Essen. In einem Praxistest haben wir mehrere eindeutig rassistische und beleidigende Einträge bei Facebook gemeldet. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Nicht nur vor Flüchtlingsheimen skandieren "besorgte Bürger" ihr rechtsextremes Gedankengut, sondern sie verbreiten es häufig auch in sozialen Medien. Bundesjustizminister Heiko Maas hat deshalb Facebook für den angeblich zu laxen Umgang mit extremistischem Gedankengut kritisiert.
Das Unternehmen räumt laut Medienberichten Fehler bei der Löschung von rassistischen Inhalten ein. "Es ist bedauerlich, dass gelegentlich Fehler gemacht werden. Wir wissen, dass dies frustrierend sein kann", sagte ein Sprecher. Er erklärte, dass für das Löschen von rassistischen Inhalten nicht die deutschen Mitarbeiter zuständig seien, sondern Teams im Ausland. Diese suchten nicht gezielt nach Einträgen mit fremdenfeindlichem Inhalt.
Nutzer posten rechtsextremes Gedankengut unter Klarnamen
Wir haben einen Praxistest gemacht und mehrere Kommentare sowie ein Video gemeldet. Viele Facebook-Nutzer posten gewaltverherrlichende, rassistische oder beleidigende Kommentare dabei sogar unter ihrem Klarnamen. Wir haben uns dazu entschieden, die Nachnamen zu verpixeln bzw. abzukürzen.
Das gemeldete Video zeigt einen Mann hinter dem Steuer eines Reisebusses. Er spricht ins Mikrofon: "Alle Ausländer sofort einsteigen. Wir fahren nach Auschwitz." Danach reckt er den rechten Arm zum "Hitler-Gruß" hoch. Dennoch stelle das Video keinen Verstoß gegen die Richtlinen dar, so die Facebook-Entscheidung. Mittlerweile ist das Profil des Nutzers Gunnar V., der das Video hochgeladen hatte, nicht mehr verfügbar. Sein Arbeitgeber, eine Gerüstbaufirma aus Pirna in Sachsen, distanziert von den Ansichten des Mitarbeiters.
Auch an den Kommentaren "Warum nicht gleich mit dem Schrotgewehr rein [in ein Flüchtlingsheim] und ein paar von den Ars******ern umlegen dann wird schnell Ruhe sein !!!!" und "Bei Rußbolzen und Moslemen würde ich nicht zögern sondern es mit Freude machen,je mehr je besser !!!!" fand Facebook nichts, was den "Gemeinschaftsstandards" des Unternehmens widerspreche.
Ebenfalls den Gemeinschaftsstandards entspricht demnach der Kommentar, in dem ein Nutzer sich enttäuscht darüber zeigt, dass nach Bekanntwerden des Flüchtlingsdramas in einem Lkw in Österreich zunächst 50 tote Flüchtlinge gemeldet wurden und nicht noch mehr.
Bei den Kommentaren "Adolf erwache", "Die Fettesau wird in ein paar Jahren von Volkerszorn geschlachtet" (über Sigmar Gabriel) und "Einfach ein Hurenkind" (über Cem Özdemir) steht die Entscheidung seitens Facebook noch aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Unternehmen hier einen Verstoß gegen seine Richtlinien feststellt. Wir werden den Text aktualisieren, sobald Facebook seine Entscheidung getroffen hat.
Update 31.08.: Am Wochenende kam die Rückmeldung seitens Facebook, dass auch die anderen gemeldeten Kommentare keinen Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards darstellen.
Update 9.09.: Mittlerweile hat Facebook seine Entscheidung bezüglich des Videos mit dem "Hitler-Gruß" revidiert. Bei sämtlichen anderen gemeldeten Einträgen sieht Facebook jedoch weiterhin keinen Verstoß gegen die Richtlinien des Netzwerks.
SPD und Grüne fordern härteres Vorgehen von Facebook
Deutsche Politiker verstärkten in dieser Woche den Druck auf Facebook, härter gegen hetzerische Einträge gegen Flüchtlinge vorzugehen.
Die Grünen-Politikerin Renate Künast forderte Facebook am Freitag auf, Flüchtlinge in den "Gemeinschaftsstandards" des Online-Netzwerks in die Kategorie der geschützten Gruppen aufzunehmen.
"Außerdem sollten ab jetzt deutsche Facebook-Teams gezielt auf dieses aktuelle Problem angesetzt werden", erklärte die Vorsitzende des Justizausschusses.
Facebook schützt Flüchtlinge nicht eigens vor Diskriminierung
Nach den "Gemeinschaftsstandards" des Online-Netzwerks sind Hassbotschaften verboten, die sich auf "Rasse, Ethnizität, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität oder schwere Behinderungen oder Krankheiten" beziehen. Die sehr heterogene Gruppe der Flüchtlinge ist in der Liste der geschützten Gruppen nicht ausdrücklich aufgeführt.
Dass Facebook inzwischen Fehler eingeräumt hat, begrüßte Künast. Das Unternehmen müsse aber jetzt auch handeln und "dafür Sorge tragen, dass fremdenfeindliche Äußerungen auf ihren Seiten schnellstens verschwinden".
Justizminister Maas will mit Facebook reden
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte Facebook bereits am Mittwoch aufgefordert, die Verbreitung von Hassbotschaften durch Nutzer konsequenter zu stoppen. Auf seine Einladung zum Gespräch reagierte das Unternehmen positiv. (sjb/mit dpa)