Essen. . Christoph Maria Herbst über seine Rolle als Büro-Diktator Bernd Stromberg, die ihm am Ende zwar aus dem Hals hing, über die er sich jedoch nicht beklagen konnte: Die Maske mit dem “Klobrillen-Bart“ sei schließlich seine Idee gewesen, sagt der Schauspieler im Interview.
Nach fünf Staffeln im Fernsehen feiert Büro-Ekel Stromberg seinen Abschied von den Capitol-Versicherung nun im Kino. An diesem Donnerstag startet der Film. Für Stromberg-Schauspieler Christoph war die Figur am Ende eine ziemliche Belastung. Aber beschweren will er sich nicht.
Herr Herbst, von wem stammt der Satz „Der Herbst ist immer unsere beste Zeit“?
Christoph Maria Herbst: Das klingt ein bisschen nach Rilke, aber ich würde doch auf Goethe tippen.
Richtig, womit wir bei „Fack Ju Göhte“ wären? Sorgt der Mega-Erfolg der Comedy-Konkurrenz für Ansporn oder doch auch für bisschen Neid?
Herbst: Neid gibt es da überhaupt nicht, dieser Erfolg freut mich total. Deutsche Filme haben es oft schwer genug, sich gegen die unglaubliche Welle der US-Filme durchzusetzen, da drücke ich jedem alle Daumen. Zudem schätze ich Elyas M’Barek auch als Kollegen sehr. Gemeinsam mit ihm und Detlev Buck habe ich gerade „Männerhort“ abgedreht, was eine wunderbare Erfahrung war.
Sie gelten als freundlicher Zeitgenosse, wie holt man den Kotzbrocken für eine Rolle wie den Stromberg aus sich heraus?
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Herbst: Figuren gelingen ja umso besser, je weniger sie mit einem selbst zu tun haben. Je weiter die Rolle von dir entfernt ist, desto mehr kannst du sie mit Fleisch ausstatten.
Mit welchen Gefühlen geben Sie den Widerling?
Herbst: Mir macht es total Spaß, als Rampensau dem Affen Zucker zu geben. Mit dieser Figur kann ich Dinge tun, die ich im echten Leben niemals tun würde, aber als Stromberg darf ich alles machen, das ist ein bisschen wie beim Karneval. Und vielleicht arbeite ich ja auch noch das eine oder andere Mini-Trauma aus meiner Bank-Lehrzeit ab. (lacht)
Gags über Minderheiten kratzen das Schlechteste im Menschen hoch
Warum ist der Unsympath Stromberg derart populär beim Publikum?
Herbst: Die Menschen arbeiten sich offensichtlich gerne ab an einer solchen Figur. Für die einen bringt sie etwas Kathartisches mit. Für andere funktioniert sie als Ventil nach dem Motto: „So schlimm wie Stromberg bin ich selbst Gott sei Dank ja nicht.“ Viele erfreuen sich auch einfach nur an den frechen Sprüchen. Ich glaube, das deutsche Fernsehen braucht so eine Figur - die gab es in den 70-er Jahren ganz ähnlich mit dem Ekel Alfred in „Ein Herz und eine Seele“.
Wobei Ekel Alfred deutlich rassistischer auftrat. Gibt es bei Stromberg Grenzen des Humors?
Herbst: Stromberg ist durchaus stammtischtauglich, nur eben latenter als Alfred Tetzlaff. Was Minderheiten anlangt, haben wir allerdings alle schon durch: Frauen, Schwule, Muslime - so würde es Stromberg ausdrücken, ich natürlich nicht! (lacht) Solche Gags funktionieren einfach immer, weil sie das Schlechteste im Menschen hochkratzen. Aus diesem Grund hält sich auch ein Hitler so dauerhaft im Humor-Bereich und ist da fast schon so etwas wie eine Marke.
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Der Sprung von der TV-Folge zum abendfüllenden Spielfilm ist nicht ganz einfach und oft schon misslungen. Wie umgeht man die Gefahr einer bloßen Pointen-Parade?
Herbst: Unser Autor Ralf Husmann hat zum Glück nicht den Fehler gemacht, einfach vier TV-Folgen zu einem Film zu verwursten. Stattdessen hat er eine tragfähige Geschichte für einen Kinofilm geschrieben, bei der wir uns bewusst aus dem vertrauten „Capitol“-Büro heraus bewegen und Stromberg erstmals mit den Nasen aus der Zentrale konfrontiert wird, wodurch sich dramaturgisch ganz andere Welten öffnen.
"Stromberg ist jetzt einfach auserzählt"
Der Film wurde von Fans mit dem berühmten „Crowdfunding“ finanziert. Ist das nur ein Marketing-Gag oder hätten Sie tatsächlich keine klassische Finanzierung für eine Komödie über eine Kultfigur bekommen?
Herbst: Der treffende Ausdruck wäre „Crowdinvesting“, denn bei uns haben die Leute nicht gespendet, sondern sie hoffen auf die ehrliche, marktwirtschaftliche Chance, ihre Einlage und sogar noch eine Rendite zurückzubekommen. Natürlich hätte man das Projekt klassisch finanzieren können. Aber unsere Produzenten von „Brainpool“ wollten sich ihre Freiheit nicht abkaufen lassen. Sobald es Geldgeber gibt, möchten die auch Einfluss nehmen. Uns war es lieber, wenn Fans diesen Einfluss bekommen, schließlich kennen die den Stromberg am besten.
Wenig erfreulich für die Fans dürfte es sein, dass dies der letzte Auftritt von Stromberg sein wird…
Herbst: Stimmt. Aber was sollte danach noch kommen? Wir haben Stromberg in der Horizontalen, in der Vertikalen und jeder denkbaren Himmelsrichtung erzählt, er ist jetzt einfach auserzählt. Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist - und schöner als ein Kinofilm kann es nicht werden. Stromberg auf der großen Leinwand ist sein Ritterschlag.
Hing Ihnen der Typ dann irgendwann auch zum Hals heraus?
Herbst: Kurz von Ende jeder Dreharbeit konnte ich dieses Gesicht nicht mehr sehen. Diese Amtsschimmel-Visage mit Haarkranz und Klobrillen-Bart war mir unerträglich, aber ich darf mich nicht beklagen, diese Maske war schließlich meine Idee.
Welche weiteren Ideen von Ihnen stecken in Stromberg?
Herbst: Gar keine. Das ist ein fertiges Drehbuch, das ich mit Glück zehn Tage vor dem Drehbeginn bekam, weil unser Autor Ralf Husmann nur unter Druck arbeiten kann. Diese Texte lerne ich auswendig und gehe meiner Kernkompetenz nach, als Schauspieler tätig zu sein. Ich hätte hier und da vielleicht eine Drehbuchidee gehabt, aber der Husmann würde es sich verbitten, dass ich mich dort einmische. Ebenso wie ich mir verbitten würde, dass er mir sagt, wie ich diese Figur spielen soll.
Stromberg würde sich niemals auf Facebook tummeln
Würden Sie sich auch verbitten, dass man Sie Comedian nennt und nicht Schauspieler?
Herbst: Man darf mich nennen, wie man will. Ich selbst würde mich lieber als Schauspieler bezeichnen, weil ich versucht habe, mich dieser Figur mit den Mitteln eines Schauspielers und nicht des Comedian zu nähern. Ich wollte diesen Typen nicht als Abziehbild vorführen, sondern Stromberg auch eine Seele geben und ein Herz. Mir war wichtig, dass die Zuschauer mit Mitgefühl empfinden und mit Stromberg leiden - so oft er auch ein Arschloch ist.
Welche positiven Seiten hat Stromberg? Gäbe es Gründe, ihm auf Facebook eine Freundschaftsanfrage zu schicken?
Herbst: Stromberg würde sich niemals auf Facebook tummeln, weil er das für neumodischen Schnickschnack hält. Aber er besitzt durchaus diese schöne Seite, sich als Papa für alle zu empfinden. Er nennt sich selbst sehr gerne Papa, auch wenn das natürlich komplett realitätsfremd ist. Aber wenn man überlegt, was dieser Mann alles durchlebt hat, nähert man sich dem Bereich von Shakespeareschen Königsdramen - natürlich mit ganz vielen komödiantischen Anteilen.