Herne. Zumindest im Konzertsaal gibt es noch Tabus. Denn das Thema "Tabus in der Musik vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert" steht im Zentrum der diesjährigen "Tage Alter Musik" in Herne.

So altmodisch kann ein heißes Thema sein. Dem Tabu widmen sich ein ganzes Festival – und das in einer Zeit, die vermeintlich tabulos ist wie keine vor ihr.

Das Festival

Ticket-Informationen

Über die Grenzen der Region sind die 1976 gegründeten „Tage Alter Musik” als Festival bekannt. In diesem Jahr gibt es insgesamt elf Konzerte, dazu Podiumsdiskussionen und eine Musikinstrumentenmesse. Einzelkarten kosten 14,80 € (erm. 7,10). Karten unter 02323-9190514 oder 01803-776842 und an der Tageskasse. Die meisten Konzerte werden von WDR 3 live oder zeitnah übertragen.

„Körpertuning, Steuerhinterziehung, Ehebruch sind gesellschaftlich fast akzeptiert oder zumindest geduldet”, sagt Richard Lorber (WDR) als künstlerischer Leiter der „Tage alter Musik” in Herne – und erinnert an die Zeit, als Instrumente für Frauen noch verboten waren, weil sie (wie die Bassgambe, ein Cello-Vorläufer) allzu aufreizende Haltungen forderten. Damit hätten wir das erste Tabu.

Wo es Frauen, etwa aus religiösen Gründen, untersagt war, öffentlich zu singen, war die Bühne frei für Kastraten – das erste ist ein Tabu von gestern, die Kastration dagegen ein Tabu von heute (obschon der letzte Kastrat der päpstlichen Kapelle erst 1922 starb!). Aber es gibt auch unsichtbare Tabus: eben nur hörbare. Der Walzertakt – verpönt. Fandango? Entschieden zu lasziv!

Und 100 Jahre später ist dieselbe Musik komplett „en vogue” und an den Höfen geschätzt und damit als große Kunst freigegeben. Dieses ganzen Kosmos wollen die „Tage Alter Musik” vom 12. bis 15. November erobern, erhellen und, wie Richard Lorber es nennt, „Grenzfälle, Schicklichkeiten und Tabubrüche” zu Gehör zu bringen. Das Festival ist traditionell ein Feinschmeckertreff der Gattung. Sensationslüsterne dürfte selbst dieses Jahresthema kaum anziehen. Dabei lohnt allein der Rang der Interpreten. Einige wichtige Konzerte seien hier exemplarisch vorgestellt.

Plattenreif

Er gilt als einer der Superstars unter den Countertenören. Als Händels gebrochener Held „Ezio” kommt Lawrence Zazzo nach Herne. Die „heroische Oper” ist eine Studie des Untergangs, nicht bequem und wohl auch ein Tabubruch mit lupenreinen Ehrenmännern. Veronica Cangemi singt die Partie der Fulvia, es spielt das Kammerorchester Basel – plattenreife Qualität. 13.11., 19 h, Kulturzentrum Herne

Ein Tristan vor Wagner

Erwartung von außen, verbotene Liebe von innen. Daran zerbricht eines der berühmtesten Paare der Literatur. „Tristan & Iseult” geht weit zurück vor Wagners Mammutoper. Mit Texten Gottfried von Straßburgs und Thomas de Bretagnes schuf die Camerata Boston aus zeitgleich entstandener Musik eine Mini-Oper. Spannend!

13.11., 16 h, Kreuzkirche in Herne-Zentrum

Mozart, parodiert

Anders als man meint, vollzieht sich dieses Thema. Ein Konzert demonstriert, wie mal eben so äußerst sinnliche Kompositionen mit Heiligenschein versehen worden sind. So schlüpften Opern ins fromme Messgewand. Lauter schöne Beispiele dafür hat das „German Mozart Orchestra” am 14. November, 20 h, im Kulturzentrum Herne.

Nacht – aktiv

Ein kleines nur, aber atmosphärisch vielleicht das reizvollste Konzert: Erst um 23 Uhr beginnt der Reigen um eine lange verfolgte Musik: „Fandango”. Christine Schornsheim und Andreas Staier sitzen am Cembalo, die Castagnetten spielt Luz Martín León-Tello.

14. November, 23 h,. Künstlerzeche Unser Fritz 2/3