Essen.
Am 31. Dezember endet nicht nur das Jahr, sondern auch das Jahrzehnt, jedenfalls musikgeschichtlich. Höchste Zeit also, die definitiv besten Platten der vergangenen zehn Jahre zu küren. Coldplay oder Aggro Berlin? Rammstein oder Bob Dylan? Zeigen Sie es uns!
Es fängt schon damit an, dass meine Top Ten zu elft sind. Es geht nicht anders, wirklich nicht. Elf Freunde müsst ihr sein. Obwohl man sich das mit der Freundschaft bei dieser Auswahl nur bedingt vorstellen kann. Ein richtig gutes Album zeichnet sich eben dadurch aus, dass es ein starker Individualist ist - und erst dann ein guter Mannschaftsspieler im eigenen Genre.
Machen wir uns nichts vor: Musikalische Jahrzehnt-Rückblicke sind gefährlich. Denn je länger eine Dekade her ist, desto homogener erscheint sie und wenn man nicht aufpasst, sind irgendwann die 70er nur noch Abba und AC/DC, die 80er A-Ha und Nena, die 90er Nirvana und Dr. Alban. Nutzen wir also die Chance, so schnell wie möglich die besten Platten des Jahrzehnts aufzuschreiben. Im vollen Bewusstsein, dass die Mannschaftsaufstellung morgen schon eine ganz andere sein kann.
The Strokes – Is This It (2001)
Großes Aufatmen zu Beginn des Jahrtausends. Endlich wieder Chucks und Lederjacken, endlich wieder coole Jungs aus New York. Mit dem ersten Strokes-Album hat es Garagenrock in exzellenter Verfassung ins nächste Jahrzehnt geschafft.
Justice – † (2007)
Es gibt eine Zeit vor und eine Zeit nach dem ersten Album von Justice. Gaspard Augé und Xavier de Rosnay waren zunächst durch Remixe aufgefallen. Dann kam mit dem unbeschreiblichen Album † eines der innovativsten des Jahrzehnts. Funkelnder, sprühender, groovender House aus Frankreich. Die Messlatte für zeitgemäße Clubmusik.
Sigur Rós – Takk (2005)
Ein Dialog aus einem Kölner „Tatort“. Kommissar Max Ballauf: „Was ist das denn für komische Musik?“ Zeugin: „Kennen Se nich? Das ist Sigur Rós!“ Was das bedeutet? Erstens: Das Distinktionspotenzial, das man sich mit der oft als „sphärisch“ bezeichneten Musik der Isländer hart erarbeitet hat, ist akut gefährdet. Zweitens: BAP-Hörer werden diese fabelhafte Band trotzdem nie verstehen.
Chemical Brothers – Come With Us (2002)
Das Titelstück ist einer der gewaltigsten und besten Alben-Einstiege des Jahrzehnts. Zugegeben: Nicht das beste Werk der Briten Tom Rowlands und Ed Simons. Aber immer noch das beste Big-Beat-Album zwischen 2000 und 2009 – und mit Gastsänger Richard Ashcroft (The Verve).
Muse – Black Holes and Revelations (2006)
Band gewordener Bombast: Hymnisch mit „Starlight“, sexy mit „Supermassive Black Hole“, verwüstet mit „Knights Of Cydonia“ – die Queenisierung des neuen Jahrtausends.
Arctic Monkeys - Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not (2006)
Ein Debüt aus einer Zeit, als der Begriff “Internetphänomen” in der Popmusik noch nicht abgenutzt und die Arctic Monkeys tatsächlich ein solches waren. Einen Freund erinnerten die Arctic Monkeys bei einem ihrer ersten Auftritte an jugendliche Otto-Normal-Briten aus dem Mallorca-Urlaub. Doch selten hat man die so rocken hören. Derbe, wie Jan Delay sagen würde. Der taucht in dieser Liste übrigens nicht auf.
Bloc Party – A Weekend in the City (2007)
Kopflastiger als das Erstlingswerk “Silent Alarm”, aber auch experimenteller. „A Weekend in the City“ ist beinahe ein Konzeptalbum. Es geht um Angst vor Terrorismus, Drogen, Einwanderung. Kluge Texte, tolle Musik, nicht unbedingt tanzbar.
Radiohead – In Rainbows (2007)
Das Album gab es zuerst als Download. Und jeder konnte so viel dafür zahlen, wie er es für richtig hielt. Also auch gar nichts. Wobei das ganz falsch gewesen wäre. „In Rainbows“ ist – doch, wirklich – ein Meisterwerk.
Arcade Fire – Funeral (2004)
Selten waren die Worte Trauer und Feier so gut auf einem Album vertont. Die Kanadier vereinen Gesang am Rande der Hysterie mit Akkordeon, Bläsern, Geigen. Groß!
The White Stripes – Elephant (2003)
Fünf Jahre vor der Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz war „Seven Nation Army“ nur ein genialer Rocksong und niemand hatte die Absicht, ihn mitzugrölen (döö dö dö dö dö dööö dööö). Erinnern wir uns also an diese selige Zeit, taumeln gottverlassen durch die Welt und singen „I just don’t know what to do with myself“.
Coldplay – Parachutes (2000)
Aus einer Zeit, in der Chris Martin noch an der Welt verzweifelte. Und es klang so schön. Hoping everything’s not lost.
Da waren’s also schon elf. Und es sitzen noch so viele auf der Ersatzbank. Eine ganze Mädchenmannschaft, angeführt von Lily Allen, Norah Jones, Alicia Keys, Björk und Kate Nash neben einer Schulklasse aus Hamburg (Tocotronic, Kettcar, Tomte, Blumfeld). Vielleicht sollten auch die Editors mitspielen oder die Kings of Leon. Was ist mit den Foo Fighters? Franz Ferdinand? The Hives? Rammstein? Wilco? The Killers? Was ist mit Moby? Und sollten wir nicht auch über HipHop reden? Über Kanye West, Jay-Z, 50 Cent, The Streets? Aggro Berlin? Deichkind? Und auch von Boby Dylan und Johnny Cash haben wir in dieser Dekade gehört.
Sie kennen ganz andere beste Alben des Jahrzehnts? Gut. Dann schreiben Sie es uns auf Facebook.