Düsseldorf. .

Die kanadischen Kritikerlieblinge von Arcade Fire überwältigten die Düsseldorfer Philipshalle mit einer Breitwandshow, die in ihrer Perfektion beinahe ein bisschen unheimlich war.

Manchmal können Arcade Fire einen von glatt überfordern. Wie viele Musiker sind auf der Bühne? Acht, neun, zehn? Wie viele Instrumente spielt die Band – 20? Wie nennt sich die Mischung aus Banjo und Gitarre, die manchmal auftaucht? Bläst Richard Parry an einer Stelle wirklich in eine Küchenrolle? Nein – dass zu wenig auf der Bühne passiert, kann man dieser Band sicher nicht vorwerfen.

Zwischendurch passiert fast zuviel. In diesen Momenten möchte man Arcade Fire sagen: Rüstet doch ein bisschen ab. Nicht jedes Tamburin muss einen Schweif aus farbigen Fransen haben, nicht jedes Schlagzeug muss von zwei Musikern gleichzeitig beackert werden. Bei aller Liebe zu dieser Band: Die Hippie-Inszenierung droht manchmal, ein bisschen außer Kontrolle zu geraten. Frauen in wallenden Kleidern, ekstatisch trommelnde Männer in Karohemden, siebenstimmige Chöre: ab und zu wirken Arcade Fire wie eine dieser US-Sekten, die im Heuschober darauf warten, dass sie vom UFO abgeholt werden.

Nicht jedes Tamburin muss einen Schweif aus farbigen Fransen haben

Andererseits – dieses Image ist kein Kalkül. Arcade Fire stehen quasi natürlich unter Strom, und wer sich auf diese Band einlässt, vergisst ihre Konzert nie. Das wissen auch die rund 7000 Fans, die am heutigen Abend nach Düsseldorf gekommen sind. Es ist ein Mix aus jung und alt, den man bei Pop-Konzerten selten sieht. Auf den Rängen und im hinteren Bereich der Halle tummeln sich die etwas gesetzteren Fans, die „Rolling Stone“-Leser, die sich noch mal den Kapuzenpulli übergezogen haben. Die jüngeren Zuschauer belegen das vordere Hallendrittel. Sie sorgen für die Bewegung bei den schnelleren Stücken.

Und tatsächlich – am besten gefallen die Songs, bei denen die Band schnörkellos nach vorne spielt, in denen Arcade Fire mehr Rockband als Orchester sind. Da wäre z.B. das umwerfende „Neighborhood #3“ als Highlight des Abends. Aber auch „No Cars Go“ oder „Rebellion“ elektrisieren die Halle. Die Songs der neuen Platte fallen etwas ruhiger aus (Ausnahme: „Ready to Start“), werden aber ähnlich begeistert aufgenommen. Dass „The Suburbs“ die Konsensplatte 2010 schlechthin ist – in der Philipshalle wird es noch mal bestätigt.

Nicht bloß ein Feuilleton-Projekt, sondern eine große Popband

Vielleicht ist es die größte Leistung von Arcade Fire, dass sie trotz all der Musiker und Instrumente auf der Bühne nie (oder ganz selten) überfrachtet klingen. Die Kanadier bringen diese seltene Kombination mit: Sie sind technisch versierte Musiker und gute Songwriter. Und so hat man nach zwei Stunden das Gefühl, hier nicht bloß ein Feuilleton-Projekt gesehen zu haben, sondern eine große Popband.

Am Ende verabschiedet sich die Band mit dem epischen „Wake Up“ – eigentlich ein unnötiger Aufruf. Die Halle ist hellwach, und das seit dem ersten Ton.