Essen. . Die Filmbiographie „Mandela – der lange Weg zur Freiheit“ setzt dem vor wenigen Wochen verstorbenen südafrikanischen Friedensnobelpreisträger ein filmisches Denkmal. Regisseur Justin Chadwick zeigt aber nicht nur den Freiheitskämpfer, sondern auch den Privatmann mit durchaus menschlichen Schwächen.

Schon zu Nelson Mandelas Lebzeiten war es nicht gerade leicht, die Ikone vom Menschen zu trennen. Nun, nach seinem Tod am 5. Dezember vergangenen Jahres, erscheint einem dies noch weitaus schwieriger. Der Mythos vom Freiheitskämpfer und Politiker, vom Friedensnobelpreisträger und von dem Mann, der die Menschen in Südafrika wieder vereint hat, überstrahlt alles.

„Mandela – Der lange Weg zur Freiheit“, Justin Chadwicks Kinoadaption von Nelson Mandelas Autobiographie, ist zwar noch vor dessen Tod entstanden, setzt aber schon ganz auf die Legende. Seine oft in ein fast schon goldenes Licht getauchten Bilder haben von Anfang an etwas Verklärendes. Hier erzählt ein Filmemacher die Lebensgeschichte einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und arbeitet mit jeder Einstellung an einem filmischen Denkmal. Aber auch das, dieser Zug ins Mythische und Überlebensgroße, hat durchaus seinen eigenen Reiz. Man sollte nur keinen objektiven oder gar analytischen Blick auf Mandelas Leben und Werdegang erwarten.

Nichts fehlt in dieser filmischen Biographie, weder Bilder von Mandelas Kindheit in einer traditionellen Dorfgemeinschaft in der Transkei, noch Episoden aus seinen Jahren als junger Rechtsanwalt in Johannesburg. Und so verkörpert der britische Schauspieler Idris Elba nicht nur die öffentliche Persönlichkeit. Er ist auch der Boxer, der mit einer bewundernswerten Eleganz durch den Ring tänzelt, und der Frauenheld, der sich seiner Wirkung vollkommen bewusst ist und das Leben im Johannesburg der 1940er Jahre in vollen Zügen genießt.

Massaker von Sharpeville radikalisiert Mandela

Aber gerade diese eher privaten Szenen, die durchaus ein etwas anderes Licht auf Nelson Mandela werfen könnten, gehen beinahe im Strudel der Ereignisse unter. Trotz einer Länge von immerhin zweieinhalb Stunden hat Chadwicks Film vor allem in der ersten Hälfte etwas fast schon Gehetztes. Ein Ereignis jagt das vorherige. Kaum hat sich Mandela 1944 dem ANC angeschlossen und seine ersten großen Reden gehalten. Schon folgt das Massaker von Sharpeville, das 1960 zur Radikalisierung einiger Teile des ANC geführt hat. Nachdem weiße Polizisten wahllos in eine Menge schwarzer Demonstranten geschossen haben, sieht Mandela nur einen Weg für sich, und der führt in den Untergrund. 1963 wird er dann verhaftet und für 27 Jahre eingesperrt.

Idris Elba zeichnet in der zweiten Hälfte ein differenzierteres Bild

Mit Mandelas Verhaftung kommt dann etwas Ruhe in dieses Filmporträt. Während Idris Elba zuvor einfach nur der Sportler und der Redner, der Verführer und der Untergrundkämpfer war, kann er in der zweiten Hälfte des Films ein differenziertes Bild Mandelas zeichnen. Die Jahre der Haft schreiben sich nicht nur in seine Gesichtszüge ein. Sie verändern auch sein Denken und Handeln. Die Überzeugungen, die ihn Bomben bauen ließen, sind geblieben, aber Elba strahlt in den Szenen im Gefängnis wie auch später bei seinen Begegnungen mit den weißen Präsidenten Botha und de Klerk eine Ruhe und Größe aus.

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Parallel zu Nelson Mandelas Geschichte erzählt Chadwick immer auch noch die von dessen zweiter Frau Winnie (Naomie Harris). Während ihr Mann in der Zeit nach 1963 sich immer mehr zum Staatsmann und Diplomaten entwickelt, der seine Ziele Schritt für Schritt erreicht, geht sie den entgegengesetzten Weg. Wieder und wieder wird sie verhaftet und gefoltert, bis sie immer radikalere Positionen einnimmt. Eine stille Wut erfüllt Naomie Harris’ Spiel. Wie sie nach und nach all die Leichtigkeit verliert, wie sie sich immer weiter verhärtet, zunächst um zu überleben, später dann um ihrem Leben einen Sinn zu geben, ist so konsequent wie erschreckend. Daher sind es die gemeinsamen Momente von Elba und Harris, die Chadwicks ansonsten eher unfokussierter Filmbiographie eine emotionale Kraft geben. Während er zur Legende wird, zahlt sie den Preis des Apartheid-Regimes. So weitet sich der Mythos dann doch noch ins Tragische. Wertung: 3 von 5