Essen. Gartenbuch-Autorin und Bloggerin Carolin Engwert gibt einen Online-Workshop zur Indoor-Ernte. Auch ohne Garten wachsen Obst und Gemüse.

Die großen Blütenkelche der Amaryllis verleihen jedem Raum einen Farbtupfer, Yucca-Palmen verströmen einen Hauch von Exotik zwischen Sofa und Fernsehtisch und die minimalistische Eleganz der Callas ist seit Jahren unter Fans von Zimmerpflanzen beliebt. Ein Manko haben jedoch all diese Augenweiden – sie sind nicht essbar. Vielmehr noch, sie sind giftig. Autorin und Wahlberlinerin Carolin Engwert hingegen weiß, von welchen Pflanzen Besitzer naschen dürfen und sogar sollen. In ihrem neuen Buch „Indoor-Ernte“ und dem dazu passenden Online-Workshop (8.4.) gibt die 43-Jährige Tipps, wie eine Stadtwohnung zum Schrebergarten wird. Inklusive Dreck unter den Fingernägeln und Schweißperlen auf der Stirn.

Die Arbeit mit Erde und Setzlingen kennt Carolin Engwert aus ihrem Schrebergarten – über den sie auch regelmäßig bloggt. Immerhin bewirtschaftet die zweifache Mutter das Fleckchen Grün seit gut sechs Jahren. Den Samen für die Laubenpieper-Leidenschaft pflanzte Engwerts älteste Tochter. „Meine Tochter wollte schon immer ein Haus mit einem Baum. Sie hatte wohl eine romantischere Idee als eine Vier-Zimmer-Wohnung in Berlin.“ Gut, das Haus ist nun ein bisschen kleiner ausgefallen, aber Bäume mit saftigem Obst gibt’s auch in ihrem Hauptstadtgarten.

Pflanzliche Mitbewohner

Doch keine Sorge, auch ohne Garten oder Balkon stehen die Aussichten auf frisches Gemüse gut. Während das Corona-Virus im vergangenen Jahr volle Fahrt aufnahm, hat Carolin Engwert den Selbsttest gemacht. Sie behandelte ihren Schrebergarten ein bisschen stiefmütterlich und konzentrierte sich auf den Anbau in den eigenen vier Wänden. „Ich war im letzten Jahr so wenig im Garten wie noch nie. Aber wie cool ist es, dass ich zwischen meinen Salaten sitzen kann?“

Beim Indoor-Gärtnern werden Fensterbänke, Regale & Co. zum Beet. Ein riesiger Kohlkopf passt zwar nicht in den Terrakotta-Topf, der kleine Pflücksalat hingegen fühlt sich dort pudelwohl. Beginnen die ersten Blättchen zu sprießen, kann schon geerntet werden – zwar nicht säckeweise, aber portionsweise. Und genau darum geht es der Autorin. „Man erntet direkt vom Topf auf den Teller. Ich denke, es ist unrealistisch, ein Selbstversorger zu sein. Ob es nun mit dem Schrebergarten oder dem Indoor-Garten ist. Aber man hat zumindest immer was Frisches zum Kochen da“, erklärt die gebürtige Nürnbergerin.

Vom Luxus eines Küchen-Gartens können sich auch die Teilnehmer des Online-Workshops überzeugen. Denn Carolin Engwert möchte, dass sich die Hobby-Gärtner vor den Bildschirmen dreckig machen. „Nach der Anmeldung kommt eine kleine Einkaufsliste per Mail nach Hause. Wer möchte, kann die Dinge besorgen und wir säen zusammen Radieschen und Pflücksalat aus“, beschreibt sie und fügt hinzu, „der Workshop kann interaktiv sein, muss aber nicht. Man kann auch erstmal nur zuschauen.“
Wer fleißig mitgepflanzt hat, kann den Salat dann in wenigen Wochen ernten. Ungeduldige können hingegen zu Keimsprossen greifen. Die sind in drei bis sieben Tagen bereit, gefuttert zu werden. „Außerdem sind Keimsprossen recht teuer, wenn man sie im Laden kauft. Dann doch lieber selbstziehen“, verrät Carolin Engwert. Für den frischen Snack zwischendurch getrocknete Erbsen über Nacht einweichen. Vorsicht: Mit den tiefgefrorenen Kameraden geht es nicht.

Süßkartoffeln sind leicht anzubauen

Währenddessen ein Schälchen mit Anzuchtserde befüllen und anschließend die eingeweichten Erbsen darauf betten. Gießen und das Ganze mit einem Glasteller, Einmachglas oder Folie abdecken. „Aber wichtig ist, die Keime einmal am Tag zu lüften. Steht das Grün schon einen Zentimeter hoch, kann die Abdeckung weg.“ Kommt noch mal ein Wachstumsschub von bis zu sieben Zentimetern, kann geerntet werden. Besonders gut schmecken die Sprossen auf Brot. „Das ist Gelingsicher“, macht Carolin Engwert Pflanz-Anfängern Mut.

Als einsteigerfreundliches Gemüse entpuppt sich auch die Süßkartoffel. Für die Aufzucht eine Süßkartoffel halbieren. Die Hobby-Gärtnerin empfiehlt ein Bioexemplar. Das halbierte Gemüse mit drei Zahnstochern aufspießen und so in ein Glas mit frischem Wasser hängen. Die Holzspießchen sorgen dafür, dass die Knolle auf dem Glasrand balanciert und nicht zu tief einsackt. Wichtig: Das Wasser täglich wechseln und Geduld mitbringen. Es kann einige Wochen dauern, bis sich Wurzeln bilden.
Sobald die einige Zentimeter lang und auch noch Blätter dazugekommen sind, kann die Knolle in den Topf. Nein, kein Kochtopf, ein ausreichend großer Blumentopf. Allerdings isst Carolin Engwert nicht die Knolle selbst, sondern ihr Laub. Ganz ähnlich wie Spinat oder Mangold.

Der Kreativität können Frische-Fans beim Indoor-Gärtnern also freien Lauf lassen. „Alles, was zu groß wird, würde ich nicht empfehlen. Aber Gurken oder Tomaten gibt es auch im Miniaturformat“, so der Profi-Tipp. Selbst Pilze können in der Wohnung sprießen. Gemeint ist natürlich kein Schimmel, sondern Champignons & Co. „Pilze liegen irgendwo zwischen Tier und Pflanze. Es ist spannend, sie wachsen zu sehen. Wer Bedenken hat: Es gibt viele gute Fertigsubstrate, mit denen klappt das ziemlich gut.“ Wichtig ist nur: Champignons mögen es kühl, dunkel und feucht. Als essbare Deko auf der Fensterbank taugen Pilzkulturen also nicht.

Sommer und Winter in der Wohnung

Grenzen sind beim Indoor-Gärtnern kaum gesetzt, auch klimatisch nicht. Denn: Bodenfrost wird es in den heimischen vier Wänden wohl kaum geben. „Einen Sommer und Winter gibt es trotzdem. Im Winter ist die Luft sehr trocken und die Lichtverhältnisse sind nicht gut. Aber dafür gibt es Helferlein.“
Es gibt also keinen Grund, nicht gleich zur Mini-Harke zu greifen. „Loslegen kann man direkt jetzt. Es ist auch gar nicht schlimm, wenn mal etwas schief läuft. Das war bei mir auch so“, erinnert sich die Schrebergärtnerin. Nur auf eines müssen angehende Indoor-Bauern verzichten: genormtes Grünzeug. „Das, was wir ernten, sieht nicht so aus wie im Supermarkt. Schmeckt aber trotzdem superlecker.“ Na dann: in die Erde, fertig, los.

Info:

Online-Workshop: 8.4., 18 Uhr. Karten u. a. für 12 € über thalia.reservix.de/events. Die Veranstaltung findet über Zoom statt.
Carolin Engwert bloggt regelmäßig aus ihrem Schrebergarten. Mehr dazu sowie nützliche Tipps gibt es online auf www.hauptstadtgarten.de oder auf ihrem Instagram-Profil „Hauptstadtgarten“.