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Die Amerikanerin Joyce DiDonato ist ein Superstar der Opernszene. In Essen erhält die Mezzosopranistin am Sonntag den Echo Klassik als „Sängerin des Jahres“. Ein Preis, der ihr viel bedeute, sagt DiDonato im Gespräch.
Sie hat Star-Qualität, aber keine Allüren. Sie vereint Glamour, blendendes Aussehen und stupende Gesangstechnik. Ihr Rezept: Arbeit und Disziplin. Eine moderne Diva? Am Sonntag wird die amerikanische Mezzosopranistin Joyce DiDonato bei der Echo Klassik-Gala in der Essener Philharmonie als „Sängerin des Jahres“ ausgezeichnet. Mit der Belcanto-Spezialistin sprach Dirk Aschendorf.
Frau DiDonato, was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem Echo Klassik, wie wichtig sind Preise für Sie?
Joyce DiDonato:Ich jage nicht nach Preisen wie nach Trophäen. Der Echo Klassik bedeutet mir allerdings sehr viel, da Deutschland eines der wenigen Länder ist, in dem klassische Musik, vor allem auch die Oper, immer noch einen hohen Stellenwert besitzt. Diese Tradition, die Musikgeschichte und die unzähligen Aufführungsorte in beinahe jeder Stadt, das bewundere ich unendlich. In Amerika können wir davon nur träumen.
Sie gelten als eine der raren amtierenden Belcanto-Königinnen. Händel, Mozart und vor allem Rossini sind Ihre Spezialität. Entspricht diese virtuose Musik auch Ihrem Charakter oder trifft sie nur zufällig Ihren Stimmtyp?
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DiDonato:Eigentlich beides. Ich wusste von Anfang an, dass meine Stimme die Geläufigkeit und den Umfang besitzt. Mir liegen die Partien. So sind ja auch die Protagonistinnen zum Beispiel in Rossinis komischen Opern nicht nur zwitschernde Nachtigallen, sondern energische, manchmal fragile aber immer intelligente Frauen. Dieses Repertoire ist wie ein Berg, den du erklimmen musst, ein emotionales Gewitter, das du als Sängerin mit Vernunft füllen musst. In den Belcanto-Opern hängt die Gestaltung vom Gesang ab und Technik ist dabei die absolut notwendige Basis. Selbst Strauss’ Octavian singe ich als Belcantistin, und das funktioniert, finde ich, nur so.
In Ihrem preisgekrönten Album mit Arien, die Rossini für die Colbran komponierte, spüren Sie einer der großen Diven des 19. Jahrhunderts nach. Sind Diven das, was Menschen heute noch erwarten? Wie geheimnisvoll und öffentlich zugleich muss ein Star heute sein?
DiDonato:Also, ich weiß nicht, was eine moderne Diva ist. Vielleicht hat die Netrebko das wieder neu definiert. Sie hat Glamour, ist präsent. Natürlich bieten auch die neuen Medien viel größere Möglichkeiten. Ich selbst habe einen Blog. Dort halte ich Kontakt zu meinen Freunden und Fans. Vielleicht hätte auch eine Callas heute getwittert, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass echte Opernfans die passioniertesten Fans überhaupt sind.
Auch Ihre Album-Cover gleichen Hochglanzmagazinen. Viel Haut, modisches Outfit. Würde Klassik sich heute sonst nicht verkaufen?
DiDonato:Ich glaube, Glamour und Sex-Appeal waren immer da. Schauen Sie, auch die alten Diven schmückten sich mit Juwelen, Federn. Allerdings spielten sie auch mit der Aura der Unberührbaren. Und noch früher: die Kastraten. Die spielten ja förmlich mit ihrer Androgynität, zweigleisiger Sexualität. Sicher, die 1950er und 60er Jahren waren anders, aber da sahen ja selbst Familienporträts wie Bilder von Trauerfeiern aus. Heute machen wir das anders. Und wenn ein schönes Cover zum Kauf einlädt, Menschen so vielleicht eher klassische Musik hören, warum nicht. Ich jedenfalls habe auch Spaß, mich aufzubrezeln, solange die Substanz dahinter stimmt.
In London waren Sie in einer fast legendären Serie in Rossinis „Barbier“ zu erleben. Sie brachen sich während der Aufführung ein Bein, spielten auf Krücken weiter, an den folgenden Abenden im Rollstuhl. War das Disziplin oder ein Mediengag?
DiDonato:Sicher, das ging durch die Medien und wir alle, Kollegen aber auch das Publikum, hatten Spaß daran, weil das Konzept mit einer Rosina im Rollstuhl dann auch aufging. Mit einer anderen, ernsten Rolle hätte ich das sicher nicht gemacht. Natürlich spielt Disziplin ein große Rolle. Gesang ist nicht nur einfach Naturtalent, das bedeutet vor allem tägliche harte Arbeit. Das „Produkt Kunst“ muss am Ende stimmen. Dabei ist vor allem wichtig, dass du dir selbst treu bleibst, jenseits allen Drumherums deinen persönlichen Standard erfüllst. Nennen Sie es von mir aus Arbeitsethik.
In Deutschland waren Sie bisher eher selten zu erleben, wird sich das künftig ändern?
DiDonato:Nach Essen gebe ich noch in Hamburg ein Konzert, danach habe ich mein Berlin-Debüt, als Rosina an der Deutschen Oper. Es kommt auch noch Baden-Baden. Aber ich wünsche mir natürlich mehr Auftritte hier. Die Strauss-Partien Octavian im „Rosenkavalier“ oder der Komponist in „Ariadne“ gehören bereits zu meinem Repertoire . . .