Essen. Kevin Powers war von 2004 bis 2005 als US-Soldat im Irak stationiert - als Maschinengewehrschütze kämpfte er in Mosul und Al Tafar. Sein beeindruckender Debütroman „Die Sonne war der ganze Himmel“ beschreibt, wie der Krieg die Seele zerfrisst.

Kriegsromane sind eigentlich Friedensromane. Sie setzen der Sinnlosigkeit des Kampfes zutiefst zivile Zielvorgaben entgegen: Menschlichkeit, Freundschaft, Liebe gar. Auf den ersten Blick gilt dies auch für den Debüt-Roman des ehemaligen US-Soldaten Kevin Powers: „Die Sonne war der ganze Himmel“ reißt die Wunden des Irak-Krieges auf. Doch statt heroischer Soldatenkumpelei beschreibt Powers ein seelenzerfressendes Tötenmüssen, vor dessen Hintergrund jede Freundschaft nur zur Bürde werden kann.

Von 2004 bis 2005 war Kevin Powers als US-Soldat im Irak, als Maschinengewehrschütze kämpfte er in Mosul und Al Tafar. Eben dort, zur selben Zeit, stationiert er nun seinen 21-jährigen Romanhelden John Bartle. Das autobiografische Schreiben ist ein Mittel der Aneignung ebenso wie der Distanzierung, und dieser großartige Roman lässt durchaus ahnen, welche Traumata ihn entstehen ließen. In einzelnen Szenen springt die Erzählung zwischen den Jahren 2003 bis 2009; zu Beginn erfahren wir von jenem Ereignis, das ihr ganzes Drama ausmacht: Der 18-jährige Soldat Daniel Murphy wird sterben. Die Frage ist nur, wie – und warum John dafür ins Gefängnis kommt.

Kurz bevor die Soldaten gen Irak aufbrachen, hatte John Daniels Mutter ein Versprechen gegeben: Ja, er würde auf ihren Sohn aufpassen. Das hatte er so dahingesagt, auf der Basis heimatlicher Verbundenheit zweier Jungs aus Virginia: „Wir hatten bescheidene Leben geführt, uns nach etwas gesehnt, das bedeutsamer war als schlechte Straßen und kleine Träume. Also waren wir zur Army gegangen, denn dort schien das Leben einfach, und man sagte uns, wer wir zu sein hatten.“ Nur sagte man ihnen nicht, wer sie werden könnten.

Abgebrüht und naiv

Schon nach wenigen Romanseiten stirbt ihr irakischer Übersetzer Malik, liegt in „einer großen Blutlache unten im Staub“. Murph und John aber überlegen nur, ob er „zählt“: Der Krieg hat bisher 968 Tote gefordert, und bei tausend, so glauben sie, wären sie selbst gerettet. Ihre Rechnung ist simpel: „Wenn du stirbst, wird mein Überleben etwas wahrscheinlicher.“

Als abgebrüht und naiv gleichermaßen beschreibt der Erzähler John sein 21-jähriges Ich. Erst später wird er damit hadern, dass er als heimkehrender Held gefeiert wird, obwohl er „Frauen getötet oder dabei zugeschaut hat, wie sie getötet wurden“. Obwohl er „auf Männer geschossen hat, viel öfter auf sie geschossen hat als nötig“. Obwohl er gern alles getötet hätte, was er sah, „denn es war, als wäre Säure in die Seele gesickert, als wäre die Seele zersetzt worden“.

Diesen Zustand in sich zu erkennen und sich selbst in diesem Zustand, erfordert Mut. Ihn aber in Literatur zu verwandeln, die erschreckt und berührt, die an Grenzen geht und doch den Weg zurück in eine Welt findet, in der Freundschaft zählt – ist eine Heldentat.

Kevin Powers: Die Sonne war der ganze Himmel. Fischer, 240 S., 19,99 €