Essen/Berlin. . Die Statuten geben keine Chance: Trotz des Wirbels um die Rechtsrockband Frei.Wild für einen der diesjährigen Echo-Musikpreise hält der Deutsche Musikverband an der Nominierung fest. Auch das Ersuchen von “Kraftklub“, sich dem Wettbewerb zu entziehen, scheitert an den “Echo“-Statuten.
Wenn es um Aufmerksamkeit geht, dann ist die diesjährige Verleihung des deutschen Musikpreises "Echo" dem Namen bereits mehr als gerecht geworden: Die Nominierung der südtiroler Rechtsrock-Gruppe "Frei.Wild" für den Preis der Kategorie "Rock/Alternativ National" hat nicht ein Echo ausgelöst, sondern einen Sturm der Entrüstung. Kritiker sehen Frei.Wild in der Nähe von Nazi-Bands, der die Echo-Verleihung, die am 21. März ab 20:15 Uhr in der ARD übertragen wird, ein Millionenpublikum verschafft.
Daran wird sich auch nichts ändern, teilte der Bundesverband der Musikindustrie am Mittwochabend mit. Der Ausrichter des Echo erklärte, "die aktuellen und seit Jahren praktizierten Regularien des Echo sehen keinerlei Ausschluss von Bands vor". Frei.Wild habe sich, wie die anderen Bands der Kategorie, alleine anhand seiner guten Charts-Platzierungen qualifiziert. "Da keine offensichtlichen Gründe für einen Ausschluss von den Charts vorliegen, zum Beispiel eine Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, findet auch die Qualifizierung entsprechend den Echo-Regularien statt, sagte Verbandssprecher Andreas Leisdon auf DerWesten-Anfrage.
"Überschneidungen mit Texten von Rechtsrockbands"
Frei.Wild selbst weisen Nationalismus-Vorwürfe zurück: Man besinge die Heimat Südtirols und propagiere Patriotismus. Titel und Texte der Band allerdings sind voller Anspielungen auf völkische und nationalistische Begriffe: Die Gruppe rund um Sänger Philipp Burger, der selbst mal Skinhead war und das mittlerweile als "Jugendsünde" bezeichnet, ist für Songs verantwortlich, die "Land der Vollidioten" heißen, die "Ich scheiß auf Gutmenschen und Moralapostel" propagieren und "Wahre Werte" besingen, wie "Heimat", "Volk" und Boden. Aggressionsgeladene und gewaltverherrlichende Videos sind ebenfalls Markenzeichen von Frei.Wild.
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In der Musikszene sieht man Frei.Wild damit in der Spur der "Böhsen Onkelz", die viele Jahre der rechtsextremen Szene nahestanden und sich erst spät davon distanzierten. Frei.Wild sieht sich dagegen als Rockband "mit lebensnahen, lebensbejahenden Texten". So räumt die Gruppe auf einer eigens geschalteten Website zwar ein: "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass einzelne Passagen inhaltliche Überschneidungen mit Texten von Rechtsrockbands haben". Frei.Wild aber kämen stets "zu anderen Schlussfolgerungen" als Bands der Naziszene. Ohne dies näher auszuführen, schließt die Gruppe daraus, dass sie zu Unrecht in den Ruch des Rechtsextremen gezogen würde.
Frei.Wild gerieren sich als Märtyrer, ganz im Sinne der NS-Rhetorik
"Frei.Wild ist eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnen", meint dagegen Anetta Kahane, Vorsitzende der Antonio Amadeu-Stiftung in Berlin, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert. Frei.Wild gerierten sich in ihrer Heimatliebe als Outlaws und Märtyrer- eine Rhetorik, der sich schon die Nationalsozialisten bedienten. Der Heimat-Begriff werde problematisch, "wo er als Besitzanspruch formuliert und ausgrenzend wird", sagt Kahane. Die Kampf-Metaphorik der Texte, das Wir-Ihr-Schema - für Kahane deutliche Zeichen rechtsextremer Tendenzen.
Die Botschaft, die die Band verbreite, sei zwar "noch keine Ideologie", sagt Kahane, "aber sie ist Teil eines Menschen- und Weltbildes, das als Köder am Ende der Angel der Rechtsextremen hängt". Und der Musikblogger Jens Becker schreibt über Frei.Wild: "Sie haben nur das Feuerzeug in der Hand. Dass andere daran ihre Fackel anzünden, ist nicht ihre Schuld – sie lassen es aber bereitwillig zu."
Frei.Wild hat ein enormes Fan-Potential
Denis Plauk, Chefredakteur des Dortmunder Musikmagazins "Visions", zitiert den bayerischen NPD-Funktionär Patrick Schröder: "Die Band ist zwar nicht zu 100 Prozent auf unserer Linie, aber zumindest zu 80 Prozent, und sie geben 30 Prozent davon zu. Wir haben aus dieser Band die Möglichkeit, noch in extremerem Maße zu profitieren als früher durch die Böhsen Onkelz." Frei.Wild selbst mag sich von solchen Aussagen nicht distanzieren und sieht sich nicht in der Verantwortung für seine Fans: "Es liegt leider nur sehr begrenzt in der Macht einer jeden Band, sich ihre Hörerschaft auszusuchen".
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Für Denis Plauk verbreitet Frei.Wild "mindestens hellbraunes Gedankengut". Damit, dass die Band sich inhaltlich in ihren Texten an Festlegungen geschickt vorbeimanövriere, "infiltriert sie viel stärker",meint Plauk. 2001 gegründet füllen Frei.Wild mittlerweile Veranstaltungsorte wie die Essener Grugahalle oder die Dortmunder Westfalenhalle. "Die Band hat mittlerweile ein enormes Potential an Fans", sagt Plauk. "Nicht jeder Frei.Wild-Fan ist ein Nazi oder steht politisch rechts", glaubt Anetta Kahane von der Antonio Amadeu-Stiftung. Angesichts der enormen Bedeutung von Musik als "Rekrutierungsfeld für rechte Gesinnung", sei die Gefahr, dass sich rechtes Gedankengut ausbreitet, jedoch groß.
Kraftklub kann Nominierung nicht zurückgeben
Die Nominierung von Frei.Wild für den Echo hat unter anderen Teilnehmern bereits zu Reaktionen geführt: Die Chemnitzer Indie-Rock-Formation Kraftklub hat am Mittwoch via Facebook erklärt, die diesjährige Echo-Verleihung boykottieren zu wollen. Kraftklub ist in derselben Kategorie wie Frei.Wild nominiert: "Wir möchten nicht in einer solchen Reihe genannt werden", schreibt die Band. Ihre Nominierung zurückziehen, wie die Band es vor hat, werden Kraftklub jedoch nicht können, teilt der Verband der Musikindustrie mit: "Aufgrund der Regularien und der dahinter liegenden Auswertung durch media control sind unsererseits keine Eingriffe in die Nominiertenliste zulässig".