Düsseldorf. .
Vielleicht lag’s an der Konzerthaus-Atmosphäre in der besesselten Düsseldorfer Tonhalle: Geradezu andächtig lauschten rund 1300 Fans der amerikanischen Indie-Band Wilco beim Konzert am Montag. Und zum Schluss gab’s Standing Ovations.
Die Musik spielte schon eine Stunde, bevor Jeff Tweedy, Mastermind von Wilco, die ersten Worte an die 1300 Fans in der Tonhalle richtete. Eine kurze Begrüßung nur, später wundert er sich: „Ihr seid so ruhig.“ „Wir sind nur höflich“, ruft einer zurück. „Zu höflich“, kontert Tweedy, nur um hinzuzufügen: „Aber der Himmel kann ja auch nicht blau genug sein.“
„Andächtig!“, hätte der Ruf auch lauten können, denn so lauschten die Menschen dieser Werkschau, die alles bot, warum so viele Wilco so sehr lieben. 1994 knallte die Country Punk Band Uncle Tupelo auseinander, Jay Farrar gründete Son Volt, Tweedy nannte seine neue Band Wilco und ist seitdem auf der Suche nach dem ultimativen Wohlklang – so wie er ihn hört.
Oft genug enden die Songs in Noise-Gewittern
Dazu gehören viele Störgeräusche, oft genug enden die Songs in Noise-Gewittern, wie man sie von Sonic Youth kennt, „Sister Ray“ von den Velvet Underground ist die Mutter dieses wütenden Lärms. In dessen Kern steckt bei Wilco jedoch die süße Melodie, in ihrer schönsten Form ist sie in „Jesus, etc.“ zu hören, ein fast an Otis Redding erinnertes Soulstück, das Tweedy als wunderbaren Sänger herausstellt.
Oft ist dessen Stimme allerdings im Mix versteckt, überhaupt ist es in der Tonhalle nicht einfach, für elektrisch verstärkte Musik einen guten Sound hinzukriegen. So klingt vieles merkwürdig distanziert. Dennoch schaffen es Wilco zu berühren, wie beim herrlich zerbrechlichen „California Stars“, die Vertonung eines bis 1998 unbekannten Textes des Folkhelden Woody Guthrie, dem Wilco zusammen mit Billy Bragg auf dem Album „Mermaid Avenue“ Tribut erwiesen.
Wilco (the Song) von Wilco (the Band) auf Wilco (the Album)
Es ist ja kein Wunder, dass Tweedy diesen Woody verehrt, gehört der doch auch zu jener „invisible republic“, von der Kritiker Greil Marcus schrieb, jenem alten, düsteren Amerika der Balladen, als Gegenentwurf zur „modernen“ Welt. „Bull Black Nova“ vom ironisch betitelten „Wilco (the Album)“ , auf dem es natürlich auch ein „Wilco (the Song)“ gibt, ist so eine düstere Mörderballade zu Gitarrenriffs, die auch von Neil Young stammen könnten. Überhaupt darf man sich bei Wilco (das Konzert) auch im Musikquiz üben, darf Beach Boys-Harmonien entdecken, Reminiszenzen an The Band, barocke Beatles-Schleifchen. Und wenn das, was Gitarrist Nels Cline da bei „You Never Know“ spielt, nicht an George Harrison erinnert...
An diesem Cline scheiden sich allerdings die Fan-Geister. Für manche ruinieren dessen exzessive Soli sogar die Schönheit mancher Songs, seine zuckenden Bewegungen erinnern immerhin an Wilco (!) Johnson, den manischen Ex-Gitarristen von Dr. Feelgood.
Am Ende gab es stehende Ovationen für die Band und ihre Mischung aus Anmut und Lärm.