Bochum. Gemeinschaftsgärten sprießen in der gesamten Region. Paradebeispiel: Der Alsengarten in Bochum.

Noch steht die „Grüne Oase“, wie Britta Meier und Bettina Marquardt das kleine gepachtete Grundstück nennen, nicht in ihrer vollen Blüte. Das große Staudenbeet lässt höchstens erahnen, dass hier Sonnenhut, Margeriten, Vergissmeinnicht und Schwertlilien dicht an dicht stehen. In der Kräuterspirale machen sich nur blütenloser Lavendel und Salbei breit. Die charakteristischen Blätter der Erdbeere sind im Hochbeet neben dem Holzpavillon allerdings gut erkennbar. Nur der steinige Zen-Garten wird erfahrungsgemäß keine Blütezeit erleben – kann er ja auch gar nicht.

Im Alsengarten zwischen Altbauten und Spielplatz

„Wären Sie mal in zwei Wochen gekommen, dann blüht hier alles“, schwärmt Britta Meier. Aber auch ohne Storchschnabel, Mutterkraut und Maiglöckchen macht das auf den ersten Blick überschaubare Fleckchen Grün einiges her. Die beiden Frauen haben in den Bochumer Alsengarten geladen. Das Areal befindet sich mitten in der Stadt, zwischen Altbauten, einem Spiel- und Basketballplatz und einer Einrichtung der Diakonie. Die angrenzenden Wohnhäuser können höchstens mit kleinem Balkon oder Terrasse aufwarten.

Da kommt der Gemeinschaftsgarten gerade richtig. Seit 2013 wird hier zusammen gebuddelt, gepflanzt, geerntet und gebaut. Angefangen hatte alles mit einer Aktion des Alsenwohnzimmers, ein offener und selbstverwalteter Nachbarschaftsraum, bei der das Viertel Pflanzen und Blumen vor die Tür und auf die Fensterbänke stellte. „In dem Kontext gab es dann die Idee, auch mal Hochbeete aufzustellen“, erklärt Britta Meier. „Und das hat sich weiterentwickelt. Wir haben dann gesagt, es wäre toll, wenn wir einen Garten hätten.“

Geeignete Grundstücke wurden gesucht und die Nachbarn gründeten einen Verein. Der Gemeinschaftsgarten Bochum e. V. bekam daraufhin Unterstützung von allen Seiten, nicht zuletzt durch die Stadt Bochum. Der Gartenverein konnte so das Gelände auf dem Hinterhof der Alsenstraße 19a pachten.

Neu ist das Konzept nicht. Gemeinschaftsgärten mitten in der Stadt sind keine Seltenheit und haben sogar Tradition. Die grünen Oasen zwischen Bauten und Beton, die nicht nur Platz zum Gärtnern, sondern auch zum Ausruhen, Arbeiten und Miteinander bieten, sprießen an vielen Standorten in der gesamten Region.

Gemeinsam gärtnern

Statt nur für sich auf der Parzelle im Kleingarten zu schuften, steht das gemeinsame Gestalten im Vordergrund. Es ist Teil der „Urban Gardening“-Bewegung, zu der auch Stadtacker, Schulgärten und Kleingartenanlagen gehören. Das Land NRW umschreibt es mit „bürgerschaftlich betriebener Gartenbau im Stadtraum auf öffentlichen oder teilöffentlichen Flächen“. Über 100 urbane Gärten sollen in den vergangenen Jahren entstanden sein, Kleingärten nicht mitgezählt. Dabei schließen sich immer mehr Initiativen dem Trend an. Nicht zuletzt, weil die Projekte Raum für Gemeinschaft, Bildung und Nahrungsmittelproduktion schaffen.

Essen wird auch im Alsengarten hoch gehandelt. Stolz zeigen die Frauen den selbstgebauten Lehmofen. „Da war vorher nichts. Mit Hilfe von einem professionellen Ofenbauer und der Nachbarschaft ringsum haben wir dann gebaut“, erzählt Bettina Marquardt. „Einmal im Monat haben wir eigentlich einen Backtag.“ Coronabedingt fällt das momentan aus, ebenso wie die Feste und die kleinen Konzerte, die ansonsten regelmäßig stattfinden.

Gegärtnert wird allerdings trotzdem – „mit Abstand!“, mahnt die Sozialpädagogin. „Eigentlich ist der Garten ein Coronagewinner. Durch die Pandemie haben viel mehr Menschen das Angebot genutzt“ – und mit angepackt. Und so wächst das Fleckchen grün weiter. Auch die Gemeinschaft. „Wer mitmachen will, darf mitmachen. Jeder ist willkommen“, erklärt die Hobby-Gärtnerin. In den Verein muss niemand eintreten. Die Mitglieder treffen sich einmal im Monat – aktuell virtuell – und machen Pläne: Was wird angepflanzt, was muss gebaut werden, was repariert, welche Feste werden gefeiert ...

Struktur und Nachhaltigkeit

„Wir haben über die Jahre Strukturen geschaffen“, sagt Britta Meier, Alsengärtnerin der ersten Stunde. Dazu gehört auch Nachhaltigkeit. Denn geerntet werden nicht nur Obst und Gemüse, sondern auch Erde. „Ich wollte gern den Bio-Müll sinnvoll verwerten. Und deshalb haben wir eine Kompostecke geschaffen“, erklärt sie. Mittlerweile nutzen rund 30 Menschen aus der Nachbarschaft die schwarzen Tonnen. „Jetzt brauchen wir keinen Fremddünger mehr zu nutzen. Wir lernen mit den Jahren immer mehr dazu.“ Mit anderen Vereinen sowie Hobby- und Profi-Gärtnern wird nicht nur Saatgut, sondern auch Wissen ausgetauscht. Nächstes Projekt: Regenwassergewinnung. „Wir machen uns viele Gedanken darüber, wie wir nachhaltig pflanzen und arbeiten können“, so Britta Meier.
Und das hört man nicht nur aus den leidenschaftlichen Erzählungen der Frauen, sondern sieht man an dem gepflegt chaotischen Fleckchen Grün. Hinter Büschen versteckt sich die Kompoststraße. Selbstgebaute Hochbeete lassen bisher nur erahnen, was da noch wächst. Sitzgelegenheiten aus Paletten verströmen Gemütlichkeit und die zu Blumenkübeln umfunktionierten Weinkisten kündigen mehr Gartenprojekte an. Pilze und Physalis stehen noch auf der Liste.

Gemeinsam gärtnern

Zugänglich ist der Alsengarten, Alsenstr. 19a, zwischen 8.30 und 22 Uhr, gemeinsam gegärtnert wird sonntags ab 12 Uhr. Mehr Infos und Kontakt: www.alsenstrasse.com.
Noch mehr Gemeinschaftsgärten in der Region wie in Bochum, Dortmund und Essen gibt’s zum Beispiel auf www.umwelt.nrw.de.