Essen. Nach seinem preisgekrönten Meisterwerk „There Will Be Blood“ lag die Messlatte für Regie-Wunderkind Paul Thomas Anderson hoch: Sein ambitionierter neuer Film „The Master“ mit Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hoffman in den Hauptrollen kann die Erwartungen nicht voll erfüllen, liefert aber immerhin handwerklich perfekte und betörend schöne Bilder.

Amerikanisches Gesellschaftskino auf der Grundierung kritischer Selbstanalyse ist nur wenigen Filmemachern vorbehalten. Nach seinem Öldrama „There Will Be Blood“ wagt sich Paul Thomas Anderson in seinem neuen Film „The Master“ an den Zusammenhang von Kriegstrauma und Sektentum.

Der Tag, als der Pazifikkrieg zu Ende ging, bescherte nicht allen GIs Glück. Freddy Quell hatte vermutlich vorher schon so seine Probleme, aber jetzt ist er ohne jeden Halt; ein schwieriger Charakter, aufbrausend, alkoholkrank und sexsüchtig; kein Mann, mit dem man über längere Zeit gut klarkommt. Als Porträtfotograf in einem Kaufhaus scheitert er ebenso wie als Pflücker auf dem Kohlfeld. Allein und mittellos, ohne Perspektiven, zieht Freddy durchs Land. Dann trifft er Lancaster Dodd, der gut lebt und sehr mit sich zufrieden scheint.

Atemberaubend gute Bilder

Dodd kleidet Freddy neu ein und nimmt ihn in seine Gemeinschaft auf. Die nennt sich The Cause und predigt unter Dodds jovialer Leitung kosmische Therapie – und Kontrollmethoden. Freddy weiß sich seinem Gönner verpflichtet, aber Fremdbestimmung ist seine Sache nicht. Konfliktherde beginnen zu glühen und besonders Dodds Frau Peggy (Amy Adams bewährt sich in einer unsympathischen Rolle) beginnt das mit kalter Berechnung zu forcieren.

Amerika in den 40er und 50er Jahren liefert die chromblitzende Hochglanzkulisse für eine weitere komplizierte und eher unerquickliche Charakterstudie unter der Regie von Paul Thomas Anderson. Der Ehrgeiz, etwas Herausragendes zu schaffen, ist ihm dabei zumindest formal gelungen. Als Zeitpanorama sieht „The Master“ atemberaubend gut aus.

Anspruchsvolles Drehbuch ohne Nähe zu Figuren

Andersons Entscheidung, die Außenaufnahmen auf 70-Millimeter-Zelluloid zu drehen, beschert eine Farbenpracht und Tiefenschärfe, die jegliche Digitalbestrebungen schrumpfen lässt. Dem entgegen steht ein Drehbuch, das sich mit hohen Ansprüchen zwischen John Steinbecks Americana und Norman Mailers Gesellschaftspsychosen einnistet, dann aber partout keine Nähe zu den Figuren zulassen will. So erweckt Freddy auch nach zwei Stunden Spielzeit keinerlei Anteilnahme, während Lancaster Dodd als halbherzig verfremdeter Scientology-Gründer Ron Hubbard zwar schillernde Facetten bietet, aber in autoritärem Gottkomplex gefangen bleibt.

Die Schauspieler begegnen der psychologischen Diffusion mit nervigem Overacting. Joaquin Phoenix serviert das störrische Problemkind Freddy in verkrampfter Körperhaltung und mit halbseitig geschlossenem Mund, Philip Seymour Hoffman ist die knurrige Vaterfigur mit listigen Augen und viel Freude an Tanz und Gesang. Hier messen sich zwei schauspielerische Schwergewichte in der Arena ungebremster Virtuosität, aber wie der Film selbst bleibt es eine kalte Stilübung; ohne Charakterentwicklung, stumpf als Satire und ungenau im gesellschaftlichen Anliegen. Die Bedeutungstiefe bleibt behauptet.