Berlin..

Das musste ja so kommen: Nachdem bereits die Songs von Udo Jürgens zu einem Musical verarbeitet wurden, ist jetzt das Werk Udo Lindenbergs an der Reihe. „Hinterm Horizont geht’s weiter“ hatte Donnerstag Premiere in Berlin.

Am Ende hat er Recht behalten: „Hinterm Horizont geht’s weiter“ hat Udo Lindenberg unermüdlich auf seiner Seite der Mauer gesungen – auf der anderen stand ein Mädchen aus Ostberlin und hörte zu. Die wahre Liebesgeschichte zwischen dem Rockstar aus dem Westen und dem FDJ-Mädchen aus Pankow gibt es jetzt als Musical. Am Donnerstag feierte „Hinterm Horizont“ Premiere in Berlin.

1983 trifft Udo Lindenberg bei seinem Auftritt im Ostberliner Palast der Republik auf Manu. Es ist nicht sein erster Flirt im Osten, aber diesmal geht es ganz tief rein, ein Paar wie Blitz und Donner, dessen traurige Geschichte Udo später in die Charts verhilft. Die junge Frau, die im Musical Jessy heißt, lebt heute in der Nähe von Berlin. Die beiden haben sich nach der Wende wieder getroffen. Keine leichte Begegnung.

Der Mauerfall als Happy End

Eine Romeo-und-Julia-Geschichte mit den Hits von Udo Lindenberg und dem Mauerfall als Happy End – geht das? Das geht. Vor allem aus zwei Gründen: Erstens müssen die großen Gefühle nicht künstlich erzeugt werden, sie werden mit Hilfe der Fernsehbilder vom Herbst 1989 geborgt. Zweitens bleibt das ganze Gefühlstheater erträglich, weil gar keiner behauptet, mehr zu wollen als Unterhaltung. „Es soll nicht darum gehen, in ei­nem Musical DDR-Geschichte aufzuarbeiten“, sagt Autor Thomas Brussig („Sonnenallee“). Nicht einmal den realen DDR-Alltag, wie Lindenberg er­gänzt: „Es war vielleicht nicht so locker und lustig, wie es hier erzählt wird, aber es ist ja auch Entertainment.“

Und richtig: Das Musical zur Wende gab’s noch nicht. Zwei Jahrzehnte nach der Wende erreicht die deutsch-deutsche Geschichte mit dieser Premiere im Theater am Potsdamer Platz den Zenit ihrer unterhaltsamen Verwertung. Der Ost-Schriftsteller Brussig, der nach der Wende den Wessis sein Land erklären wollte, trifft auf den Westrocker, der schon lange vor der Wende den Osten verstehen wollte.

Bloß kein Vibrato

Udo Lindenberg ist heute der Helmut Schmidt der deutschen Rockgeschichte. Ein lebendes Denkmal, verehrt von den einen, von den anderen zumindest respektiert. Wer bleibt schon über Jahrzehnte typstabil? Natürlich erlauben sie ihm beim Pressetermin auf der Bühne zu rauchen. Und wenn der 64-Jährige nach dem Schlussapplaus schnell noch seinen berühmten Paniktanz mit der besoffenen Choreographie vorführt, wird allen warm ums Herz.

Auf der Bühne spielt Folkwang-Absolvent Serkan Kaya den jungen Udo Lindenberg - und entzückt damit zwar den echten Udo („er singt so schön straßenmäßig“), kann aber nie ganz erklären, warum dieser hampelige Lederjackenrocker so einen Hau bei Frauen hatte. Die 24-jährige Berlinerin Josephin Busch dagegen ist eine so smarte, lebenslustige Jessy, dass nicht nur der echte Udo ganz ergriffen tut.

Die Hits werden gleich mitgesungen

Überhaupt: Wie oft erlebt man schon, dass das Publikum bei einem nagelneuen Musical die Hits gleich mitsingt und die besten Sprüche schon in der Pause zum Lieblingszitat recycelt werden? Da macht es wenig, dass die Regie etwas zu oft mit Filmausschnitten und Originalfotos herumjongliert und die DDR-Staatsmacht zum hundersten Mal als lächerliche Idiotentruppe dargestellt wird. Lindenberg jedenfalls gefällt’s. Schon, weil sein Musical ohne „dieses Operetten-Gejaule“ auskommt. Kein Vibrato, keine Hemmungen: „Ich ziehe meinen Hut.“