Berlin. Keine Punkte mehr in Flensburg, kostenfreie Besuche im Solarium und eine "Fango-Koalition": So sieht Deutschland mit Horst Schlämmer als Kanzler aus. Zur Filmpremiere von "Isch kandidiere" in Berlin wurde Hape Kerkeling mit ockerfarbenen Fähnchen begrüßt.
Von wegen Politikverdrossenheit: Mit ockerfarbenen Fähnchen und T-Shirts haben die Fans ihren fiktiven Kanzlerkandidaten Horst Schlämmer alias Hape Kerkeling in Berlin in Empfang genommen. Der Komiker stand bei der Premiere seines Films "Horst Schlämmer - Isch kandidiere!" am Montag minutenlang im Blitzlichtgewitter - so schön kann Wahlkampf sein.
Politiker machen bei Komödie mit
Neben Politikern wie Jürgen Rüttgers (CDU) und Cem Özdemir (Die Grünen) wirken in der von Angelo Colagrossi produzierten Komödie auch die Schauspieler Simon Gosejohann, Maren Kroymann und Norbert Heisterkamp mit. Alexandra Kamp, die die neue Frau an der Schlämmers Seite spielt, sagte: "Es war ein Traum, in dem Film mitzuspielen. Hape Kerkeling ist einer der tollsten Menschen, die ich je kennengelernt habe."
Die Geschichte des Klamauks ist schnell erzählt: Der gelangweilte stellvertretende Chefredakteur Schlämmer schmeißt seinen Job beim Grevenbroicher Tagblatt, um höheren Ambitionen zu folgen. Genervt von den leeren Reden der großen Parteien entschließt er sich, die Horst-Schlämmer-Partei (HSP) zu gründen, mit der er ins Bundeskanzleramt möchte. Frei nach dem Motto: Was die anderen nicht können, könne er auch. "Die Welt braucht mich", ist Schlämmer überzeugt.
Eine lange Agenda
Auf der Agenda stehen: Kostenfreie Besuche im Solarium, die Abschaffung der Flensburger Verkehrssünder-Kartei und Schönheitsoperationen auf Kassenrezept. Zudem möchte er vier Millionen Arbeitsplätze nicht schaffen und sollte ihm das doch gelingen, könne man ihn wieder abwählen. Im Falle eines Wahlsiegs würde der Grevenbroichener mit der altmodischen Brille und dem Überbiss mit den Grünen eine "Fango-Koalition" eingehen. Zudem würde Claudia Roth neue Außenministerin werden.
"Ich werde mich natürlich anstrengen, damit Schlämmer gewinnt", sagte Roth vor dem Film. Sie bewundere Schlämmers Fähigkeit, sich selber zu karikieren. Von dem Spitzenkandidaten könne man lernen, über sich selbst zu lachen: "Er hält der großen Politik den Spiegel vor."
Da tut es auch nichts zur Sache, dass der Wunschkandidat nach Alkohol riecht, ständig aufstößt und schiefe Zähne hat. Selbst der Botschaft von US-Präsident Barack Obama gibt Schlämmer eine eigene Note: Statt "Yes, we can", ziert nun "Yes, weekend" seine Wahlplakate.
Kunstfigur trifft Nerv der Zeit
Der Komödiant Kerkeling trifft mit seiner Kunst-Figur scheinbar den Nerv seiner Mitmenschen. Das Medieninteresse in den letzten Wochen war enorm. Die Nachrichtensender n-tv und N24 präsentierten die Vorstellung des Schlämmer-Wahlprogramms am vergangenen Dienstag sogar als breaking-news. Eine repräsentative Umfrage unter 1.000 Bundesbürgern für den "Stern" hatte ergeben, dass 18 Prozent der Befragten ihr Kreuz unter die Horst-Schlämmer-Partei setzen würden, wenn sie bei der Bundestagswahl am 27. September tatsächlich anträte.
Da wird es am Ende fast zur Nebensache, dass Schlämmer im Film gegen die CDU und SPD haushoch verliert. Mit nur 0,37 Prozent ist eben kein Kanzler zu stellen. Doch Schlämmer verspricht: "In vier Jahren probiere ich es wieder". (ap)