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Koloraturgesang ist das Extrem menschlichen Gesangs. Diana Damrau und Joyce DiDonato können ein Lied davon singen und präsentieren die Bandbreite ihres Könnens auf neuen CD-Einspielungen.
Die Eine: ein beweglicher Mezzo mit Mut (und Fähigkeit) zu dramatischer Attacke, die Andere: ein lupenreiner lyrischer Sopran, die wieder einmal ein Feuerwerk der Koloraturen abbrennt: Joyce DiDonato und Diana Damrau brachten jetzt bei Virgin Classics CD-Einspielungen heraus, die beiden Damen wie auf den musikalischen Leib geschneidert sind.
Gespür für Dramaturgie und hörbare Liebe zu dieser Musik
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Die erstaunliche Amerikanerin, die manche schon als derzeit beste Rossini-Sängerin weltweit küren und die im sonst eher kühlen London eine Art DiDonato-Fieber auslöste, als sie in Covent Garden trotz Beinbruchs als Rosina im rossinischen „Barbier“ die angesetzte Aufführungsserie durchzog, begibt sich jetzt auf die Spuren der legendären Mezzosopranistin Isabella Colbran. „Colbran, die Muse“: Der Titel ist Programm. Auf dieser Neuerscheinung konzentriert sich die 40-Jährige, hochkarätig begleitet von Chor und Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Rom unter Edoardo Müller, ausschließlich auf Partien, die der letzte Meister des klassischen Belcanto für seine Gattin kreierte. Bravourstücke, die eigentlich das Höhen-Spektrum eines Mezzo schon sprengen. Dabei beschränkt sich die DiDonato allerdings nicht auf ein wirkungsvolles Applizieren des Zierrats in den teilweise hochvirtuosen Cabaletten der mehrteiligen Nummern. Gerade auch in den still versonnenen Szenen, darunter Elenas „O mattutini albori“ aus „La donna del lago“ oder „Giusto ciel, in tal periglio“ aus „Maometto II“ zeigt sie enormes Gespür für Dramaturgie und hörbare Liebe zu dieser Musik, die eben nicht nur elegant und leicht-ironisch daherkommt.
Die Stimme zeigt sich in bester Verfassung. Rund und weich, mit ausdrucksstarker Tiefe. Probleme mit der Technik scheint die Amerikanerin nicht zu kennen. Auch bei den erwähnten dramatischen Höhen-Attacken klingt nichts unangenehm-angestrengt. So werden auch ihre Gestaltung der Armida oder Semiramis (natürlich durfte das ewige Virtuosen-Futter „Bel raggio lusinghier“ nicht fehlen) zu Glanzstücken, in denen sich Brillanz und Geschmack künstlerisch die Waage halten. Nicht zuletzt deshalb: empfehlenswert.
Im Gegensatz zu ihrer amerikanischen Kollegin verweigert sich Deutschlands internationaler Sopran-Star in ihrer neuen Einspielung „COLORaturaS“ dem, was wir oben als Programm priesen. Es sei denn, man betrachtet die vordergründige Schwäche des koloraturseligen Potpourris in sich als programmatisch. Das Wortspiel des CD-Titels sagt, was die aus dem bayrischen Günzburg Stammende (die an der Met inzwischen ebenso zuhause ist, wie in Covent Garden, Dresden oder Wien), zeigen will: Farben.
Weniger Koloratur, mehr Farben
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Und nicht nur die, über die ihr biegsamer Sopran in Fülle gebietet. Auch in Puncto Repertoire bewegt sich die 38-Jährige („Einzig technisches Können unter Beweis zu stellen, interessiert mich nicht.“) inzwischen virtuos durch das 19. und 20. Jahrhundert. Ihre zarte Gilda aus Verdis „Rigoletto“ ist spätestens seit ihrem Dresdner Triumph an der Semper-Oper Legende. Zerbinettas Koloraturwahnsinn aus Strauss’ „Ariadne“ gehört zum Damrau-Höchststandard.
Jetzt setzt sie noch einen drauf mit Ambroise Thomas’ französischer Romantik-Fassung von Shakespeares „Hamlet“. Damraus Ophelia-Arie ist Programm: Koloratur-Wahnsinn. Wenn sie Puccini, Bernstein oder Strawinsky gleich mit im Gepäck hat, zeigt das zwar weniger Koloratur, dafür aber viel Farbe(n). Und die untermalen auch Mannheims neuer GMD Dan Ettinger und das Münchener Rundfunkorchester mit angemessen zurückhaltender Emphase.