Essen. Komiker Johann König bangt um seine Solotour. Im Interview erklärt er, wie es ist, zu den „systemunrelevantesten Menschen der Republik“ zu zählen

Seit mehr als 20 Jahren steht Johann König auf der Bühne. Im August kommt der 48-jährige Comedian für fünf Open-Air-Auftritte in die Region – mit seinem aktualisierten Programm „Jubel, Trubel, Heiserkeit“. Doch seine für den Herbst geplante Solotour steht coronabedingt auf wackeligen Beinen. Im Interview mit Verena Lörsch bedauert er, derzeit „zu den systemunrelevantesten Menschen der Republik“ zu zählen und erklärt, warum er froh ist, kein Rockstar zu sein.

Hallo Herr König, laut Facebook kommen Sie wohl gerade aus dem Urlaub. Der Hintergrund Ihrer Videos sah aber nicht nach den Seychellen aus, wie von Ihnen behauptet.

Stimmt, ich war für vier Wochen an der Côte d’Opale, dem französischen Zipfel der Nordsee. Aber Urlaub kann man das nicht nennen, weil wir die drei Kinder dabeihatten.

In der NDR-Talkshow im Mai haben Sie beklagt, dass während der Monate im Shutdown die Tagesstruktur verschwimmt und Sie es in der Familie untereinander nur schwer aushalten. Ist das besser geworden?

Nein, das ist so geblieben. In den Ferien sehen die Kinder noch viel weniger ein, aufzustehen oder irgendwelche Aufgaben zu erledigen. Es gab Frustration und Langeweile auf beiden Seiten, bei den Eltern und den Kindern.

Können Sie dem Shutdown auch etwas Positives abgewinnen?

Ich habe dadurch ein paar neue Geschichten im Kopf für die nun anstehenden Open-Airs. Die muss ich nur noch ordnen und niederschreiben.

Wohin ziehen Sie sich zurück, um Ihr Bühnenprogramm zu schreiben und kreativ zu werden?

Um zu formulieren, laufe ich durch Wald und Feld und erzähle einfach, was mir so in den Kopf kommt. Manchmal muss ich dann lachen und das schreibe ich dann auf – egal wo ich gehe und stehe. Irgendwann brauche ich aber einen ruhigen Raum mit Schreibtisch, wo ich konzentriert meine Ideen aufschreiben kann.

Haben Sie bei so einem Waldspaziergang auch den Feuersalamander aus Ihrem Facebook-Video gefunden?

Genau, der war unter einem dicken Baumstamm. Baumstämme muss man immer hochheben. Wir haben versucht, die Salamander zu züchten, aber das ist leider schiefgegangen. Ohne die Feuersalamander-Zucht mache ich mir gerade ernsthaft Gedanken um meine Nebenbeschäftigungen, wenn ich Corona bedingt den ganzen Herbst nicht auftreten kann.

Im August treten Sie aber nochmal in der Region auf.

Ja, ich mache diese Open-Airs, weiß aber noch nicht, wie es danach weitergeht. Es kann sein, dass es dieses Jahr keine Auftritte mehr geben wird. Diese Ungewissheit macht mich ganz schön kirre. Es geht nicht darum, dass ich finanzielle Probleme bekomme, aber es ist eine psychologische Sache. Ich habe ein gutes Nervenkostüm, doch ich werde immer ungeduldiger und muss jetzt irgendwas Sinnvolles machen, mich ein wenig erden.

Was schwebt Ihnen da vor?

Ich würde gern Stadtkindern den Wald näherzubringen, wie ein Pilzsachverständiger oder Naturpädagoge. Ich habe früher Lehramt studiert und kann gut mit Kindern arbeiten. Ich kenne mich auch ein bisschen mit Pilzen aus: Jedes Jahr probiere ich einen neuen Pilz aus, den ich selber bestimme und esse. Das ist bisher immer gut gegangen.

Können Sie Ihren früheren Hobbys nun nicht mehr nachgehen?

Was ich immer brauche ist Sport und Zeit für mich. Daher überlege ich jetzt, mit Windsurfen anzufangen. Außerdem gehe ich jede Woche zum Tennis, aber für die Profikarriere wird es nicht mehr reichen. So bekomme ich meinen Aggressionshaushalt ins Gleichgewicht, aber Kindern etwas beizubringen, ist sinnvoller.

Haben die anderen Lebensumstände der vergangenen Wochen bei Ihnen neue Denkprozesse angestoßen?

Ich hätte nie gedacht, dass die Kultur so unter den Tisch fällt. Dass ich als Künstler zu den systemunrelevantesten Menschen der Republik gehöre, finde ich schon hart. Das Selbstvertrauen in mein Künstler-Sein ist dadurch erschüttert worden.

Also bereuen Sie in der aktuellen Lage, diesen Beruf gewählt zu haben?

Ich habe damals im 19. Semester mein Lehramtsstudium hingeschmissen. Wenn ich zu Beginn meiner Karriere stünde und eine Krise wie diese ausbräche, würde ich mich sofort wieder einschreiben und das Lehramtsstudium zu Ende machen.

Sie haben mal gesagt, Sie wären ein guter Lehrer geworden. Stehen Sie auf einer Bühne, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen als ein Lehrer?

Die Schüler bezahlen ja keinen Eintritt, das ist der entscheidende Unterschied. Der Vorteil an meinem Job ist, ich stehe auf der Bühne im Licht und alle hängen an meinen Lippen. Ein guter Lehrer kann auch die Schüler bei Laune halten, aber es gibt keinen Lehrer, der Applaus bekommt.

Haben Sie Ihr Programm für die Open-Air-Auftritte angepasst?

Ich kann mein Programm nicht einfach abspulen und so tun, als wäre Corona nicht passiert. Deshalb gehe ich natürlich auf die letzten sechs Monate ein und stelle alles um. Ich muss viele Nummern herausnehmen und kontrollieren, ob die sogenannten Callbacks noch funktionieren – also die Bezüge noch zueinander passen. Außerdem wollen nun einige Veranstalter ein einmal 80-Minuten-Programm ohne Pause, weil die Gastro ein zu großes Ansteckungsrisiko ist. Das heißt, ich muss aus zweimal 60-Minuten ein einmal 80-Minuten-Programm bauen, da steht mir noch viel Arbeit bevor. Eigentlich bin ich kein großer Fan von Open-Air-Konzerten. Doch so sehr wie auf diese zehn Auftritte habe ich mich noch nie darauf gefreut, auf eine Open-Air-Bühne zu gehen.

Was stört Sie normalerweise an Open-Air-Konzerten?

Der Fokus auf den Bühnenmenschen in einer Halle ist größer als im freien Raum. Beim Open-Air ist die Aufmerksamkeit gestört, da fliegt ein Flugzeug oder der Sitznachbar isst ein Brot. Da ich auch mit kleinen Gesten arbeite, brauche ich die ganze Aufmerksamkeit der Leute.

Was bewirkt bei Ihnen die lange Zeit ohne Auftritte?

Meine Mutter hat mich gefragt, ob ich das verlerne, auf der Bühne zu stehen und lustig zu sein. Ich habe gesagt „Nee, ich glaube nicht, dass ich das verlerne“, aber ich habe die Sorge, dass das alles kleiner werden wird. Bei mir kann man die Stühle mit Abstand hinstellen, aber den Rockern bei Stehkonzerten geht es da deutlich schlechter. Ich bin froh, dass ich kein Rockstar bin.

In den letzten Monaten sind Sie in einigen Onlineformaten aufgetreten. Wäre das eine Option umzusatteln?

Ich weiß nicht, wie man damit Geld verdienen soll. Ich will mich auch nicht vor die Kamera stellen und so tun, als wäre da Publikum. Nein, für Künstler hat das keine Zukunft. Aber wenn ich allein im Wald bin und einen komischen Gedanken habe, nehme ich den gern auf und erzähle irgendeinen Quatsch über Feuersalamander. Das haben sich auch extrem viele Leute angeguckt: Über 140.000 Klicks gab es für dieses Waldvideo, ich war völlig perplex. Ich sehe das als Möglichkeit, um mich im Gedächtnis der Leute zu halten und präsent zu bleiben, – aber nicht als Geschäftsmodell.