird kein Einkommen der Betroffenen mehr dafür angerechnet. Auch Pflegebedürftige mit der Pflegestufe 0 haben einen Anspruch auf Wohnraumanpassung. Bitte sprechen Sie mit Ihrem Vermieter, ob er einem Umbau zustimmt. Der Zuschuss zu einer Anpassungsmaßnahme wird erneut gezahlt, wenn sich der Pflegebedarf erhöht hat. Doch Vorsicht: Für größere Vorhaben wie einen Treppenlift reicht das bei Weitem nicht aus. Wichtig auch: Der Zuschuss muss in jedem Fall beantragt werden, bevor man mit Veränderungen im Haus oder der Wohnung beginnt.

Weitere Informationen und Hilfestellungen hierzu erhalten Sie bei den örtlichen Wohnberatungsstellen oder Pflegestützpunkten in NRW. Übrigens: Auch den Umzug in eine für die Pflege geeignetere Wohnung kann die Pflegekasse bezuschussen. Allerdings kommt es hierbei immer auf den Einzelfall an.

Ich versorge meine 90-jährige Mutter, kaufe für sie ein oder bringe sie nachts zur Toilette. Sie wird aber nicht als Pflegefall anerkannt. Warum ist das so?

Für die Pflegestufe 1 muss bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität ein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten täglich bestehen. Ein Hilfebedarf bei der hauswirtschaftliche Versorgung reicht nicht aus. So hat es der Gesetzgeber festgelegt.

Ich pflege meine Frau, die in Pflegestufe 1 ist und auch an Demenz leidet. Ein Antrag auf Pflegestufe 2 wurde abgelehnt, obwohl ich immer mehr mit der Pflege zu tun habe. Der Medizinische Dienst (MDK) ging bei der Prüfung überhaupt nicht auf uns ein.

Gegen die Entscheidung der Pflegekasse, die auf den Empfehlungen des MDK basiert, kann man Widerspruch einlegen. Hierzu sollten Sie eine Woche lang ein Pflegetagebuch führen und genau aufschreiben, was Sie als Pflegeperson tun müssen. Wenden Sie sich auch an einen Pflegeberater Ihrer Pflegekasse.