Herne. Mit Kamera, Laptops und vielen guten Einfällen begleiten Journalistik-Studenten der TU Dortmund das renommierte Musikfestival "Tage alter Musik". Ihre spitzfindigen Kurzfilme sind ab sofort im Internet als Video-Blog zu finden - frei nach dem Motto: Alte Musik trifft Neuland.

Besonders reizvolle Aufgaben treffen uns oft unverhofft auf verschlungenen Wegen – so auch bei Matthias Steinbrecher. Der 30-jährige Student stand auf der Mensabrücke seiner Uni in Dortmund und machte mit der Videokamera ein paar Aufnahmen der Bibliothek. „Da kam plötzlich mein Professor auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht bei den 'Tagen Alter Musik' mitmachen möchte.” Nun ist Matthias wie die meisten jungen Leute seines Alters mit klassischen Klängen längst vergangener Jahrhunderte nur bedingt vertraut, seine musikalischen Idole findet er eher in den Plattenläden unserer Zeit – aber dennoch: „Die Idee, das Festival aus einem schrägen Blickwinkel zu begleiten, hatte mich direkt gefangen.”

Mit einem schrägen Blick

Auch der künstlerische Leiter des Festivals, Dr. Richard Lober, hielt es für eine spannende Sache, das Festival-Geschehen von jungen Studenten via Video-Blog porträtieren zu lassen, um so etwas frischen Wind ins Programm zu pusten.

Für ältere Leser: Video-Blogs bieten im Internet die Möglichkeit, Kurzfilme für alle Welt sichtbar zu machen. Porträts, Interviews, Umfragen und spannende Hintergrund-Reportagen zu den Konzerten erscheinen auf diese Weise online. Matthias und seine Mitstreiterinnen schnallen sich die Kamera um und legen mit Verve los.

Drei Kurzfilme pro Tag

In einer winzigen Künstlergarderobe des Kulturzentrums haben sich die Journalistik-Studenten der TU Dortmund mit allem Equipment vier Tage lang eingenistet. Laptops, Kamera und anderes technisches Gerät immer dabei. Drei Kurzfilme pro Tag wollen sie produzieren, rund zehn oder zwölf Filme sollen es am Ende werden. Ein ehrgeiziges Ziel: „Letzte Nacht haben wir wieder bis in der Früh hier gesessen und die Szenen geschnitten”, erzählt Gesa Dördelmann. Wichtig: Die Studenten wollen das Festival nicht bloß dokumentarisch begleiten – das wäre auch ein bisserl langweilig. „Wir erzählen Geschichten, suchen manchmal das Experiment und scheuen auch keine Konfrontation.”

Bevor sich die jungen Leute jedoch ans Filmen gemacht haben, stand zunächst einmal umfangreiche Recherche an. Violinkonzerte, Streichquartette, Kammermusik: „Wir haben uns da richtig reingehört”, erzählt Matthias Steinbrecher. Und siehe da: „Die Musik hat überhaupt nichts Gestriges, sie wird beim Hören lebendig. Da gehen Türen auf!”

"Popstars des 16. Jahrhunderts"

Angetrieben von so viel Feuereifer begeben sich die Studenten auf Spurensuche nach den „Popstars des 16. Jahrhunderts”, wie sie es keck nennen. Ob bei launigen Umfragen mit Hernern direkt auf der Straße oder im Gespräch mit belesenen Interviewpartnern verschiedener Universitäten: „Es macht Spaß, die Leute direkt zu konfrontieren.” Das diesjährige Motto des Festivals („Tabus in der Musik”) dient den Studenten als Leitmotiv ihrer filmischen Annäherungen. In einer „Tabuzone” aus Kreide bitten sie ihre Gäste zur Diskussion, lassen ausgewählte Konzerte Revue passieren und gehen mit Musikern auf eine spannende Wanderschaft. So wollen sie etwa die Violinistin Simone Eckert auf Stippvisite in eine Auto-Tuningwerkstatt entführen und befragen sie dort zum Thema „Frauen in der Musik”: „Mit solch einem Thema in eine klassische Männerdomäne einzutauchen, ist eine spannende Sache”, findet Laura Schneider-Mombaur. „Alte Musik trifft Neuland.”

Auch die Zuschauer des Festivals sind aufgefordert, mitzumachen und womöglich über einige Schatten zu springen. Überraschungsaktionen am Ende einiger Konzerte werden an dieser Stelle nicht verraten (nur dies: von Gogo-Tänzerinnen ist die Rede!). Das soll lustig sein und vielleicht manche Gäste, die es bei klassischen Konzerten eher gediegen mögen, ein wenig provozieren – dies aber stets auf niveau- und respektvolle Weise: „Wir sind schließlich die Netten”, lächelt Matthias Steinbrecher. Und außerdem: „Jene Musik, die wir heute als 'klassisch' bezeichnen, war im 16. Jahrhundert die reinste Partysause!”