Essen.
Die Opernhäuser der Welt reißen sich um ihn. Der smarte Peruaner trifft mit fast spielerischer Leichtigkeit die hohen C’s der großen Opern. Ein Gespräch mit Juan Diego Flórez über die Kunst und das Publikum.
In einer Woche gibt der peruanische Tenor Juan Diego Flórez sein vom Publikum lang erwartetes Debüt in der Essener Philharmonie. Smart, elegant, dunkel gelockt würde er auch als Model oder Filmstar bella figura machen. Seine Sphäre ist jedoch die der Opernhelden der Romantik. Wo die Höhen-Luft für die meisten seiner Zunft dünn wird, bewegt er sich traumwandlerisch sicher, was ihm die Bezeichnung „Ritter des hohen C“ einbrachte. Dabei begann er als Popsänger. Mit ihm sprach Dirk Aschendorf.
Ihre Stimme gehört zu den exquisitesten – derzeit vielleicht auch zu den teuersten – in der Belcanto-Welt. Das Publikum scheint nur auf das Gewitter der hohen Cs zu warten. Warum?
Juan Diego Flórez:Vielleicht, weil es eigentlich eine eher seltene Note ist. Sie kommt vielleicht zwei, drei Mal vor, ist aber immer nur der kleinste Teil einer Szene oder Arie. Vielleicht hat es manchmal etwas von Zirkus und die Leute warten deshalb auf den Stunt. Aber auch für den Sänger sind diese Top-Töne aufregend. Und das spüren die Zuhörer auch.
Gibt es Wichtigeres in einer Aufführung, für Sie?
Florez:Ja. Alles muss schön sein, Belcanto bedeutet ja „schöner Gesang“. Die Phrasen müssen stimmen, du musst auch ein Legato, eine sichere Atemtechnik haben. Hohe Töne allein wären langweilig.
„Jede Oper ist ein Kind ihrer Zeit“
Ihr Repertoire ist musikalisch anspruchsvoll, die Stories der romantischen Oper gelten dagegen landläufig als Trash, unwahrscheinlich, absurd. Sind Rossini, Bellini und Co. es wert, auch szenisch aufgeführt zu werden?
Florez:Jede Oper ist ein Kind ihrer Zeit, wir sollten nicht nur mit heutigen Augen richten. Man kann nicht sagen, Rossinis „Otello“ ist Trash, nur der von Verdi ist gut. Der Geschmack war anders. Bei Rossini waren die Sänger die größte Attraktion, man erwartete nicht das perfekte literarische Drama. Aber die großen Opern ihrer Zeit sind es immer wert, aufgeführt zu werden. Wenn der Regisseur es versteht - und ernst meint - kann immer etwas Großes daraus werden. Wer kennt heute Rossinis „Matilda di Shabran“? Wir machten das in Londons Covent Garden, es war ein wahnsinniger Erfolg, weil auch die Inszenierung gut war. Und da bevorzuge ich moderne Produktionen - wenn sie gut und intelligent sind, - nicht die alten Kostümschinken.
Sie beschränken sich auf dieses Repertoire, ähnlich wie der große Alfredo Kraus, der noch mit 70 überzeugend jugendliche Helden sang. Ist es eine Selbstbeschränkung, um die Stimme zu erhalten?
Florez:Man sollte immer das singen, was seiner Stimme entspricht. Nicht zu schwere Rollen, die die Stimme ruinieren. Ich habe meine Nische gefunden, die ich behutsam erweitern werde.
„Ich habe einfach zu wenig Zeit“
Sie begannen früh als Popsänger, besuchten aber dann ein Musik-Konservatorium, später das Curtis-Institute in Philadelphia, warum?
Florez:Ich wollte mich der Musik umfassend nähern, wissen, wie sie wirklich funktioniert. Ich versuche immer auch, das Repertoire zu erforschen, vor allem meine neuen Rollen, die nicht so bekannt sind. Das Problem ist jedoch die Zeit: Ich habe einfach zu wenig.
Würdigt das Publikum das, oder kommen die Menschen, weil sie einen gut aussehenden Star mit außergewöhnlicher Stimme sehen und hören wollen?
Florez:Ich glaube, das Publikum will meine Stimme und die Musik hören. Ich bin ja schließlich kein Phänomen oder ein Cross-Over Künstler, den man besichtigen will. Es ist schon ein überwiegend informiertes Publikum.
„Italiener können kalt sein“
Gibt es da Unterschiede?
Florez:Eigentlich von Stadt zu Stadt, zwischen Ländern und Nationen so wie so. Amerikaner, zum Beispiel, sind ganz dabei, klatschen schon mal in die Musik hinein. Engländer erlebe ich immer konservativer, die Deutschen mehr enthusiastisch. Und ob Sie es glauben oder nicht, Italiener können sogar unglaublich kalt und hart sein.
Sie haben enge Bindungen nach Deutschland, wie sieht es künftig mit deutschen Opernpartien aus?
Florez:Mein Frau ist ja Deutsche, wie Sie sicher wissen. Ich habe viele deutsche Freunde, vor allem in München. Und so lerne ich jetzt auch fleißig Deutsch. Den Tamino in Mozarts „Zauberflöte“ oder Belmonte in der „Entführung aus dem Serail“ will ich auf jeden Fall bald in der Originalsprache singen.
- Konzert in der Essener Philharmonie am 25. November, 20 Uhr. Karten gibt es hier