Berlin. Online-Flirt-Seiten versprechen die große Liebe. Doch stattdessen gibt es häufig (Ent-)Täuschungen. Ein Insider offenbart die Abläufe.
Die Online-Dating-Plattform Lovoo betrügt möglicherweise im großen Stil ihre Kunden. Diese Nachricht dürfte in der vergangenen Woche mindestens neun Millionen Deutsche verunsichert haben – denn so viele sind laut Branchenverband Bitkom schon einmal im Internet auf Partnersuche gegangen. Die Lovoo-Betreiber sollen seit zwei Jahren etliche Profile von attraktiven Frauen angelegt haben, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Das legen E-Mails und Daten nahe, die der Redaktion des Computermagazins c’t von einer anonymen Quelle zugespielt worden seien. Die Mails stammen den Angaben zufolge aus der Geschäftsführung. Darin könne man nachlesen, dass diese erfundenen Frauen automatisiert die Lovoo-Seiten dating-williger Männer besucht haben sollen.
Die Hoffnung stirbt auch bei Dating-Portalen zuletzt
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Wollten die Männer erfahren, wer dort Interesse an ihnen bekundet hatte, mussten sie zahlen. Antworten erhielten die Männer auf ihre Kontaktversuche natürlich nie – aber bevor darüber Frust aufkommen konnte, hatte schon die nächste vermeintliche Flirtpartnerin angeklopft, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ein niederträchtiges Spiel, sollten die Vorwürfe stimmen, aber auch ein einträgliches: Um die 5000 Euro täglich habe diese Masche den Betreibern zeitweise zusätzlich eingebracht bereichtet die c’t.
Das Unternehmen wies die Vorwürfe entrüstet zurück – alles nur ein Missverständnis. So recht glauben mag man dieses Dementi aber nicht, zumal Recherchen des Magazins den Verdacht zu belegen scheinen. Das Problem ist aber: wirklich beweisen lässt sich das nicht. Dazu müsste man tatsächlich umfassenden Zugriff auf die Server des Portals haben – und den gewährt man natürlich nicht. Tatsächlich gibt es diesen Verdacht beim Online-Dating immer wieder: Steckt hinter dem Profil wirklich die attraktive Schönheit, die den Nutzer vom Profilbild aus anlächelt?
So ziehen Kontaktbörsen den Nutzern das Geld aus der Tasche
Michelle Apate würde das vermutlich ganz klar verneinen. Sie ist eigentlich ein Mann und schlüpfte im Auftrag einer Online-Kontaktbörse in die Rolle ausgedachter Frauen und chattete mit Männern. Insgesamt vier Monate arbeitete Apate für eine kleinere Plattform im deutschen Raum, bevor er ausstieg. Auf der Blogger-Konferenz „re:publica“ berichtete er von seinem Job als „Internet-Kontaktmarkt“ -Schreiber – mit Perücke und Maske verkleidet, denn eigentlich darf er gar nicht über seine Tätigkeit sprechen.
Gerade kleinere Portale seien auf Schreiber wie ihn angewiesen, erzählte Apate dieser Zeitung am Rande der Konferenz: „Damit eine Seite attraktiv ist, braucht sie weibliche Mitglieder, weil das Geld geben Männer zwischen 40 und 70 und darüber hinaus aus. Wer auf Anzeigen für ,Heiße Frauen in Deiner Gegend’ klickt, hat hohe Chancen, in einer solchen Falle zu landen.“ Apate gab sich zeitweise für zwölf verschiedene Frauen gleizeitig aus. Die Masche war immer dieselbe: „Es gibt einen begrenzt kostenlosen Zugang, in der der Nutzer bearbeitet wird, Kunde zu werden. Und dann kostet jede Minute. Es gibt Kunden, die für einen Monat das 5000-Euro-Paket gekauft haben, um mit Frauen in Kontakt zu kommen.“
„Meine liebsten Identitäten waren verheiratete Frauen mit Kindern"
Die Frauenprofile bastelten sich die anonymen Schreiber aus unterschiedlichen Versatzstücken aus dem Web zusammen, sagt Apate: „Man sucht sich auch Identitäten aus dem Netz, nimmt Fotos von Amateurpornoseiten“. Die Bilder würden dann noch einmal gespiegelt, damit sie bei einer Suche nach dem Bild nicht auffliegen. „Meine liebsten Identitäten waren verheiratete Frauen mit Kindern. Da ist es nicht so schwer, Entschuldigungen zu finden. Der Kunde will ja telefonieren, skypen, sich irgendwann mit einem treffen.“
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Doch dazu kommt es natürlich nie. Stattdessen gilt es, den Kunden so lange wie möglich bei der Stange zu halten, um ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen. „Wenn man ansonsten merkte, dass die Frustration bei einem Mann einsetzte, hat man ihn eben mit einer anderen Identität neu angeschrieben.“ Acht bis 21 Euro erhielten Apate und seine Kollegen je nach Umsatz pro Stunde, die Männer zahlten für den Betrug nicht selten Tausende Euro pro Monat.
Apate glaubt allerdings nicht, dass alle Datingseiten ihre Kunden hinters Licht führen: „Bei den Großen ist es sicher so, dass die keine bezahlten Schreiber einsetzen. Da gibt es dann höchstens das Risiko, an echte Personen mit falschen Absichten zu geraten. Bei mittelgroßen mit einigen Zehntausend Mitgliedern bin ich mir nicht so sicher.“
Diese Anzeichen sollten beim Online-Flirt misstrauisch machen
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Das Beispiel von Lovoo zeigt allerdings, dass auch große Dienste – Lovoo hat nach eigenen Angaben immerhin 36 Millionen Nutzer in 17 Ländern – möglicherweise tricksen.
Natürlich gibt es Millionen aufrichtige Menschen auf Partnersuche im Netz, ein gesundes Misstrauen sollte man sich bei der Suche allerdings erhalten. Das beginnt laut Apate schon bei den Fotos: „Die allermeisten echten Kontaktsuchenden haben keine professionellen Erotikfotos von sich.“ Wer also perfekt ausgeleuchtete Hochglanzbilder geschickt bekommt, sollte zumindest aufmerksam werden. Wird im Chat gleich zuerst nach dem Wohnort gefragt, könnte es sein, dass sich die Chatpartnerin oder der Chatpartner anschließend einen Wohnort in der Nähe ausdenkt. Besser mit der Gegenfrage antworten: „Wo kommst du denn her?“.
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Typisch für einen gespielten Chatpartner ist auch die Weigerung, auf andere, kostenlose Kontaktmöglichkeiten wie Telefon, Skype oder Mail auszuweichen. Schließlich soll der Kunde im kostenpflichtigen Dienst gehalten werden. „Immer wieder Ausreden und Hinhalten warum es mit einem Treffen nicht klappt“, sei ebenfalls typisch für einen falschen Kontakt.
Letztlich sollte man auch bei zu unkritischen Frauen stutzig werden, sagt Michelle Apate: „Wenn eine 18-Jährige sich darauf stürzt, einen 60-Jährigen unbedingt kennen lernen zu wollen, sollte das misstrauisch stimmen.“