Essen. Die Essener Metal-Weltstars Kreator laden zum Heimspiel. Bandchef Mille über Liebe im Thrash, den bandeigenen Dämon und übelriechendes Bier.
„Hate über alles“ heißt das aktuellen Album der Thrash-Metal-Band Kreator, die sich Anfang der 80er-Jahre in Essen-Altenessen gründete. Metal-Fans rund um den Globus schütteln dazu seit der Veröffentlichung im vergangenen Sommer ihr Haar. Bevor die Truppe um Bandchef und Mastermind Miland „Mille“ Petrozza (55) bald u.a. durch Nord- und Südamerika tourt, steht im März ein Heimspiel an. Stefan Moutty sprach mit Mille zuvor über seine eigenen Fan-Erfahrungen in der Grugahalle und die Dualität von Liebe und Hass.
Im März spielen Kreator zum zweiten Mal in der Grugahalle. Beim ersten Mal waren 5000 Fans da. Wie viele erwartet ihr jetzt?
Mille Petrozza: Wir rechnen diesmal mit einer ausverkauften Halle, also mit 7000 Fans. Es gibt jetzt auch nur noch wenige Tickets. Wir werden aber einen Livestream vom Konzert machen – die Leute können also auf der ganzen Welt das Konzert in der Grugahalle sehen.
Euer erster Auftritt in der Grugahalle liegt sechs Jahre zurück. Es war dein Traum, dort mal zu spielen – war es so gut, wie du erhofft hast?
Ja, es war richtig geil. In der Grugahalle zu spielen ist für uns wie ein Heimspiel, weil natürlich auch viele Freunde und Bekannte im Publikum sind. Das gibt dir nochmal eine andere Energie auf der Bühne. Das war auch letztes Jahr beim Konzert der Broilers im Stadion so, wo ich einen Gastauftritt hatte – weil du ganz genau weißt, da sind ganz viele Leute aus der Stadt da.
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Welche Konzerte hast du selbst früher als Fan in der Grugahalle gesehen?
Zum Beispiel Judas Priest oder auch Slade im Vorprogramm von Whitesnake. Ich habe bestimmt so ca. 50 Konzerte in der Grugahalle erlebt. Früher haben die großen Bands dort ja noch gespielt, jetzt gehen die alle nach Dortmund oder nach Oberhausen in die Arena. Von daher ist es gut, dass wir das ein bisschen wiederbeleben und den Metal zurück in die Grugahalle bringen.
Wie war das, als du Judas Priest in der Grugahalle gesehen hast – klassisch mit Vorglühen auf dem Parkplatz?
(lacht) Nein, da war ich noch ganz klein, da hab ich noch nicht vorgeglüht. Ich glaube, ich war damals erst 14 oder so, das war eines meiner ersten Konzerte. Damals haben Def Leppard und Accept im Vorprogramm gespielt. Ich hab bei Konzerten aber eigentlich noch nie viel Alkohol getrunken, weil ich die Bands bewusst erleben will. Klar kam es in späteren Jahren mal vor, dass ich bei Konzerten was getrunken habe. Aber da ich auch kein Bier mag, kam schnell die Frage, „Was soll ich denn jetzt hier trinken?“
Du hast nie Bier getrunken?
Inzwischen trinke ich gar keinen Alkohol mehr, aber Bier sowieso nie. Ich mochte das vom Geschmack her einfach nicht – das riecht ja schon so komisch.
Setliste mit Songs von allen 15 Alben
Eure Konzerte in der Grugahalle sind etwas Besonderes. Plant Ihr wieder eine spezielle Show?
Natürlich wollen wir noch mal einen draufsetzen. Beim letzten Mal haben wir noch mit LED-Wänden gearbeitet, das machen mir aber mittlerweile zu viele. Deshalb wollen wir zurück zu einer klassischen Metal-Show mit Backdrops, theatralischen Effekten, viel Pyro und Feuer – es wird auf jeden Fall nochmal fetter als beim letzten Mal. Ich muss mich aber immer daran erinnern, dass es in erster Linie ja um die Musik geht. Deshalb arbeiten wir gerade an einer tollen Setliste, die all unsere Phasen und möglichst viele unserer 15 Alben beinhaltet.
Bei Iron Maiden hat Maskottchen Eddie immer seine Auftritte auf der Bühne. Gab‘s mal Pläne, so etwas mit eurem Dämon zu machen?
Das ist nicht nur eine Überlegung, das passiert jetzt auch. Wir haben ein riesiges Drum-Podest gebaut, wo unser Schlagzeuger Ventor quasi im Dämon sitzt. Das sieht sehr opulent aus. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das auf der Tour jetzt schon zum Einsatz kommt. Das Teil ist aufblasbar und wird von einer Firma gemacht, die auf so etwas spezialisiert ist. Es kann sein, dass es erst zur Festivaltour im Sommer fertig wird.
Die Liebe steckt zwischen den Zeilen
Euer aktuelles Album heißt „Hate über Alles“ – wobei ihr den Hass im gleichnamigen Song natürlich nicht propagiert, sondern kritisiert. Theoretisch könnte man also auch eine positive Botschaft formulieren. Wieso habt Ihr das Album nicht „Love is the answer“ genannt?
(lacht) Meiner Meinung nach wird manchmal so getan, als ob Hass gar kein menschliches Gefühl ist, sondern eine Erfindung der Metal-Lyriker. Hass ist immerhin das zweitstärkste Gefühl nach der Liebe. Wir leben ja in einer Polarität, es gibt immer zwei Seiten der Medaille, und Hass ist eine davon. Natürlich ist es wie du sagst, dass Liebe die Antwort ist. Wir lieben Musik, wir lieben das Leben und wir zelebrieren das Leben. Und das ist auch die Botschaft, die in den Kreator-Texten steckt – man muss nur zwischen den Zeilen lesen. Aber wir spielen natürlich mit diesen Begriffen, wir haben da unser Vokabular gefunden – und „Hate über alles“ klingt einfach martialischer als „Love über alles“. Das würde nicht zu uns passen.
Als weltweit agierende Band ist bei euch das Interesse der Presse entsprechend groß. Wie viele Interviews hast du im letzten Jahr zum neuen Album gegeben?
Gute Frage … das waren sicher Hunderte. Allerdings habe ich glücklicherweise Musiker in der Band, die auch Bock auf Interviews haben. Viele Journalisten wollen natürlich mit mir sprechen, wegen der Texte und des Songwritings. Aber die anderen entlasten mich schon so ein bisschen.
Tour durch über 20 Länder
Ihr geht ab Februar auf eine lange Tour – 66 Konzerte stehen bisher schon auf dem Programm. Wie bereitest du dich darauf vor?
Für die anderthalb Stunden, die ich auf der Bühne stehe, brauche ich Energie. Und dementsprechend bereite ich mich natürlich vor. Ich mache bestimmte Übungen im Gym, ich mache bestimmte Yogaübungen und trainiere Atemtechniken. Ich habe Vocalcoachings bekommen von befreundeten Musikern und Musikerinnen. Die haben mir Tipps gegeben, wie ich meine Stimme gestalte. Für die Tour gilt: ein bis anderthalb Stunden Sport am Tag, viel Yoga, viel Ausruhen und wenig sprechen.
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Ihr tourt durch über 20 Länder – ist die Logistik nicht sehr aufwendig?
Das ist genau das, was anstrengend ist. Du hast gerade, ich sag jetzt mal in Brasilien, vor mehreren 1000 Leuten auf der Bühne gestanden. Am nächsten Morgen geht aber um 5 Uhr wieder der Wecker, und du liegst um 2 Uhr noch wach wegen des Adrenalin hast. Trotzdem musst du pünktlich in der Lobby sein, weil‘s dann zum Flughafen geht. Das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Aber das ist halt etwas, wofür man fit sein muss.
Zur Erholung nur nach Essen
Ihr seid auch in politisch mitunter weniger stabilen Ländern unterwegs. Aktuell steht zum Beispiel Peru auf dem Plan. Gab’s schon mal brenzlige Situationen?
Die gab es schon häufig, wir sind ja seit den 90ern zum Beispiel auch in Südamerika unterwegs. Gleich bei unserem ersten Konzert in Venezuela gab es Schießereien. In diesen Ländern spürt man einfach einen anderen Vibe, aber ich habe mich noch nie wirklich bedroht gefühlt. In Chile mussten wir mal ein Konzert abbrechen, weil so viele Fans auf die Bühne gestürmt sind, dass die Lichtanlage zusammenzubrechen drohte. Mittlerweile spielen wir aber in größeren Hallen und arbeiten mit anderen Partnern, die darauf achten, dass sowas möglichst nicht mehr passiert.
Du hast neben deiner Wohnung in Essen auch einen Wohnsitz in Berlin. Wohin kehrst du von einer langen Tour wie der anstehenden zurück, um dich zu erholen?
Nach Essen, auf jeden Fall. In Essen kann ich mich besser erholen als in Berlin. Ich bin ultragern in Essen, das ist eine tolle Stadt – und völlig unterschätzt, wie das Ruhrgebiet generell. Nach Berlin gehe ich, wenn ich Input brauche oder an Projekten arbeite. Dort sind viele Produzenten, mit denen ich arbeite, und mittlerweile hab ich da auch einen großen Freundeskreis. Wenn ich in Essen bin, mache ich eher auf ruhig und konkretisiere Ideen.
Kreator live – mit Lamb of God und Municipal Waste: 4.3., 18 Uhr, Essen (Grugahalle), Karten ca. 52 €.