Berlin. Dioxin in Eiern, Pferdefleisch im Rinderhack und Krankheitserreger im Gemüse – bei jedem neuen Nahrungsmittelskandal stellt sich die Frage: Was können wir eigentlich noch bedenkenlos essen? Die Antwort darauf ist kompliziert. Alles, sagen die einen. Lieber nur Bio, die anderen.
Viele Bundesbürger fühlen sich durch ihr tägliches Essen gefährdet. Theoretisch finden sich in jedem Nahrungsmittel Stoffe, die in bestimmten Mengen giftig sein können. Gemeint sind damit aber nicht unbedingt Giftstoffe, die durch den Menschen in die Nahrung gelangen. «Man kann sich auch mit Gewürzen oder Lakritze vergiften», sagt Prof. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin. Aus diesem Grund sei der menschliche Körper darauf ausgerichtet, Giftstoffe zu verarbeiten. «Wir können nicht giftfrei leben, aber Sie können eigentlich alles essen, was schmeckt, das ist ja das Schöne daran.»
Trotzdem sind sie da, die Stoffe, die Verbrauchern Angst machen. Dazu gehören auch geduldete Zusatzstoffe zur Konservierung oder Rückstände beispielsweise von Pestiziden und Weichmachern, die manchem den Appetit verderben. Besorgte Bürger rufen dann gerne bei einer der Verbraucherzentralen an. Vor allem Pestizide spielen oft eine Rolle, aber: «Aus unserer Sicht sind Pestizidrückstände nicht das höchste Risiko im Nahrungsmittelbereich», sagt Frank Waskow von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. So habe es in den vergangenen Jahren viel seltener Überschreitungen der Höchstgrenzen gegeben. Immer häufiger kämen jedoch Mehrfachrückstände vor.
Nicht nur auf einzelne Wirkstoffe schauen
«Gerade bei Pestiziden wird nur der einzelne Wirkstoff angeschaut», kritisiert Christiane Huxdorff, Expertin für Nachhaltige Landwirtschaft bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. «Es wird nicht bewertet, wie sich mehrere Pestizide zusammen auswirken.» Auf Trauben hat Greenpeace beispielsweise Rückstände von 15 unterschiedlichen Pestiziden festgestellt. «Da ist wirklich noch Handlungsbedarf», sagt Huxdorff. Als positives Beispiel nennt die Expertin die Summengrenzwerte für Trinkwasser.
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In Sachen Weichmacher gebe es dagegen noch einiges zu tun, ergänzt Waskow. Zu den am häufigsten eingesetzten gehört DEHP, etwa, um den Gummi in Schraubglasdeckeln geschmeidig zu halten. Er steht unter anderem im Verdacht, Diabetes und Atemwegserkrankungen wie Asthma sowie Unfruchtbarkeit bei Männern hervorzurufen. In Spielzeug und Babyartikeln ist DEHP schon verboten. In Nahrungsmittelverpackungen werden DEHP und andere Weichmacher aber noch immer eingesetzt. «Weichmacher gehen gerne dahin, wo Fett ist», warnt Huxdorff.
Verbraucher meiden Inhaltsstoffen mit E
Ein anderer Angstmacher sind Konservierungsstoffe. Viele Verbraucher meiden mittlerweile Produkte mit nummerierten Inhaltsstoffen, denen der Buchstabe E vorangestellt wird. «Deswegen geht der Trend dahin, dass Hersteller chemische Konservierungsstoffe aus ihren Produkten verbannen», hat Waskow beobachtet. Im Allgemeinen stellen Konservierungsstoffe aber kein gesundheitliches Risiko dar.
«Konservierungsstoffe sind toxikologisch geprüft und gesundheitlich unbedenklich», betont er. Lediglich bei kleinen Gruppen der Verbraucher gebe es gesundheitliche Auswirkungen, zum Beispiel bei Allergikern. Um Unverträglichkeitsreaktionen zu vermeiden, sollten Verbraucher schon bei ihren Kindern darauf achten, was sie ihnen zu essen geben, betont Huxdorff.
Besser frisch zubereiten
Die gleiche Aufmerksamkeit braucht aber auch der Körper Erwachsener. Um Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen von Nahrungsmittelzusätzen zu schützen, werden Grenzwerte formuliert. Die sind in der Regel so niedrig angesetzt, dass eine enorme Überschreitung der Werte nötig ist, um dem Körper zu schaden. «Gesetzlich festgelegte Grenzwerte beschreiben nicht die Grenze zwischen giftig und nicht giftig», erklärt Hensel. «Es sind politisch gemachte Handelsstandards, die aber selbstverständlich gesundheitliche Aspekte berücksichtigen.» Weil die gesetzlich festgelegten Grenzwerte jedoch für unerwünschte Stoffe in Lebensmitteln manchmal überschritten werden, denke der Verbraucher, alles sei kontaminiert und daher gefährlich.
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Wer auch auf die gesetzlich erlaubten Mengen verzichten will, hat einige Möglichkeiten. «Je mehr Verarbeitungsschritte für ein Nahrungsmittel nötig sind und je aufwendiger es produziert wurde, umso mehr Hilfsstoffe wurden eingesetzt», sagt Huxdorff. Das heißt: Weniger Konservierungsstoffe nimmt zu sich, wer das Mittagessen selber zubereitet, statt ein Fertiggericht in die Mikrowelle zu schieben. Weichmacher lassen sich meist vermeiden, indem man Wurst und Käse lose an der Theke einkauft.
Um Rückstände von Pestiziden zu umgehen, sollten möglichst viele Biolebensmittel im Einkaufswagen landen. 100-prozentig sicher ist auch das nicht - aber immerhin 87 Prozent der untersuchten Bioprodukte aus Deutschland hatten keine Pestizidrückstände, der Rest zeigte nur geringe Spuren, so eine Greenpeace-Studie. «Die Geiz-ist-geil-Mentalität verhindert qualitativ hochwertige Produkte», sagt Huxdorff. Statt nur aufs Geld zu achten, sollten Verbraucher möglichst regional, saisonal und bio kaufen, rät sie. (dpa)