Essen. In “Jersey Boys“ unternehmen Kinogänger eine Zeitreise in die Musik der 50er- und 60er-Jahre. Regisseur Clint Eastwood ist ein Film-Musical gelungen, das eher Tiefgang als Juke-Box-Klamauk bietet. Es geht um die Four Seasons, die vor 40, 50 Jahren in den USA eine wahre Hitfabrik waren.

In den 60er-Jahren waren die Four Seasons in den USA eine wahre Hitfabrik, die mehrfach hintereinander den Spitzenplatz der Charts erobern konnte. Der Erfolg der Gruppe basierte auf der unverkennbaren Falsett-Stimme von Lead-Sänger Frankie Valli und dem musikalischen Vermögen des Komponisten Bob Gaudio. Vor allem jüngere Menschen, die von Titeln wie "Walk Like a Man" oder "Big Girls Don’t Cry" noch nie gehört haben, bekommen nun im Kino Nachhilfe. Kein geringerer als Clint Eastwood hat sich dazu berufen gefühlt, das Erfolgsstück "Jersey Boys" für die Leinwand zu adaptieren.

Es ist sicherlich eine überraschende Wahl für diesen Regisseur, dessen musikalische Interessen eher im Jazzbereich liegen. Vielleicht hat es ihn gereizt, am Beispiel der Four Seasons exemplarisch aufzuzeigen, wie viel Arbeit hinter den perfekten Auftritten eines Quartetts steckt, wie das anstrengende Tournee-Leben an den Nerven zerrt und wie ganze Familien am Showbusiness zugrunde gehen. Wer ein beschwingtes Juke-Box-Musical im Stil von "Mamma Mia" erwartet, der liegt bei Eastwood denkbar falsch. Der Regie-Veteran klammert dafür die Außenwelt nahezu völlig aus und konzentriert sich ganz auf seine vier Protagonisten. Nur ein einziges Mal, wenn drei Damen als Pop-Trio "The Angels" den Hit "MyBoyfriend’s Back" singen, nimmt man zur Kenntnis, dass außer den Songs der Four Seasons auch noch andere Musik existiert.

Eigentlich liegen die Interessen des Regisseurs eher im Jazzbereich

Diese Konzentration zahlt sich aus, denn dadurch prägen sich beim Zuschauer all die starken Schauspieler ein, die hierzulande kein Mensch kennt, weil sie aus der Bühnenproduktion des Stückes stammen. John Lloyd Young beispielsweise verkörpert Frankie Valli gesanglich bis zur Perfektion, was man vor allem in jenem Moment spürt, wenn plötzlich im Radio die echte Gruppe erklingt. Mit Leichtigkeit trägt Young diesen Film, der in den 50-er Jahren in New Jersey beginnt, als sich Valli, damals noch Frankie Castelluccio, von Tommy DeVito (Vincent Piazza) in kleine Gaunereien verwickeln lässt. DeVito wird später als Mitglied der Four Seasons noch für Ärger sorgen, denn die Wurzeln zur Unterwelt kann er nicht abschütteln.

Man spürt Eastwoods Bemühen, hier mehr abzuliefern als nur ein weiteres vorhersehbares Biopic aus dem Showbusiness. Doch auch er muss schließlich nach der düsteren ersten halben Stunde zum Thema Jugendkriminalität die Hitmaschine bedienen und eine reiche Auswahl von Erfolgsnummern der Four Seasons präsentieren. Es ist die Zeit, da das Publikum noch gesittet klatschte nach jedem Stück, als man dem zündenden Rhythmus noch nicht nachgab und von den Sitzen aufsprang. Das spart der Regisseur sich für den Abspann auf, wenn zum späten Hit "Oh What a Night" sämtliche Akteure des Films fröhlich durch die Straßen tanzen.

Eastwood selbst muss sich das mit 84 Jahren nicht mehr antun. Sein Alter macht er an einer Stelle des Films deutlich, wenn im Schwarzweiß-Fernseher eine Episode der Western-Serie „Cowboys“ (Rawhide) läuft, in der er sieben Jahre zu sehen war. Ich bin nicht nur der Regisseur, scheint er hier sagen zu wollen, ich war auch dabei.

Wertung: vier von fünf Sternen