Essen.. Seine Sprache: schnoddrig. Seine Markenzeichen: Schlapphut und Sonnenbrille. Sein Leben: eine große Inszenierung. Sein Beruf: den Udo geben. Auch jetzt, wo er 65 Jahre alt wird, denn: „Rock‘n’Roller kennen keine Rente“, hat der Panik-Rocker neulich gesagt.

Wenn einer Rock’n’Roller ist, dann Udo Lindenberg. Auch wenn er längst von Whisky auf Eierlikör umgestiegen ist und die Zigarette, die da qualmt in seiner Hand, auch schon mal mit Kräutern statt mit Tabak gestopft sein kann.

„Lebe schnell, stirb rasant, sichere deinen Ruhm“, hat Lindenberg schon früh zu seinem Motto erkoren und sich viele Jahre dran gehalten. Vor allem in den 1970ern feiert er, dass die Wände wackeln in der Bude, die er sich in Hamburg mit Otto Waalkes und Marius Müller-Westernhagen teilt. Und die sich – laut Otto – auflöst, als Udo mit brennender Zigarette auf seinem Wasserbett einschläft und die Wohnung flutet.

Bei seinem Lebenswandel, sagt Lindenberg oft, wundere er sich selbst, so alt geworden zu sein. Wahrscheinlich hat er deshalb schon 1989 unter dem Titel „El Panico“ seine Memoiren veröffentlicht. Und wahrscheinlich hat ihm die deutsche Musikindustrie auch deshalb bereits 1992 einen „Echo“ verliehen. Für sein Lebenswerk. Zu früh. Viel zu früh. Aber schon damals nicht unverdient.

Sänger wird er nur notgedrungen

Denn mehr als zwei Jahrzehnte steht der gebürtige Gronauer da schon auf der Bühne. Mit 22 ist er in Hamburg gestrandet. Seemann will er werden, landet dann aber doch wieder dort, wo er schon seit frühester Kindheit so gerne sitzt. Am Schlagzeug. Mit Peter Herbolzheimer spielt er, mit Inga Rumpf und natürlich mit Klaus Doldinger. Sänger wird er nur notgedrungen. Weil er keinen findet, der seine Texte so „rüberbringen“ kann, wie der Udo sich das vorstellt. Wirklich singen aber kann er bis heute nicht.

Seine Karriere hat das vielleicht etwas verzögert, geschadet hat es ihr nicht. Im Gegenteil. 1973 ist „Alles klar auf der Andrea Doria“. Kritiker und Käufer sind begeistert. Von Lindenbergs Sprechgesang, ja sogar von den ungelenken Bewegungen des Mannes in der hautengen Hose. Weil er Deutsch singt, ohne „Schlageraffe“ zu sein und Geschichten aus dem Leben erzählt. Selbstironisch, bisschen nuschelig, locker, intelligent und authentisch. Und in einer ganz eigenen Sprache, in der ganz oft das Wort „ey“ vorkommt, Männer alle „Alter“ heißen und gute Freunde „Bodo Ballermann“, Rudi Ratlos“ oder „Johnny Controlletti“.

Mit dem „Sonderzug nach Pankow“ zum Oberindianer Honecker

In den 80er-Jahren singt Lindenberg Balladen und wird politisch. Er engagiert sich bei „Rock gegen Rechts“ und für die Friedensbewegung. Mit dem Sozialismus will er ins Gespräch kommen und bietet Oberindianer Erich Honecker im „Sonderzug nach Pankow“ an: „Ey, Honey, ich sing’ für wenig Money im Republik-Palast, wenn ihr mich lasst“. Honecker lässt ihn, setzt aber nur linientreue FDJ-Anhänger ins Publikum, so dass selbst Udo später bilanziert: „Die ganz totalen Panikfans waren das nicht.“

In den 90ern lässt der Erfolg nach. Im Gespräch bleibt Lindenberg trotzdem. Weil er sich hervorragend vermarkten kann. So zieht er in eine Suite des Hamburger Hotels „Atlantic“, wo er bis heute wohnt. „Panikzentrale“ nennt er sein neues Zuhause, in dem er auch zum Maler wird. Nicht mit Farbe, sondern mit Likör. Weshalb seine Werke nicht Bilder, sondern „Likörelle“ heißen.

Mit Geburtstagen nicht viel im Sinn

2008 gelingt ihm ein Comeback. Und was für eins. „Stark wie zwei“ ist die CD, die ihn noch einmal ganz nach oben in die Hitparaden führt, so hoch, dass selbst Udo sich wundert: „Da muss sich der Hut erst einmal wieder an die Höhenluft gewöhnen.“ Zumal seit wenigen Monaten nun auch ein eigenes Musical Lindenbergs Lebenswerk schmückt.

Von größeren Feierlichkeiten zum 65. Geburtstag ist dennoch nichts bekannt. War schon beim 60. so. Weil Udo mit Geburtstagen grundsätzlich nicht so viel im Sinn hat. Denn: „Ich sehe mich als Durchreisenden, der nicht der irdischen Zeitrechnung unterliegt.“