Köln.Wohl kaum eine Branche ist durch die technischen Errungenschaften des digitalen Zeitalters derart aus dem Konzept gebracht worden wie die Musikindustrie. Auf der Fachmesse c/o pop diskutieren Musik-Experten über die Zukunft ihrer Branche. Konsens gibt es dabei eher selten
Die technischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters haben wohl kaum eine Branche derart durchgeschüttelt wie die Musikindustrie. Eine ganze Generation ist es mittlerweile gewohnt, ihre Musik kostenlos aus dem Internet herunterzuladen anstatt dafür Geld auf die Ladentheke zu legen. Leidtragende dieser Entwicklung ist die Plattenindustrie. Seit Jahren klagt sie über massive Einbrüche bei den CD-Verkäufen. Laut dem Bundesverband Musikindustrie sanken die Alben-Verkäufe von 209 Millionen im Jahre 1999 auf 145 Millionen Stück in 2008.
Einen wie Radiomoderator und Mediendesigner Johnny Haeusler lässt dieser klare Trend ziemlich kalt. „Für reine Musik habe ich ohnehin noch nie bezahlt”, sagt der Gründer des medienkritischen Blogs Spreeblick. Er bezahle vielmehr für Artwork, Texte und Beilagen sowie für die „dauernde Verfügbarkeit über die Musik”. Beispielsweise für eine CD, die er hören kann, wann und wo er will. Beim Herunterladen von MP3-Dateien handele es sich nur um das kostenneutrale Kopieren einer Datei, so Haeusler lakonisch.
Flatrate keine Lösung
Treibt das meist noch illegale Herunterladen von Musik den Niedergang einer ganzen Branche voran? Georg Oeller vom Musikrechte-Verwerter Gema antwortet darauf mit einem halben Ja: „Hier werden Inhalte bewegt, und an diesen Inhalten haben wir Rechte”, erklärt der Gema-Vorstand. Beim illegalen Herunterladen von Musik gingen „die Kreativen, die für den Kulturstandort Deutschland prägend sind, leer aus. Das ist ein Skandal!”
Die beiden Kontrahenten trafen zum Auftakt der sechsten c/o pop, dem Popkomm-Nachfolger, in den Opernterrassen aufeinander. Dort debattierten Experten über „Die Zukunft der Musikindustrie”. Seltene Einigkeit herrschte in der Runde beim Thema Flatrate. Dabei soll für das unbegrenzte Herunterladen von Musik-Stücken aus dem Internet eine feste Gebühr erhoben werden. „Die Auswertung wäre ein Horror”, so Haeusler. Er verweist auf die komplizierte Verteilung der Gebühren auf die Künstler, deren Werke genutzt wurden: „Diese Beträge wären zu gering, als dass sie den Urheberrechten gerecht würden.”
Nicht Plattenfirma, sondern Musik-Entertainer
Einen anderen Aspekt im Zusammenhang mit der Flatrate sieht jedoch Sascha Lazimbat von Warner Music. „Interessant” findet der Managing Director Angebote, die den Erwerb eines Handys mit einer Flatrate verknüpfen. „Wir müssen versuchen, das Musikkaufen wieder attraktiver zu machen”, forderte er Innovation und Initiative. Aufwändig gestaltete CD-Boxen seien ein Ansatz, zudem gehe es darum, „die Künstler 360 Grad zu vermarkten”: mit Live-Konzerten, Merchandising und künstlerbezogener Mode. „Wir verstehen uns nicht mehr als Plattenfirma, sondern als Musik-Entertainer.” Zumindest Lazimbats Elan bewies, dass sich die Musikindustrie mit dem Untergang ihrer Branche noch nicht abgefunden hat.
Wegen der Absage der Popkomm in Berlin ist die c/o pop in diesem Jahr wohl das wichtigste Forum der Musikwirtschaft. Das Musikfestival mit angeschlossener Fachmesse läuft bis Sonntag an verschiedenen Standorten im Kölner Stadtgebiet.