Essen. Thomas Such war Bergmann, als er vor vier Jahrzehnten Sodom gründete. Am 14.8. spielen die Thrash-Metal-Pioniere in Essen

Er hat Fans rund um den Globus, ist dem Revier aber bis heute treu geblieben. Thomas Such alias Tom Angelripper zählt mit seiner Band Sodom zu den Weltstars des Thrash Metal. Von Sibirien bis Südamerika stand der Gelsenkirchener bereits auf der Bühne – bald endlich auch wieder in Essen. Dort begann einst die Geschichte von Sodom, wie der 58-Jährige im Interview mit Stefan Moutty erzählt.

Sie spielen mit Sodom in der Dubois-Arena in Essen-Borbeck. Kennen Sie die Location?

Da war ich noch nie. Aber wir sind froh über das Konzert. Ich hab’ ja auch einen Bezug zu Essen – da hab ich damals Sodom gegründet, mit Chris Witchhunter. Frank Blackfire war auch Essener, ich war der einzige Gelsenkirchener in der Band.

Das war 1982. Damals haben Sie noch unter Tage gearbeitet, oder?

Ja, ich war Grubenschlosser, auf Zeche Hugo in Buer. Ich bin ja Bueraner. Das war unsere Haus-und-Hof-Zeche, ich musste nur über die Straße. Mein Vater wollte unbedingt, dass ich da anfange. Mein Onkel war Steiger. Und, Zack, war ich da. Ich bin bis 1989 geblieben.

Ist Ihnen die Entscheidung leicht gefallen, auf die Musik zu setzen?

Überhaupt nicht, mein Vater war gar nicht dafür – ich hab‘ ihm auch nichts davon erzählt. Auf dem Weg zum Pütt hab ich mir spontan gesagt, „Ich geh‘ nicht mehr.“ Ich bin einmal um die große Laterne vor der Zeche gelaufen, zurück nach Hause und hab mich ins Bett gelegt. Später hab’ ich den Steiger angerufen und gesagt, ich komm nicht mehr. Ich wollte einfach Musik machen, beides ging nicht mehr.

Denken Sie manchmal an die Zeit zurück?

Ja, sicher hängt mein Herz daran. Es war eine harte und auch ungesunde Arbeit. Trotzdem vermisst man das, die Kollegen, die Kameradschaft. Vor drei Jahren hab ich nochmal ’ne Grubenfahrt gemacht, auf Prosper in Bottrop. Alleine dieser Geruch, wenn du unten ankommst – Staub, Rost, Schweiß, Prise, also Schnupftabak. Da kommen alle Erinnerungen wieder hoch, sagenhaft.

Wann wurde aus Thomas Such Tom Angelripper?

Ganz am Anfang, als wir die Band gegründet haben. Das war damals modern, da haben wir uns auch Pseudonyme ausgedacht. Der Gitarrist hieß Aggressor, der Chris war dann halt der Witchhunter. Warum auch immer, vielleicht gab’s mal einen Film der so hieß.

Man sagt, Sodom waren damals Satanisten ...

Ach, was heißt Satanisten?! Wir waren halt so’n bisschen okkult unterwegs. Wir haben uns aus Holz ein Pentagramm gebastelt, in den Proberaum gehängt und Bier getrunken. (lacht) Das ging aber nur bis 85, 86, dann haben wir die Themen geändert. Richtige Satanisten waren wir nicht, wir haben keine Kirche angesteckt, oder so. Ich finde das sowieso albernes Zeug. Letztendlich zählt die Musik, die man macht. Und Texte, die ein bisschen tiefgründiger sind und auch was erzählen können.

Bei Ihrem Anti-Kriegs-Song „Ausgebombt“ hat damals auch Bela B von den Ärzten mitgesungen. Gibt’s noch Kontakt?

Weniger, ab und zu mal übers Internet. Früher war er mal Metal-Fan weiß nicht, ob er’s noch ist. Als wir damals in Berlin im Studio waren, hat er uns besucht. Ich hab’ gesagt, „Komm, sing mit!“. Da waren die Ärzte ja noch total cool. Und Bela fand immer gut, was wir gemacht haben.

Udo Jürgens dagegen soll eure Version von „Aber bitte mit Sahne“ nicht gefallen haben …

Ja, das war 1993, es gab Probleme mit dem Musikverlag. Wir haben aus einem Schlager eine Metal-Version gemacht. Das hat denen wahrscheinlich nicht gepasst. Markus Lanz wollte Udo Jürgens und mich deswegen in seine Talkshow einladen. Udo Jürgens hat abgelehnt, ich hatte aber auch keinen Bock ’drauf.

Besser lief es später mit Roberto Blanco, oder? Mit dem habt ihr „Ein bisschen Spaß muss sein“ gespielt.

Ja, wir haben mit ihm einen Spot zum Thema Alzheimer gemacht. Roberto Blanco geht versehentlich in einen Club, wo eine Metal-Band spielt. Er kommt auf die Bühne und weiß gar nicht, was los ist. Das haben wir live bei einem unserer Konzerte gedreht, und die Leute wussten wirklich nicht, dass er auf die Bühne kommt. Im Backstagebereich haben wir schon vorher mit ihm gedreht, eine total coole Sau. Ich hab’ Ehrfurcht vor ihm, der ist ja jetzt auch schon über 80 und immer noch gut drauf.

Für die beiden letzten Sodom-Alben gab’s den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. War das eine späte Genugtuung?

Ach was, ich brauch’ keine Genugtuung. Ich nehm‘ sowas zur Kenntnis, aber mehr auch nicht. Ich freue mich, dass die Platte gut läuft. Das gibt mir die Chance, eine neue zu machen, irgendwann.

Gab’s eine Verleihungsgala mit rotem Teppich?

Nein, nein, das kriegst du dann mal eingerahmt von der Plattenfirma geschickt. Aber beim Metal-Hammer-Award in Berlin hab‘ ich mal einen Preis gekriegt. Da musste ich auf die Bühne und eine Rede halten. Aber ich bin da nicht so für.

Sodom haben Fans auf der ganzen Welt. In welchen Ländern sind Sie schon aufgetreten?

Keine Ahnung, wir waren überall. Auf allen Kontinenten, außer in Afrika. In Russland bis hinten nach Sibirien, Asien, Japan ... In Mexiko waren wir 1990 die erste deutsche Metal-Band. In Südamerika fast überall – Ecuador, Peru …

Sodom live – bei einem der letzten Auftritte vor der Corona-Zwangspause: beim Nord-Open-Air Festival in Essen im Juli 2019.
Sodom live – bei einem der letzten Auftritte vor der Corona-Zwangspause: beim Nord-Open-Air Festival in Essen im Juli 2019. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Sie leben nach wie vor in Gelsenkirchen. Gab’s nie Pläne, wegzuziehen?

Nein, ich bin Bueraner, ich will hier nicht weg. Ich kenn’ viele, die nach Los Angeles oder so gezogen sind, aber für mich ist das nichts. Hier sind meine Freunde, meine Familie, hier hab’ ich mein Jagdrevier …

Sie sind Jäger?

Ja, seit 1992, da hab ich die Jägerprüfung gemacht.

Haben Sie ein eigenes Revier?

Ja, in der Nähe von Hattingen, Elfringhauser Schweiz. Man hat viel zu tun, das ist ja nicht nur den Finger krumm machen. Wenn man zehn Mal auf dem Ansitz ist, macht man vielleicht einmal Beute. Als im Mai, Juni z.B. die Wiesen gemäht wurden, haben wir die Kitze gesucht, um die vorm Mähdrescher zu retten. Ein Kollege hat so eine Wärmebilddrohne. Die Jagd ist mein Ausgleich, ich mache das leidenschaftlich gerne.

Sie sind 58. Machen sich Verschleißerscheinungen bemerkbar?

Ja, hab’ ich am Wochenende wieder gemerkt. Ich hab‘ einen Bandscheibenvorfall im Nackenbereich, das merkt man beim Headbangen.

Geht das dann überhaupt noch?

Irgendwie geht das. Der Arzt sagt natürlich, man soll es vermeiden. Aber man bangt ja automatisch. In dem Moment merkt man das gar nicht so, erst, wenn man nachher von der Bühne kommt. Es wird nicht besser im Alter …

Geht’s im Backstageraum auch entsprechend ruhiger zu?

Ja, natürlich. Wir trinken noch unsere Bierchen, das gehört sich ja so. Aber wir verwüsten den Backstageraum und Hotelzimmer nicht mehr .. (lacht)

Das haben Sie auch gemacht?

Ja, haben wir gemacht. Haben wir auch immer bitter bezahlen müssen (lacht). Aber in dem Moment denkt man ja nicht dran. Aber jetzt sind wir ja total vernünftig.

Sie sammeln historische Postkarten von Gelsenkirchen-Buer. Wie viele haben Sie schon?

Das müssten so 2000 sein, auch Fotos. Ich hatte irgendwann mal eine alte Postkarte von der Hochstraße in Buer in der Hand. Wie geil war das denn da? Kein Vergleich zu heute! Seitdem bin ich infiziert und hab gesammelt wie ein Irrer. Ich hab schon zwei Bücher veröffentlicht, das dritte ist in Planung.

Thomas Such alias Tom Angelripper mit einigen seiner historischen Postkarten. Rund 2000 hat er insgesamt.
Thomas Such alias Tom Angelripper mit einigen seiner historischen Postkarten. Rund 2000 hat er insgesamt. © FUNKE Foto Services | Sebastian Konopka

Wieviel hat Ihre teuerste Karte gekostet?

300 Euro, für eine Lithografie. Darf meine Frau aber nicht wissen … (lacht)

Interessieren Sie sich auch für andere alte Dinge?

Ich hab mir ein kleines Zimmer mit Jugendstil- und Gründerzeitmöbeln eingerichtet.

Dann schauen Sie sicher auch gerne „Bares für Rares“ …

Ja, gucke ich auch. Obwohl ich manchmal den Eindruck habe, die Verkäufer werden ganz schon abgezogen. Bei dem einen oder anderen könnte man sicher bei einer Auktion im Internet mehr rausholen. Ich will das nicht unterstellen, aber manchmal denke ich, dass die Händler sich untereinander absprechen. Also ich würde meine Sachen da nicht verkaufen. Wenn ich da mit meinen 2000 Buer-Karten hinkomme, geh ich nachher mit 100 Euro nach Hause. Mein Kollege sagt immer, jeden Morgen steht irgendwo ein Bekloppter auf. An dem Tag, an dem ich die Karte für 300 Euro gekauft, war ich das. Man muss nur den richtigen Sammler finden, dann kann man auch seine Sachen besser verkaufen.

Sodom live in Essen und Bochum – die Infos:

14.8. Essen (Dubois-Arena), Karten ca. 37 €: www.turock.de
29.12. Bochum (Zeche), 32,50 €: sodomized.info