Essen. Das Recht auf den selbstbestimmten Tod: Experten bemängeln, dass der Wille von Patienten trotz entsprechender Verfügung zu selten durchgesetzt wird. Was Sie zum Thema Vorsorge und Patientenverfügung wissen müssen.
Der Wille des Patienten muss von den Ärzten befolgt werden, sonst machen sich Ärzte strafbar. Doch es sieht oft anders aus, sagt Wega Wetzel von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS): „Viel zu häufig passiert es, dass der Wille trotz Patientenverfügung nicht umgesetzt wird.“
Dann wird die Apparatemedizin eingesetzt. Dr. Matthias Thöns, Palliativmediziner aus Witten: „Wir sollten einfach nicht auf Teufel komm raus diagnostizieren und therapieren. Sobald ein Patient voraussichtlich nur noch ein Jahr zu leben hat, sollte man unbedingt an eine palliativmedizinische Versorgung denken - und rechtzeitig an ein Patientenverfügung.“
Wie kompliziert es aber ist, den Willen des Patienten auch mit Patientenverfügung zu erkunden, beschreibt Prof. Ulrich Kampa, Leiter der Intensivstatin am Evangelischen Krankenhaus in Hattingen. „Der Patient kann ja, als er die Verfügung aufgesetzt hat, nicht wissen, in welche Situation er kommt. Wenn die Grundsitutation also anders ist als angenommen, gilt auch alles andere nicht mehr.“
"Was wünscht man sich vom Leben?"
Sätze wie „Wenn keine Aussicht auf Leben besteht, möchte ich keine Apparatmedizin und keine künstliche Ernährung“, seien zu schwammig. Denn Aussicht auf Leben bestehe in den meisten Fällen. Kampa rät: „Bevor man die Patientenverfügung aufsetzt, sollte sich Gedanken über die Lebensqualität machen. Sich fragen: Was wünscht man sich vom Leben? Und was ist man bereit zu akzeptieren.“
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Will man weiterleben, auch wenn man nicht mehr selbstständig essen oder trinken kann, nicht mehr schlucken kann, nicht mehr laufen oder sprechen kann? Die Ärzte, so sagt Kampa, könnten sich dann ein Bild machen. Nicht ganz einfach, aber machbar, auch wenn es manchmal Tage dauere zu einem Ergebnis zu kommen. Noch komplizierter sei es, wenn keine Patientenverfügung vorhanden ist. „Dann versuchen wir uns im Gespräch mit den Angehörigen eine Meinung zu bilden.“ Auch wenn eine Patientenverfügung häufig schwer zu interpretieren ist – es ist wichtig, eine zu haben, sagt der Arzt: „Das Vorhandensein allein signalisiert schon, dass sich der Patienten Gedanken gemacht hat und dass es Grenzen gibt für sein Leben.“ Die Vorwürfe, Ärzte würden auch gebrechliche alte Menschen wiederbeleben, kennt Kampa.
"Not kennt kein Gebot"
Als Arzt einer Intensivestation lautet sein Motto: „Not kennt kein Gebot.“ In der Akutsituation, wenn der Mensch sich nicht äußern kann und die Patientenverfügung nicht greifbar ist, müssten alle lebenserhaltenen Maßnahmen eingesetzt werden. . „Wenn man dann am nächsten Tag erfährt, dass dieser Mensch das so nicht wollte, muss man den Prozess rückgängig machen.“ Grenzen zu erkennen. Das ist auch für Ärzte nicht leicht. Sie sind dafür ausgebildet, Leben zu retten, sagt Dr. Marianne Kloke, Leiterin der Palliativmedizin am Hyssenstift, Klinikum Essen-Mitte. Aber ärztliche Aufgabe sei auch die Sorge für ein friedliches Sterben. „Auch Ärzte müssen loslassen können.“
Schwer genug sei es oft. Kloke berichtet von einer krebskranken Frau, 36 Jahre alt.„Bei den Chemotherapien kam es drei Mal zu schweren Komplikationen. Also haben wir sie abgesetzt.“ Weitergeführt wurde die Schmerztherapie. „Und ich gab ihr das Versprechen, dass ich mich jeden Tag um sie kümmern werde. Dass unser gemeinsames Ziel ist, jeden Tag, den sie noch hat, so gut wie möglich zu gestalten.“ Als die Ärztin zu ihr ins Zimmer trat, lag die Frau da mit ihrem fünfjährigen Sohn. „Beide schnarchten vor sich hin. Es war so ein großartiges Bild.“
Keine Therapie auf Biegen und Brechen
Lebensqualität sei das Gebot, nicht Therapie auf Biegen und Brechen. Lebensqualität bedeute herauszufinden, was sich der Patient noch wünscht. Ihn nicht zu sedieren, dass er nichts mehr spürt, sondern eine seriöse Schmerztherapie einzuleiten, die den Sterbenden nicht in die Apathie schickt. „Eine Patientin wollte noch mal nach Paris. Was war das für eine aufwändige Versorgung. Wir haben ihr fast ein halbes Krankenhaus ins Auto gepackt, damit sie los konnte. Aber es war ihr größter Lebenstraum.“ Wenn der Mensch nicht mehr leben will, müsse der Arzt den letzten Weg mit ihm gehen, sagt Kloke. So besonders er auch sein mag. Ein Patient wollte ins Musical. Eine Dame wünschte sich noch mal etwas Wellness. Sie wurde gebadet, mit Aroma-Ölen eingerieben und in ein Badetuch gewickelt. Als die Tochter sie in den Arm nahm, habe sie gesagt: „So muss mich Mama auch gehalten habe, als ich getauft wurde.
Was Sie über Verfügungen wissen müssen:
Mann und Frau, sie sitzen sich gegenüber. So viele gemeinsame Jahre der Ehe, doch jetzt erst trauen sie sich, über Krankheit und Tod zu sprechen. Über das, was zu regeln ist, wenn einer der Partner dazu nicht mehr in der Lage ist. Wer kümmert sich um die Pflege des anderen, das Geld, das Haus? Wer trifft die Entscheidungen? Was ist mit dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben, mit der Menschenwürde am Ende des Lebens, wenn der Wille ist: Schaltet mich ab. Das Nachdenken über Vollmachten oder Patientenverfügungen setzt oft erst im Alter ein – ein Fehler, sagt Kai Neuvians, Rechtsanwalt und Notar aus Dortmund. Was Sie wissen müssen über die Vorsorge für Alter, Krankheit und Unfall.
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Die Vorsorgevollmacht
Mit ihr können Menschen festlegen, wer für sie entscheiden soll, wenn sie durch Krankheit oder Unfall nicht mehr dazu in der Lage sind. „Viele glauben, dass der Ehepartner oder die Kinder im Notfall automatisch zur rechtlichen Vertretung berechtigt sind. Das ist aber nicht der Fall. Rein rechtlich sind Partner oder Kinder nicht besser gestellt als Fremde“, sagt Kai Neuvians. Ohne Vollmacht übernimmt zunächst der Staat (Betreuungsgericht) die rechtliche Vertretung und bestimmt einen Betreuer.
Das regelt die Vollmacht:
Es gibt nur wenige Rechtsbereiche, in denen Bevollmächtigte nicht handeln können. Dazu gehört die Heirat, das Verfassen eines Testaments oder das Wahlrecht. „Alles andere kann übertragen werden“, sagt Neuvians – Vermögensvorsorge, medizinische Fürsorge, Aufenthaltsort oder Postwesen. Bei extremen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte – etwa bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen – muss die Vollmacht eindeutige Aussagen beinhalten. Auch wenn die Vollmacht über den Tod hinaus gelten soll, muss dies vermerkt sein.
So verfassen Sie die Vollmacht: Soll die schriftliche, unterschriebene Ausfertigung rechtssicher sein, müssen Bedingungen erfüllt sein. Notare, Betreuungsvereine, Krankenkassen oder Ärzte bieten ihre Hilfe an, mitunter kostenlos.
Was Sie beachten sollten: Rechtlich muss die Vollmacht dann von einem Notar beglaubigt sein, wenn sie Kauf oder Verkauf einer Immobilie abdecken soll. In der Praxis aber verlangen auch Banken oder Behörden oft eine beglaubigte Vollmacht. Wichtig: Der Bevollmächtigte muss wissen, wo er das Dokument im Notfall finden kann.
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Die Betreuungsverfügung
Die schriftlich abgefasste, mit Datum, Ort und Unterschrift versehene Betreuungsverfügung gibt Menschen die Möglichkeit, eine von ihnen gewünschte Person zum rechtlichen Betreuer zu bestimmen, den das Gericht im Betreuungsfall einsetzen soll. Im Unterschied zur Vorsorgevollmacht räumt die Betreuungsverfügung einem Dritten keine Vollmacht ein. Anders als der Bevollmächtigte wird der Betreuer vom Gericht auf Eignung geprüft und kontrolliert.
Die Patientenverfügung
Mit ihr trifft man Entscheidungen im Bereich der medizinischen Versorgung im Voraus für den Fall, dass man später nicht mehr in der Lage dazu ist – etwa bei der Frage, ob lebensverlängernde Maßnahmen bei unheilbaren Krankheiten durchgeführt werden sollen.
Das Ziel der Verfügung:
Sie richtet sich in erster Linie an Ärzte und Behandlungsteams und in zweiter Linie an bevollmächtigte oder gesetzliche Vertreter. „Ärzte, Pfleger und Bevollmächtigte oder Betreuer sind rechtlich verpflichtet, den Patientenwillen durchzusetzen, wenn dieser genau bezeichnet ist“, sagt Rechtsanwalt und Notar Andreas Lohmeyer, Experte für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen aus Hagen.
Worauf Sie achten müssen:
Die medizinisch-juristischen Formulierungen müssten so abstrakt wie möglich und so konkret wie nötig sein, um alle Eventualitäten abzudecken, rät Lohmeyer. Die Verfasser sollten keine Auslegungsfragen oder Widersprüche in einzelnen Festlegungen zulassen. Das Verfassen sei eine schwierige Gratwanderung, die möglichst mit einem Arzt abgestimmt werden sollte. Rechtsanwälte und Notare, Hospizvereine, kirchliche Einrichtungen oder die gemeinnützige „Bundeszentralstelle Patientenverfügung“ bieten – meist gegen Gebühr – Hilfe an. Das Bundesjustizministerium rät zu einer zusätzlichen Beschreibung persönlicher Wertvorstellungen, Einstellungen zum eigenen Leben und Sterben sowie religiöser Anschauungen – als Auslegungshilfe.
(In Zusammenarbeit mit der Westfälischen Notarkammer)