Essen. Iron-Maiden-Sänger Bruce Dickinson ist stolz auf das neue Album „Senjutsu“: „einzigartig“ nennt er es. Und spricht im Interview auch über Politik.

Bruce Dickinson (63) ist ein Mann der alten Schule. Kein neumodisches Videokonferenzprogramm, sondern das gute alte Telefon ist des Sängers Kommunikationsmittel der Wahl, um mit Steffen Rüth über „Senjutsu“, das neue und siebzehnte Studioalbum von Iron Maiden zu sprechen.

„Senjutsu“ ist 82 Minuten lang. Die Songs sind komplex, es geht sehr detailreich auf und ab, die Platte nimmt immer wieder unerwartete Wendungen. Was haben Sie sich dabei gedacht?

Dickinson: Och, wir hatten überhaupt nichts Spezielles im Sinn. Wir wollten einfach nur ein interessantes Album machen. Wir alle in der Band hatten bei der Arbeit an „Senjutsu“ schon ein sehr einzigartiges, ein sehr besonderes Gefühl. Alle wissen, was Maiden für ein Biest ist, und wir wissen es auch, und trotzdem hat man innerhalb seines Rahmens sehr viel Platz, um Neues auszuprobieren.

Viele der neuen Songs wirken wie düstere Endzeiterzählungen. Trifft der Eindruck zu?

Teil, teils. „The Writing On The Wall“ zum Beispiel ist ein Blick zurück und einer in die Zukunft. Ich spreche über die Generation, die im Zweiten Weltkrieg gekämpft hat und die unsere Freiheiten gesichert und das ökonomische Nachkriegswunder ermöglicht hat. Die Frage ist: Was machen wir jetzt? Mit der ganzen Technologie, mit unserem Lebensstil? Wie soll das alles weitergehen?

Und?

Oh, ich liefere keine Antworten. Ich stelle nur Fragen. Sie zu beantworten, ist nicht mein Job. Ansonsten würde ich bei den Wahlen antreten. Alles, was Musik tun kann, ist Entscheidungsmöglichkeiten anzubieten und dir Sachen zu geben, über die du nachdenken kannst, wenn du das willst.

Bruce Dickinson: „Churchill hat eine ganze Nation inspiriert“

In „Darkest Hour“ erzählen Sie von Winston Churchill. Was inspiriert Sie an ihm?

Der Song beschäftigt sich damit, wie ein Mann zahlreichen Unzulänglichkeiten zum Trotz, eine Entscheidung getroffen hat, die im Prinzip die ganze Welt gerettet hat. Nämlich sich nicht Nazi-Deutschland zu ergeben, sondern zu kämpfen. Churchill war ein starker Melancholiker, aber trotz allem hat er eine ganze Nation inspiriert, sich dunklen Mächten in den Weg zu stellen. Und er hatte Erfolg.

Bräuchten wir jemanden wie Churchill in der heutigen Politik?

Wenn es doch nur so einfach wäre. Führungsqualitäten sind immer relativ. Manchmal brauchst du einen charismatischen Optimisten an der Spitze, manchmal kann dir eher ein Technokrat helfen. Beides zugleich geht meistens nicht.

Sie leben in London und haben seinerzeit offen den Brexit unterstützt. Würden Sie heute anders entscheiden?

Eindeutig nein. Ich stehe zu meiner Entscheidung.

Iron Maiden ist eine der größten Heavy-Metal-Bands der Welt. Können Sie nachvollziehen, wenn Leute sagen, dass Rockmusik heute nicht mehr die Relevanz früherer Tage hat?

Diese Menschen muss ich nur zu einem unserer Konzerte einladen, und sie sind für immer bekehrt.

„Mädchen und Jungs überall auf der Welt fühlen sich von Iron Maiden angezogen“

Wenn Sie heute ein 13-jähriger Junge wären: Würden Sie Iron Maiden cool finden?

Unbedingt! Kids, Teenager, Mädchen, Jungs, überall auf der Welt fühlen sich von Iron Maiden angezogen. Wir sind einfach verdammt gut. Wir haben auf der Bühne immer schon das ganz große Drama, die ganz große Show geboten.

Unter Schüchternheit haben Sie nie gelitten, oder?

Nee. Ich bin schon ein ziemlich extrovertierter Knabe. Ich stehe darauf, wenn alles laut ist und knallt. Ich liebe die guten alten Explosionen auf der Bühne. Aber du musst das alles in einen Rahmen einpassen. Wir sind keine Poser. Wir sind musikalische Geschichtenerzähler mit einem Faible für Dramatik.

Sie sind auch Pilot und fliegen die Boeing 747, in der die Band von Show zu Show reist, traditionell selbst. Auch 2022 wieder?

Nein, den Jet haben wir nach unserem Konzert in Göteborg 2016 ausrangiert. Weil er beschädigt war, wegen der Umwelt und auch, weil es unpraktisch ist, immer ein Flugzeug an der Backe zu haben.

Aber es war schon ein tolles Bild, das um die Welt ging, wie euer Flugzeug neben der kleinen Maschine von Angela Merkel auf dem Zürcher Flughafen stand.

Oh Mann, ja. Sah das nicht verdammt cool aus (lacht)? Aber nun ist Ed Force One Geschichte.