Essen. . Viele haben einen Organspendeausweis im Portemonnaie, mancher hat auch eine Patientenverfügung im Nachttisch. Nur wenigen dürfte aber klar sein, dass sich beide Papiere nur schlecht miteinander vertragen. Wir erklären, was zu beachten ist.

Mit einer Patientenverfügung kann ein Patient seinen Willen für den Fall äußern, dass er aufgrund akuter Verletzung oder Erkrankung dazu selbst nicht mehr in der Lage ist. Er kann bestimmen, welche Behandlungen er wünscht und welche er ablehnt. Außerdem kann der Patient – am besten mit einer kombinierten Vorsorgevollmacht – eine Vertrauensperson bestimmen, die ihn gegenüber Ärzten und Pflegeteams vertritt (wir berichteten).

Viele Betroffene lehnen in ihrer Verfügung lebensverlängernde, intensivmedizinische Maßnahmen ab. Ist der Patient aber gleichzeitig Organspender, kann es zu Konflikten kommen. Der Grund: Organe für Transplantationen dürfen erst bei einem nachgewiesenen Hirntod entnommen werden. Um das Absterben der Organe zu verhindern und ihre Transplantationsfähigkeit zu erhalten, müssen die Lebensfunktionen des Organspenders bis zur Feststellung des Hirntods künstlich aufrechterhalten werden.

Wie ist die Rechtslage?

Rechtlich gilt: Bevollmächtigte, Betreuer, Ärzte und Pfleger müssen die Patientenverfügung umsetzen, wenn darin der Wille eindeutig bezeichnet ist. „Es ist nicht erlaubt, die Bereitschaft zur Organspende höher zu bewerten als die Vorgaben der Patientenverfügung“, sagt Rechtsanwalt und Notar Peter Schmitz.

DOS empfiehlt Hinweis im Ausweis

Hat der potenzielle Organspender weder Spenderausweis noch Patientenverfügung samt Aussagen zur Spendebereitschaft, müssen die Angehörigen über eine Spende entscheiden.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DOS) empfiehlt jenen Besitzern eines Organspendeausweises, die auch eine darauf abgestimmte Patientenverfügung verfasst haben, einen entsprechenden Hinweis in dem Ausweisfeld „weitere Anmerkungen“.

Am Ende würde das bedeuten: „Wer ohne weitere Zusätze lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt, kann seinen Organspendeausweis im Prinzip auch vernichten. Im Ergebnis kommt es auf das Gleiche heraus.“ Entsprechend müsste jeder Besitzers eines Oranspendeausweises ein Interesse an einer eindeutigen Regelung haben.

Wie gehen Ärzte mit dem möglichen Widerspruch um?

Mediziner, Juristen und Ethiker haben sich im Auftrag der Bundesärztekammer mit dem Problem beschäftigt und im März 2013 ein Arbeitspapier erstellt, das Orientierung geben soll: Bei einem vermuteten Hirntod halten die Experten demnach den in der Patientenverfügung ausgedrückten Wunsch nach Therapiebegrenzung für durchaus vereinbar mit der Bereitschaft zur Organspende und der dafür erforderlichen kurzzeitigen Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen bis zur Feststellung des Hirntodes. „Patientenverfügung und Organspendeerklärung sind Mittel, den Patientenwillen festzustellen.

Der Patient hat beide Erklärungen verfasst. Daher müssen beide bei der Feststellung des Patientenwillens berücksichtigt werden“, heißt es. Eine isolierte Betrachtung der Patientenverfügung ohne Rücksicht auf die Organspendererklärung würde dem Willen des Patienten nicht gerecht werden. „Die Organspendeerklärung kann nicht durch die hypothetische Annahme entkräftet werden, dass sich der Patient über die Notwendigkeit der Fortsetzung intensivmedizinischer Maßnahmen nicht im Klaren gewesen sei“, heißt es in dem Papier.

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Anders sei dies, wenn die Ärzte vermuten, dass der Hirntod erst „in wenigen Tagen“ eintreten wird. Eine Fortführung der intensivmedizinischen Behandlung würde den Sterbeprozess um den schwer vorhersehbaren Zeitraum bis zum Eintritt des Hirntodes verlängern. „Daher kann in diesen Fällen nicht schon aus der Organspendeerklärung des Patienten abgeleitet werden, dass er mit der Fortführung intensivmedizinischer Maßnahmen einverstanden ist. Eine Entscheidung hierüber ist folglich mit dem Patientenvertreter und den Angehörigen des Patienten zu suchen.“

Als „rechtlich unzulässig und ethisch nicht vertretbar“ werten die Experten die Reanimation eines Patienten, der zwar seine Organspendebereitschaft dokumentiert, einer Reanimation in der Patientenverfügung aber widersprochen hat.

Was ist von dem Papier zu halten?

Es ist umstritten und keineswegs allgemein anerkannt. „Nur der Gesetzgeber kann das Dilemma wirklich auflösen“, sagt Schmitz.

Was kann ich selbst tun, das Dilemma aufzulösen?

„Mit einer Organentnahme kann ich mich auch in einer Patientenverfügung ausdrücklich einverstanden erklären“, sagt Peter Schmitz. Ergänzend empfiehlt er folgenden Passus: „Komme ich nach ärztlicher Beurteilung bei einem sich abzeichnenden Gehirntod als Organspender in Betracht und müssen dafür kurzfristig zur Erhaltung der Lebensfunktionen ärztliche Maßnahmen durchgeführt oder aufrecht erhalten bleiben, dann geht meine Bereitschaft zur Organspende bis dahin vor.“ Ebenfalls möglich sei es, die Entscheidung, ob Patientenverfügung oder Organentnahme vorgehen soll, an Bevollmächtige oder Betreuer zu delegieren.