Hattingen. . Den Metzgern geht der Nachwuchs aus, aber nicht der Kunde. Die jüngsten Lebensmittel-Skandale verunsichern zwar die Verbraucher. Aber die Lust auf Rippchen und Mettwurst ist noch immer groß. Die Frage nach der Herkunft der Ware wird einem Fleischermeister aus Hattingen jedoch kaum gestellt.

Fleisch hat ein Image-Problem, nicht erst seit gewissenlose Geschäftemacher das Pferd in die Lasagne mogelten. Fleischlos scheint das Gebot der Stunde zu sein. Weil das irgendwie ehrlicher, ökologischer, gesünder, ethisch einwandfreier sein soll. Fast könnte man meinen, die Zukunft gehöre Vegetariern, Veganern und Frutariern. Aber das ist nicht so. Jedenfalls noch nicht.

Denn allen wissenschaftlichen Ratgebern, Gesundheitsaposteln und hippen Rezeptbüchern zum Trotz haben die Deutschen Lust auf Fleisch. Laut deutschem „Fleischatlas“ essen 85 Prozent der Bevölkerung täglich oder fast täglich Fleisch und Wurst. Das mag daran liegen, dass diese Produkte zumindest im Supermarkt unerhört (oder unverschämt) billig sind. Aber es liegt wohl auch: am Geschmack.

Michael Müller (37) lebt von der Lust der Bürger auf Fleisch. Wie schon sein Vater, sein Opa und sein Uropa. Natürlich ist der Fleischermeister ein Werbeträger seiner Branche, der keine Loblieder auf das vegetarische Leben singen darf. Aber der Umgang mit Rippchen, Kassler, Speck und Mettwurst ist für den Hattinger eine wahre Freude.

"Fleisch ist etwas Wertvolles"

„Fleisch ist etwas Wertvolles“, sagt Müller. Er isst es jeden Tag. Ein Vegetarier, findet er, lebt permanent im Zustand des Verzichts. Lebensmitteldesigner können sich aus Tofu, Johannisbrotkernmehl, Weizeneiweiß, Gewürzen, Gemüsen und diversen anderen Zutaten etwas zusammenbauen, das an Gulasch, Frikadellen oder Braten erinnert. „Aber das ist immer nur ein Ersatz“, sagt Müller. „Das wird nie zu Fleisch, das erreicht nie diesen Biss, diese Saftigkeit, diesen Geschmack.“ In der Pfanne und auf dem Grill, finden Fleisch-Fans, scheitert das Veggie-Schnitzel.

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Die Skandale um Pferdefleisch, Gift-Futter, Dioxine und Gammelwaren prallen offenbar weitgehend an den 47 Fleischer-Innungen in NRW ab. Zwar sinkt die Zahl der Fleischereibetriebe im Land, derzeit sind es rund 1200. „Aber das hat nichts mit der finanziellen Situation zu tun, sondern damit, dass manche Fleischermeister einfach keinen Nachfolger für ihren Betrieb finden“, sagt Adalbert Wolf, stellvertretender Landes-Innungsmeister.

Verbraucher kaufen bewusster ein

„Natürlich verunsichern die vielen Fleisch-Skandale die Verbraucher sehr. Ein Effekt dieser Verunsicherung ist, dass die Leute bewusster einkaufen“, erklärt Christian Deppe vom Fleischerverband NRW. „Unser Betrieb hat heute mehr Umsatz als vor zehn Jahren“, unterstreicht Michael Müller. Ein bis zwei Rinder und 20 Schweine in der Woche verarbeiten die Müllers. Tiere aus der Region, vom Bauern nebenan. Das alte Fleischer-Handwerk sieht sich in einer Zeit, in der das Vertrauen in Discounter- und Supermarkt-Ware abnimmt, eher im Vorteil. Obwohl Steaks, Schinken und Wurst im Fachgeschäft keine Billig-Lebensmittel sind. Im Einkauf muss Michael Müller etwa 30 Prozent mehr für Fleisch bezahlen als die industrielle Konkurrenz.

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Fleischer werben damit, dass sie jederzeit erklären können, aus welchen Ställen ihr Fleisch stammt. Ernährungswissenschaftler und Verbraucherschützer empfehlen jedem Kunden, auch wirklich danach zu fragen. Aber die Kunden fragen gar nicht. Müller: „Sehr selten will jemand wissen, wo das Fleisch herkommt, obwohl das ja kein Geheimnis ist.“

Die Lieblingswurst der Deutschen

Michael Müller redet so gern über Fleisch wie ein Whisky-Kenner über Single Malt oder ein Somellier über Grauburgunder. Er liest in einer Rinderhälfte wie in einem Buch, erkennt an Farbe und Biegungsgrad von Knochen Alter und Geschlecht eines Tieres. Im Kühlraum baumeln Salamis neben Blutwurst und polnischen Knackwürsten. Ach ja, und die Fleischwurst, die ist sein Steckenpferd. Die Lieblingswurst der Deutschen. Die kleine Kinder an der Theke verführt und Opa nachts zum Kühlschrank lockt.

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Von Matthias Korfmann und Christopher Onkelbach

Mit Fleischwürsten kann der Fleischer trefflich experimentieren. Er kann das Fleisch „kuttern“ (zur breiigen Masse zerkleinern) und „wolfen“ (durch den Wolf drehen), er nimmt Schwein und Rind, Pfeffer, weitere Gewürze und auch Nitritpökelsalz. Da werden jetzt wieder einige entsetzt aufschreien und von Teufelszeug reden. Muss das da rein? „Naja, das hat auch etwas mit der Farbe zu tun. Kein Mensch will eine Fleischwurst, die so aussieht wie ein Gelbwurst“, erzählt Müller.