Essen. “Aufstehen gegen Rechtsextreme“ fordern Promis und Politiker. Doch wie funktioniert das im Alltag und jenseits großer Bühnen? Experten geben Tipps.

Udo Lindenberg will, dass "wir uns gemeinsam erheben", Toten-Hosen-Frontmann Campino fordert, dass "die Gesellschaft dagegenhält". Zahlreiche Promis haben in den vergangenen Tagen dazu aufgerufen, Rechtsextreme in die Schranken zu weisen. Doch wie funktioniert das im Alltag, jenseits großer Bühnen?

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Nicht jeder fühlt sich dazu berufen, mit der Antifa nach Heidenau zu fahren und sich Neonazis direkt in den Weg zu stellen. Doch es gibt andere Mittel und Wege, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren.

Überlassen Sie Nazis nicht die Debatte

Im Netz gegen "besorgte Bürger" und Rechtsextreme zu argumentieren, ist nie erfreulich und selten erfolgreich. "Die wollen sich nicht überzeugen lassen", glaubt Dieter Frohloff von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Arnsberg. Wenn das fremdenfeindliche Weltbild erst einmal steht, können Argumente und Fakten es kaum erschüttern.

Trotzdem rät er dazu, solchen Thesen entschieden entgegenzutreten, zumindest auf seriösen Webseiten: Jedes fremdenfeindliche Posting, jeder Hass-Kommentar, der unwidersprochen bleibe, gebe schließlich nicht nur dem Schreiber das Gefühl, im Recht zu sein, sondern bestärke auch Zweifler. Er rät aber davon ab, in weniger seriösen Foren unter seinem Klarnamen mit Rechtsextremen zu debattieren. Damit begebe man sich unter Umständen in die Gefahr, selbst zur Zielscheibe der Rechten zu werden.

Wer rechtsextremes Gedankengut in Facebook-Kommentaren finde, solle sich nicht scheuen, diese Beiträge zu melden, sagt Patrick Fels von der Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Köln. Facebook tut sich damit zwar derzeit schwer, solche Beiträge konsequent zu löschen, "doch je mehr Nutzer sich beschweren, desto größer die Chance, dass die Betreiber ihre Haltung überdenken", sagt Fels.

Zeigen Sie Nazis, dass sie in der Minderheit sind 

Demonstrationen, Kundgebungen, Straßenfeste: In vielen Städten organisieren Vereine, Verbände oder Kirchen Aktionen, um zu zeigen: Hier gibt es keinen Platz für Rechtsextremisten. "Demokraten dürfen den Nazis nicht die Straße überlassen", sagt Frohloff. In einigen Vierteln hätten Rechte es sich zum Ziel gesetzt, Angsträume zu schaffen, in denen sich andere nicht mehr auf die Straße wagten. Ein von einem breiten Bündnis getragenes Straßenfest signalisiere: "Das lassen wir uns nicht bieten." Doch er weiß auch: "Solche Veranstaltungen leben davon, dass viele Menschen teilnehmen."

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Je mehr Menschen sich dort zeigen, desto deutlicher wird Rechtsextremen gezeigt, dass sie mit ihrer menschenfeindlichen Gesinnung in der Minderheit sind. Das geht natürlich auch im Stadion: Dort zeigten zuletzt Fans von Borussia Dortmund auf riesigen Transparenten, was sie von fremdenfeindlicher Gesinnung halten.

Eingreifen oder nicht?

Die schwierigste Situation: Sie beobachten, wie Rechte einen anderen Menschen bedrohen oder schikanieren. Soll man eingreifen? Und wie geht das, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen? Es seien zwei Fehler, die in solchen Situationen immer wieder gemacht würden, sagt Frohloff: "Wegsehen oder den Helden spielen."

Besser sei es, in solchen Fällen Unterstützung zu suchen, notfalls per Augenkontakt. Treten mehrere Menschen gemeinsam den Angreifern entgegen, sinke die Wahrscheinlichkeit, selbst angegriffen zu werden. Eher ergriffen die Täter die Flucht.

Zivilcourage: Sechs Regeln für den Ernstfall

Ich helfe, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen.

Ich fordere andere aktiv und direkt zur Mithilfe auf.

Ich beobachte genau und präge mir Tätermerkmale ein.

Ich organisiere Hilfe unter Notruf 110.

Ich kümmere mich um die Opfer.

Ich stelle mich als Zeuge zur Verfügung.

In jedem Fall sollten Betroffene die Polizei rufen. Die Zeugenaussage kann helfen, Täter zu fassen und zu verurteilen. So helfen Sie dem Opfer, denn er oder sie hat nicht das Gefühl, alle anderen hätten weggeschaut. Und außerdem zeigen Sie den Tätern: Ihr könnt hier nicht machen, was ihr wollt!

Wer Angst hat, dadurch selbst ins Visier von Rechtsextremen zu geraten, findet Hilfe bei Beratungsstellen.

Solidarisieren Sie sich mit anderen Menschen

In Ihrer Nachbarschaft treiben sich häufiger Menschen rum, deren Kleidung und Musikgeschmack an Neonazis erinnert? Wer sich dem entgegenstellen will, solle sich mit möglichst vielen anderen Menschen zusammenzutun, rät Berater Frohloff. Zum Beispiel mit Nachbarn oder auch lokalen Initiativen, die sich gegen Rechts engagieren. So sei es für die Rechten schwerer, Einzelpersonen ins Visier zu nehmen.

"Man muss den Rechten zeigen, dass sie nicht willkommen sind", sagt er. Manchmal könne man sich auch an den Vermieter wenden. "Oft wissen die gar nicht, wen sie sich ins Haus geholt haben." Doch eine Garantie für einen schnellen Abzug der Rechten sei das nicht: "Rechte Gesinnung allein reicht nicht für eine Kündigung." Erst wenn die Rechten verbotene Flaggen zeigten oder sich etwas anderes zu Schulden kommen ließen, könne der Vermieter sie rauswerfen.

Verbreiten Sie keine Gerüchte und klären Sie auf

Häufig sind es Gerüchte, die fremdenfeindliche Ressentiments befeuern: Die Nachbarin, die erzählt, ihr Schlachter habe gehört, schon wieder hätten Ausländer... Solche Geschichten sind Wasser auf die Mühlen von Nazis und "besorgten Bürgern". Bei genauerer Prüfung bleibt meist nicht viel von ihnen übrig. "Lassen Sie solche Geschichten nicht so stehen", rät Frohloff, "Sprechen Sie die Menschen, die so etwas verbreiten, offen an."

Es sei dringend nötig, mit rassistischen Vorurteilen aufzuräumen. Dazu helfe es, wenn man einige wichtige Fakten und Zahlen im Kopf habe. Man dürfe dabei aber nicht verleugnen, dass es auch kriminelle Ausländer gebe.

Engagieren Sie sich für Flüchtlinge

"Wer sich gegen Rechts engagieren will, tut das am besten, indem er sich vor Ort für eine Willkommenskultur einsetzt", sagt Patrick Fels von der der Kölner Rechtsextremismus-Beratungsstelle. So helfe man denen, die dringend Hilfe benötigen.

So könnten sich auch diejenigen engagieren, denen es an der Zeit fehle, gleich ein ganzes Straßenfest zu organisieren. Welche Form von Hilfe in Ihrer Stadt benötigt wird, steht in dieser Übersicht.

Keine Zeit? Spenden Sie!

Nicht jeder hat Zeit und Möglichkeit, selbst aktiv zu werden. Helfen können Sie trotzdem. Obwohl viele Beratungsstellen und Organisationen durch öffentliche Mittel gefördert werden, sind die meisten von ihnen auf Spenden angewiesen. Davon finanzieren Sie ihre Beratungsangebote oder Info-Materialien.

Eine Übersicht über die verschiedenen Angebote in NRW finden Sie in dieser Broschüre, Kontonummern und Bankverbindungen finden Sie auf den Internetseiten der jeweiligen Vereine und Verbände.

Promi-Front gegen Rechts

"Es ist absolut zum Kotzen. Aber während wir hier diese Sendung haben, laufen da draußen sogenannte 'besorgte Bürger' und rechte Wichser rum, die Flüchtlingsheime anzünden und hetzen gegen Leute, die ganz dringend unsere Hilfe brauchen. Seid laut gegen diese Leute." © dpa
"Denkt nicht, dass ihr die Mehrheit seid. Entfolgt uns bei Twitter, entfreundet uns bei Facebook, boykottiert unsere Show", fordern Joko und Klaas von rechten Hetzern. "Denn keine Fernsehquote, kein Shitstorm kann jemals so schlimm sein wie der Applaus von Leuten, die auch dann laut klatschen, wenn ein Flüchtlingsboot mit 800 Menschen im Mittelmeer versinkt." © dpa
"Wir müssen klare Haltung zeigen und denen, die Flüchtlinge bedrohen oder angreifen, deutlich machen, dass sie gegen eine Wand laufen. Und wenn sie das nicht begreifen wollen, dann müssen sie damit rechnen, dass wir ihnen an die Wäsche gehen", sagte Herbert Grönemeyer. © dpa
 Ärzte-Sänger Farin Urlaub:
Ärzte-Sänger Farin Urlaub: "Solange es Leute gibt, die nichts können, nichts wissen und nichts geleistet haben, wird es auch Rassismus geben. Denn auch diese Leute wollen sich gut fühlen und auf irgendwas stolz sein. Also suchen sie sich jemanden aus, der anders ist als sie, und halten sich für besser. Oder sie sind bekloppterweise stolz darauf, deutsch zu sein, wozu keinerlei Leistung ihrerseits nötig war." © dpa
Moderatorin Dunja Hayali wird oft genug wegen ihrer Abstammung beschimpft. Für sie aber besonders unerträglich: Die
Moderatorin Dunja Hayali wird oft genug wegen ihrer Abstammung beschimpft. Für sie aber besonders unerträglich: Die "Ja, aber..."-Kommentare: "'Ich hab ja nichts gegen Flüchtlinge, aber...' ABER WAS??? Es gibt KEINE Asylschmarotzer. Das Asylrecht ist ein Menschenrecht.“ © dpa
"Wir brauchen eigentlich eine eigene sprachliche Kategorie für diese neue Dimension des inhumanen Arschlochtums", sagte Oliver Kalkofe über die rechten Randalierer. "Denken wir doch mal darüber nach und schämen uns so lange einfach, mit solchen Menschen-Darstellern in einem Land leben zu müssen". © dpa
Als
Als "empathieloses Pack" bezeichnete Schauspieler Til Schweiger all jene, die sich über sein Treffen mit Vize-Kanzler Gabriel und seine Pläne von einem "Vorzeige"-Flüchtlingsheim belustigten. "Anstatt uns bei einer extrem wichtigen Sache zu unterstützen, gießt ihr eure Häme aus! Schämt euch!", ärgerte sich Schweiger. © dpa
"Eine bunte Republik ist selbstverständlich. Und daher erheben wir uns auch gemeinsam gegen dieses Pack, gegen diese Idioten in Orten wie Freital und Heidenau", sagte Udo Lindenberg. © imago
Auch Campino rief dazu auf, sich gegen rechte Hetze zu stellen:
Auch Campino rief dazu auf, sich gegen rechte Hetze zu stellen: "Dieser Hass kann zur Mainstream-Gesinnung werden. Sprüche, die bisher tabu waren, werden plötzlich gesellschaftsfähig, ohne dass jemand aufschreit. Da muss die Gesellschaft dagegenhalten." © Ralf Rottmann / WAZ FotoPool
Rea Garveys Botschaft:
Rea Garveys Botschaft: "In jedem Land gibt es Idioten. Aber wenn die laut sind, dann müssen wir lauter sein!" © Ingo Otto
Ausländerhass hat auch bei Schauspieler Sky du Mont keinen Platz.
Ausländerhass hat auch bei Schauspieler Sky du Mont keinen Platz. "Wenn wir eins nicht brauchen, so sind das ewig Gestrige, die sich mit ihren dumpfen Parolen gegen Flüchtlinge wenden." © Kerstin Bögeholz / WAZ Fotopool
"Alle Anfeindungen und Beschimpfungen bei uns müssen aufhören. Wir müssen lernen, mit irrationalen Ängsten umzugehen", forderte Schauspielerin Natalia Wörner. © dpa
"Flüchtlinge gehören zu uns" - klare Worte auch von Benno Fürmann. Der Schauspieler ist der Meinung: "Wir dürfen nicht wegsehen, sondern müssen helfen." © imago
"Tatort"-Kommissarin Friederike Kempter ist "angeekelt" von der "Nazi-Krekele". "Ich appelliere an Menschlichkeit und an Solidarität unter Menschen, und zwar Menschen auf der ganzen Welt", sagte sie.
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