Essen. Für seinen bei der Berlinale gefeierten Film “Boyhood“ hat der amerikanische Regisseur Richard Linklater über einen Zeitraum von zwölf Jahren mit dem gleichen Darstellerensemble zusammengearbeitet. Jedes Jahr traf man sich für einige Drehtage. Der Film erzählt die Jugend eines texanischen Jungen.

Prägende Momente. Als Mason sechs Jahre alt ist, muss er zum ersten Mal seine gewohnte Umgebung und damit auch seinen besten Freund hinter sich lassen. Das ist in "Boyhood", Richard Linklaters Porträt einer Kindheit und Jugend, sogar wörtlich zu nehmen. Mason sieht seinen Freund nur noch durch die Scheiben des Autos, mit dem seine Mutter zusammen mit ihm und seiner etwas älteren Schwester Samantha in ein neues Leben aufbricht. Ein richtiger Abschied bleibt ihm verwehrt.

Zwölf Jahre später ist es dann Mason, den es in die Welt und an ein College zieht. Nun bleibt seine von Patricia Arquette gespielte Mutter Olivia zurück und kann es nicht fassen. Wie einstmals ihr Sohn wird auch sie von einem Gefühl des Verlusts überwältigt, während Mason (Ellar Coltrane) einfach den nächsten Schritt in seinem Leben macht.

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Ein Film der Wiederholungen, Variationen, Spiegelungen

Diese Abschiede, die auch Neuanfänge sind, bilden eine Art von Rahmen für diese dem Fluss der Zeit abgetrotzte Erzählung. "Boyhood" ist ein Film der Wiederholungen, der Variationen und der Spiegelungen. So konnte Richard Linklater diesem 2002 begonnenen und knapp zwölf Jahre später vollendeten Experiment eine klare Struktur geben. Die Dramaturgie folgt dabei durchaus den klassischen Konventionen Hollywoods und operiert mit vertrauten Konflikten. Dennoch bleibt der Film offen für Zufälle und das Unkalkulierbare, das immer auch Teil des Lebens ist.

Jahr für Jahr hat Linklater sich für ein paar Tage mit seinem Ensemble getroffen und neue Szenen gedreht. In kurzen Schlaglichtern offenbaren sich die teils exemplarischen, teils einzigartigen Wege einer Familie. Olivia gerät wieder und wieder an die falschen Männer und schafft es doch, sich zu behaupten. Der so oft abwesende Vater (Ethan Hawke) widersetzt sich lange den gesellschaftlichen Konventionen und wird trotz allem, mit einer zweiten Familie, bürgerlich.

Ellar Coltrane bewahrt sich entwaffnende Natürlichkeit

Währenddessen ist der Vater auf der Suche nach seinem Platz in der Welt und probiert sich dabei immer wieder von neuem aus. Mal rebelliert er, mal schwimmt er einfach mit. Ellar Coltrane bewahrt sich in jeder Phase dieser eigentlich alltäglichen und doch auch magischen Kindheits- und Jugenderzählung eine geradezu entwaffnende Natürlichkeit. Er spielt Mason nicht nur, sondern lebt diese Figur regelrecht. So hält er den Film zusammen und verleiht selbst offensichtlich konstruierten Wendungen und Ereignissen noch eine Aura von Wahrhaftigkeit.

Wertung: 4 von 5 Sternen