Düsseldorf. NRW und andere Länder fordern den Bund auf, Wildtiere aus Zirkussen zu holen. Städte wie Herne sind verunsichert, ob sie Verbote erlassen dürfen.
Die Städte in NRW sind zunehmend verunsichert, ob sie Zirkusbetrieben verbieten dürfen, mit exotischen Tiere wie Löwen oder Elefanten aufzutreten. Fast 30 Kommunen haben schon „Wildtierverbote“ eingeführt, allerdings nicht immer erfolgreich. Denn die Zirkusse berufen sich auf ihr Recht, exotische Tiere zeigen zu dürfen und haben damit Erfolg vor Gerichten. Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) hat jetzt wegen rechtlicher Bedenken einen einstimmigen Verbotsbeschluss des Herner Rates beanstandet. Das Bundeslandwirtschaftsministerium sagte dieser Redaktion, es prüfe Haltungsverbote im Zirkus für bestimmte Tierarten, zum Beispiel Giraffen.
Ist es noch zeitgemäß, dass ein Zirkus exotische Tiere wie Löwen, Bären oder Elefanten ausstellt? Etwa 30 kleine und große Städte in NRW haben diese Frage in den vergangenen Jahren mit Nein beantwortet, darunter Köln, Plettenberg, Viersen, Düsseldorf und zuletzt Herne. Aber Zirkusbetreiber wehren sich vor Gericht dagegen, und sie haben Erfolg.
Richter sagen: Zirkusse dürfen das
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Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied im Sommer gegen ein Wildtierverbot, das der Rat der Landeshauptstadt vor vier Jahren beschlossen hatte. Der Circus Busch dürfe mit Kamelen auftreten, so die Richter. Vielerorts in Deutschland sind Städte mit der Absicht, Wildtiere in Zirkussen zu verbieten, gescheitert.
Als Maßstab gilt ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg aus dem Jahr 2017. Die Richter kippten damals ein Wildtierverbot der Stadt Hameln, die einem Zirkus verbieten wollte, mit Zebras, Lamas und Kängurus aufzutreten. Solche Verbote, so das Gericht, griffen „unzulässig in die Freiheit der Berufsausübung von Zirkusunternehmen ein“. Wenn ein Zirkus die Erlaubnis habe, wilde Tiere mitzuführen, dann dürfe er auch städtische Grundstücke nutzen. Dieses klare Urteil dürfte auch Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) beeindruckt haben. Er kritisiert ein Wildtierverbot des Herner Rates: Die Stadt sei hier gar nicht zuständig und hätte das Verbot nicht beschließen dürfen. Im November soll der Rat seinen einstimmigen Beschluss korrigieren.
Tierschutzbund sieht „enormen Handlungsbedarf“
„Dass das Wildtierverbot der Stadt Herne nun offenbar gekippt werden soll, zeigt den enormen Handlungsbedarf an“, sagte James Brückner vom Deutschen Tierschutzbund dieser Redaktion. Viele Städte wollten „mit gutem Beispiel vorangehen“, doch ihre Verbote stünden juristisch auf wackeligen Beinen. Brückner sieht den Bund in der Pflicht, ein Wildtierverbot für Zirkusse einzuführen. „Doch die Regierung bleibt untätig, obwohl der Bundesrat sie bereits dreimal aufgefordert hat, ein bundesweites Verbot zu erlassen.“
Zirkusunternehmer meinen: Den Tieren geht es gut
Dieter Seeger, Chef des Verbandes deutscher Circusunternehmen, sagte auf Nachfrage, es gebe „keinen logischen und wissenschaftlichen Grund, Tiere in Zirkussen abzulehnen“. Nur in Einzelfällen ginge es diesen Tieren nicht gut, und gegen solche Betriebe müsse man auch konsequent einschreiten. Seeger spricht nicht von „Wildtieren“, sondern von „Tieren wildlebender Arten“ wie Raubkatzen. Sie seien „in menschlicher Obhut aufgewachsen und auf den Menschen geprägt“. Nur wenige Zirkusse in Deutschland hätten heute überhaupt noch solche Tiere, nur noch fünf präsentierten beispielsweise Elefanten.
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Aber der Druck auf die Zirkusunternehmen, auf Wildtiere zu verzichten, wird immer größer. Eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte dieser Zeitung, für Ministerin Julia Klöckner (CDU) sei es klar, dass manche Tierarten in der Manege nichts zu suchen hätten. „Wildtiere wie etwa Giraffen gehören nicht in den Zirkus“, so die Sprecherin. Julia Klöckner plane daher „den Einstieg in den Ausstieg einiger Tierarten im Zirkus in die Wege zu leiten“. Haltungsverbote würden geprüft.
Bundesländer erhöhen Druck auf die Bundesregierung
Die NRW-Landesregierung wollte sich nicht zu dem Problem äußern, aber die Agrarministerkonferenz der Länder hatte schon im April klargestellt, sie halte ein Wildtierverbot für „zwingend erforderlich“. Die Länder fordern die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass die strengen Regeln der Tierschutztransportverordnung künftig auch auf den Transport von Zirkustieren angewendet werden können.
Dieter Seeger vom Zirkusverband befürchtet nun, dass Julia Klöckner sich dem Druck von außen beugt. James Brückner vom Tierschutzbund hofft genau das.