Essen. Der Circus Roncalli will im März ‘22 seine zweijährige Zwangspause beenden. Im neuen Programm trifft moderne Technik auf Zirkuspoesie

Bei der letzten Roncalli-Tournee vor zwei Jahren überraschte Zirkusdirektor Bernhard Paul wieder einmal alle: Ein riesiger Elefant stapfte mitten in die Manege – und das, obwohl Wildtiere im Zirkus doch längst verpönt sind. Erst recht bei Roncalli. Die Lösung: Der imposante Dickhäuter bestand aus reinem Licht – ein tierisches Hologramm. Elf Projektoren ließen den Elefanten vor den staunenden Augen der Zuschauer aus dem Nichts entstehen – ein Showeffekt mit Wow-Effekt. Merke: Roncalli steht zwar für pure Zirkus-Nostalgie, deshalb verzichtet Bernhard Paul aber noch lange nicht auf modernste Technik.

Circus Roncalli: Tourneestart in Recklinghausen

Das nostalgische Zirkuszelt und die historischen Wagen waren freilich zuletzt genauso lange eingemottet wie das Hightech-Equipment: Zwei Mal musste Roncalli seine Tour absagen – die Gründe sind hinlänglich bekannt –, zwei Mal fieberten 120 Künstler, Musiker und Mitarbeiter dem Start umsonst entgegen. Der soll nun aber endlich im kommenden Jahr gelingen – und zwar, wie es schon Tradition ist, in Recklinghausen: Am 10. März steigt hier die Premiere des neuen Programms „All for Art for All“.

„Wir vermissen unser Publikum schon so lange und unser Publikum vermisst uns“, kommentierte Bernhard Paul schon vor Wochen die Auszeit und gab dabei einen Ausblick auf die Comebackshow: „Das neue Programm ist meine ganz persönliche Hommage an die Kunst und ihre großen Maler, Musiker und Filmschaffenden.“

Bauhaus-Ballet in der Manege

Die Roncalli’sche Zirkuspoesie ist diesmal gespickt mit Zitaten aus Malerei, Musik und Film. So haben sich die Kostümdesigner etwa von den Werken Piet Mondrians, Andy Warhols oder Frida Kahlos inspirieren lassen. Dazu wird eine Nachempfindung des „Triadischen Balletts“ von Bauhaus-Meister Oskar Schlemmer versprochen. Zirkusorchestral arrangierte Musik von Charlie Chaplin, David Bowie oder den Beatles begleiten die zahlreichen weitere Nummern internationaler Artisten.

Eine Roboterdame namens „Pauline“

Darunter auch eine, die bereits im letzten Programm spektakulär das Aufeinandertreffen von klassischer Zirkuskunst und moderner Technik versinnbildlichte: Mit „Pauline“ rollt dabei ein fast drei Tonnen schwerer Multifunktions-Roboter, wie man ihn aus der Industrie kennt, in die Manege. Entwickelt von Straßenkünstler und Showingenieur Ulrich Kahlert alias UliK, wird „Pauline“ zur Partnerin von Pole-Artist Paul Herzfeld, der an ihr akrobatische Künste zeigt. Bis zu neun Meter hebt ihn dabei die gleichermaßen gelenkige wie kräftige Roboterdame in die Lüfte. Für Bernhard Paul ist das innovative Duett die Hommage an einen Stummfilmklassiker: „Schon Charlie Chaplin kämpfte in ,Modern Times’ mit der Tücke moderner Maschinen.“

Paul Herzfeld im akrobatischen Duett mit Roboter „Pauline“.
Paul Herzfeld im akrobatischen Duett mit Roboter „Pauline“. © Roncalli | Roncalli

Liebestanz an den Strapaten

Keine Maschinen, sondern einzig der menschliche Körper steht beim Duo Yves und Ambra im Fokus – der weibliche und der männliche. Heißt: Es wird ganz schön heiß in der Manege, wenn „der spanische Adonis-Gladiator“, wie es bei Roncalli heißt, und „die wohl muskelbepackteste Aphrodite“ ihren „Liebestanz“ an den Strapaten präsentieren. Wer mag, kann das auch als Anlehnung an den Bondklassikers „Goldfinger“ verstehen, denn das Duo agiert in seiner Nummer „Golden Dreams“ im glänzend-goldenen Ganzkörper-Make-up.

Ziemlich sinnlich: Das Duo Yves und Ambra präsentiert „Golden Dreams“.
Ziemlich sinnlich: Das Duo Yves und Ambra präsentiert „Golden Dreams“. © Roncalli | BERTRAND GUAY

Weißclown trift Dummen August

Farbenfroher ist die Schminke wiederum bei einer circensischen Gilde, die seit jeher besondere Wertschätzung unter der Roncalli-Kuppel genießt: jene der Clowns. Selbst beim vornehmen Weißclown „Gensi“, in dessen kunterbunter Montur der Spanier Fulgensi Mestres steckt. Seit vielen Jahren ist er fester Bestandteil des Ensembles, und wie es sich für Weißclowns geziemt, ist er weniger für Lacher als für Poesie in der Manege zuständig. Den humorigen Part übernimmt an seiner Seite stets ein tollpatschiger „dummer August“.

Nachwuchs bei Clowns

Bei „All for Art for All“ ist dies Marco Antonio Vega alias Chistirrin. Der Mexikaner gilt als Shooting Star unter den circensischen Spaßmachern und betreibt die Kunst der Komik bereits in dritter Generation. Bernhard Paul selbst jedoch war es, der dem inzwischen 30-Jährigen, der auch Akrobat, Tänzer und Musiker ist, in einer dreijährigen Ausbildung den letzten Schliff verpasste. Dass er in seiner aufstrebenden Karriere zuletzt von Corona aus­gebremst wurde, hat er im Privatleben immerhin aufs Schönste kompensiert: Im vergangenen Dezember wurden er und seine Frau Ghyslaine Eltern des kleinen Maximiliano.

>>> Die Infos zur Tour des Circus Roncalli:

Termine: 10.3.-3.4. Recklinghausen (Konrad-Adenauer-Platz), 7.4.-22.5. Köln (Neumarkt), 26.5.-26.6. Düsseldorf (Rheinpark). Karten ab ca. 30 € gibt’s auf www.ruhrticket.de. Weitere Infos auf www.roncalli.de.